Journalisten vor einem Gerichtsgebäude
SRG Deutschschweiz Magazin LINK

Gerichtsberichterstattung – Brücke zwischen Justiz und Öffentlichkeit

Gerichtsprozesse wie jener beim Vierfachmord von Rupperswil führen immer wieder zu grossen Schlagzeilen. Auch bei kleineren Fällen ist die Gerichtsberichterstattung eine grosse Herausforderung für Medienschaffende. Dies legte der Kurs der Bildungskommission der SRG ZH SH zum Thema «Gerichtsberichterstattung» anschaulich dar.

Die Gerichtsöffentlichkeit ist ein rechtsstaatliches Prinzip mit dem Ziel, eine faire Behandlung der Prozessparteien, ein gerechtes Verfahren und Transparenz der Justiz zu gewährleisten. Medienschaffenden kommt eine Brückenfunktion zwischen Justiz und Öffentlichkeit zu: Ihre Berichterstattung macht die Vorgänge im Gerichtssaal einem breiten Publikum zugänglich und ermöglicht so eine gewisse Kontrolle der richterlichen Tätigkeit.

Die nötige Distanz wahren

Die häufig heiklen Inhalte stellen jedoch einen hohen Anspruch an die Berichterstattung, wie Barbara Lehmann (lic. iur., Rechtsanwältin) vom SRF-Rechtsdienst im Kurs ausführte. SRF hält deshalb in seinen publizistischen Leitlinien fest, dass grundsätzlich weder Namen von mutmasslichen Täterinnen und Tätern, noch identifizierbare Bezeichnungen oder Beschreibungen genannt werden und die Unschuldsvermutung sowie die Privatsphäre der Parteien und Opfer geachtet werden müssen.

In der Praxis ist dies nicht immer einfach umzusetzen, wie Maurice Velati, Leiter Regionaljournal AG SO, deutlich machte. Bei Fällen wie jenem in Rupperswil sei es nicht immer einfach, eine Balance zu finden zwischen der persönlich empfundenen Abscheu gegenüber den Taten und der professionell nötigen Distanz. Velati meinte, er zähle durchaus auch mal die Zeilen, um sicherzustellen, dass er Anklage und Verteidigung ähnlich viel Raum zugesteht.

Schwierige Bedingungen vor Ort

Neben den belastenden Inhalten erschweren die praktischen Umstände die Gerichtsberichterstattung: Richterinnen und Richter, die ihre Zeitpläne nicht den Sendezeiten der Medien anpassen, enge Platzverhältnisse in überfüllten Sälen oder historische Gerichtssäle ohne WLAN und mit nur einer einzigen Steckdose. Dazu kommt der hohe Zeitdruck: Die Journalistinnen und Journalisten müssen alleine und in kürzester Zeit viele heikle publizistische Entscheidungen treffen. Der Druck, immer schneller zu sein, führt dazu, dass Online-Medien – so auch im Fall Rupperswil – zunehmend direkt aus dem Gerichtssaal «livetickern». Velati steht diesem Trend kritisch gegenüber. Dies sei «kein Journalismus» mehr, denn es fehle darin die Brückenfunktion: die journalistische Zusammenfassung und Einordnung.


Text: Sina Blassnig

Bild: Maurice Velati

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Bild von Der Sensationsgier trotzen

Der Sensationsgier trotzen

SRF-Korrespondenten müssen sachlich, im fachlich korrekten Jargon und vor allem fair berichten. Die strengen publizistischen Leitlinien von SRF schreiben dies vor. Und damit hebt sich die SRF-Gerichts­berichterstattung von jener der meisten anderen Medien klar ab.

Weiterlesen

Bild von Vom «Jagen und Sammeln» der SRF-Gerichtsberichterstatter

Vom «Jagen und Sammeln» der SRF-Gerichtsberichterstatter

Ein national beachteter Gerichtsfall gab der Programmkommission der SRG Aargau Solothurn Gelegenheit, die Gerichtsberichterstattung der Fernsehkorrespondentinnen und -korrespondenten genauer zu betrachten. Ein Gespräch mit den Fernsehmachern ermöglichte aufschlussreiche Einblicke.

Weiterlesen

Bild von Politik als Unterhaltungsspektakel

Politik als Unterhaltungsspektakel

Für die öffentlichen Sender ist es eine grosse Herausforderung, über politische Wahlen zu berichten. Heutige Mediennutzer erwarten eine seriöse politische Berichterstattung, die zugleich innovativ und unterhaltend aufbereitet ist. Ausländische Sender haben versucht, dieser Anforderung gerecht zu werden. Auch SRF wird im Wahljahr 2015 gefordert sein.

Weiterlesen

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit (bitte beachten Sie die Netiquette und Rechtliches)

Lade Kommentare...
Noch keine Kommentare vorhanden

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht