Stapferhaus Eingangsbereich, Chefbeamter Hans Wahr
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Im Zeitalter der Fake News

Das Stapferhaus in Lenzburg thematisiert in einer gelungenen Ausstellung «Fake». Eine anregende – aber zugleich unbequeme – Auseinandersetzung mit Lüge und Wahrheit. Ein akutes Thema in Zeiten von Fake News.

Und plötzlich blinkt die halbe Welt. Ein riesiger Bildschirm zeigt, wie eine Nachricht, gesendet in Washington D.C., um den Globus geht. Der Tweet von Donald Trump mit seinen 70 Millionen Followern wurde innert wenigen Tagen zehntausendfach retweetet und gelikt. Der US-Präsident beklagte sich darin, er werde von Google schikaniert – was Google dementierte. Die Visualisierung führt eindrücklich vor Augen, welche Macht eine Einzelperson dank Social Media entfalten kann. Völlig unabhängig vom Wahrheitsgewalt ihrer Botschaften. Womit wir mitten im Thema sind.

«Fake. Die ganze Wahrheit» heisst die Ausstellung im Stapferhaus in Lenzburg. Das Kulturhaus hat sich vom Geheimtipp zur namhaften Referenz gemausert. Die aktuelle Ausstellung im Neubau beim Bahnhof Lenzburg wurde wegen des grossen Publikumsinteresses bis Juni verlängert.

«Möchten Sie immer die Wahrheit wissen?»

Hans Wahr (Bild)
Fiktiver Chef des «Amts für die ganze Wahrheit»

Zu Beginn wird der Besucher, die Besucherin beim eigenen Verhalten gepackt. 200 Mal pro Tag würden wir lügen, sagt Hans Wahr, der (fiktive) Chef des «Amts für die ganze Wahrheit», im Einführungsvideo. Man fragt sich: Stimmt das? Und schon ist der Prozess der Auseinandersetzung mit Lüge und Wahrheit in Gang gesetzt, um den es letztlich in der Ausstellung geht. Man erhält weniger Antworten als viel mehr verschiedene Perspektiven zum Thema. Und lernt, dass «wahr» und «falsch» eher Verhandlungssache denn absolute Kategorien sind. «Möchten Sie immer die Wahrheit wissen?», fragt der Chefbeamte, um klarzustellen: «Die Wahrheit braucht dich.»

In der kurzweiligen Ausstellung wechseln sich interaktive und spielerische Bereiche mit Videos und Informationstafeln ab. Und wenn die «Abteilung für blöde Ausreden» «wegen Wasserschaden geschlossen» ist, nimmt man die Einladung zum Schmunzeln gern an. An sich ist das Thema bitterernst. Dies verdeutlicht eine Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo: Mehr als vier Fünftel der Befragten sehen Fake News als Gefahr für die Demokratie und fühlen sich durch diese in ihrer politischen Meinungsbildung beeinträchtigt. In einer Videodiskussion sagt der (fiktive) Medienvertreter: «Journalisten halten sich an die Wahrheit.» Doch die Fremdwahrnehmung ist anders: Lediglich elf Prozent vertrauen darauf, dass Journalisten die Wahrheit sagen. Noch weniger vertrauenswürdig sind Managerinnen und Politiker.


«FAKE» im Stapferhaus bis am 28. Juni 2020

Tipp des Autors: Nehmen Sie sich einen halben Tag Zeit für die Ausstellung. Zwei Stunden reichen nicht.


Die «Medienstelle für alte und neue Fake News» (mit der Visualisierung von Trumps Tweet) bietet historische Einordnungen. Fake News – beziehungsweise den Streit darum – gibt es schon lange. Bereits 1874 sprach die Kirchenzeitung von der «radikalen Lügenpresse». Eine wichtige Botschaft: Jedes neue Medium kreiert neue Manipulationsmöglichkeiten. Berühmt ist Orson Welles’ als Nachrichtensendung inszeniertes Hörspiel, in dem Marsmenschen landen. Der «Fake» versetzte manche US-Bürger in Angst und Schrecken.

Aber welchen Quellen kann man trauen? Hier nennt die Bevölkerung an erster Stelle die öffentlich-rechtlichen Medien, noch vor amtlichen Informationen. Die Privatmedien hingegen hält lediglich eine von zehn Personen für «besonders verlässlich». Da ist es nützlich, dass man beim Faktencheck lernt, wie man Fake News erkennt. Doch wie wichtig ist uns die Wahrheit, wenn wir doch kollektive Lügen wie die Mär vom Osterhasen pflegen? Gibt es zweierlei Sorten von Lügen? Die Ausstellung regt zum Nachdenken an.


Workshop «Fake News»

Die SRG Aargau Solothurn schrieb Ende ­Januar zwei der Workshops «Fake-News» aus, die im Rahmen der aktuellen Ausstellung «Fake» im Stapferhaus angeboten werden. Daran teilgenommen haben interessierte Mitglieder und Nichtmitglieder.

Durch den Workshop führte eine im Bereich Medienbildung geschulte Person der Swisscom. Spielerisch wurden die Teilnehmenden zuerst interaktiv mithilfe der App Kahoot! getestet, wie gut sie wahre von unwahren Nachrichten, Filmen und Bildern unterscheiden können. Anschliessend lernten die Kursbesucherinnen, mit welchen Strategien klar nachgewiesen werden kann, was wahr und was falsch ist. Das Fazit einer Workshop-Teilnehmerin: «Fake News kritisieren oder gar ablehnen ändert absolut nichts, auch wenn deren rasante und breitgestreute Verbreitung in den neuen Medien sehr oft rasch negative Auswirkungen zeigt. Jeder Konsument sollte die Nachrichten genau lesen, kritisch hinterfragen und den Wahrheitsgehalt suchen, bevor er Entscheidungen fällt und ganz sicher spätestens bevor er die Nachrichten weiterverbreitet.»


Text: Daniel Bütler

Bild: David Schnell

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