Die Illustration zeigt einen Demonstrationsumzug. Die Demonstrierenden führen ein Transparent mit der Aufschrift "Stop diskriminierende Polizeikontrollen" mit sich. Eine Frau - eine People of Color - schaut am rechten Bildrand der Demonstration zu. Ihr Bruder war am Bahnhof von Morges von Polizisten erschossen worden, als er sie mit einem Messer bedroht hatte.
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Dok-Film über Rassismus im Alltag erhitzt die Gemüter

Der Dok-Film «Schwarzsein in der Schweiz – Rassismus im Alltag» vom 16. März 2023 lässt People of Color in der Schweiz zu Wort kommen, die in ihrem Alltag immer wieder anders behandelt werden als ihre weissen Mitmenschen. Dazu sind drei Beanstandungen bei der Ombudsstelle eingegangen, welche den Film als nicht ausgewogen kritisieren.

Zwei der Beanstander vermissen Stimmen von People of Color, die keinen Rassismus erlebt haben. Auch solche gebe es ja. Ein Beanstander wünschte sich Darstellungen von «Ausländern, die problemlos gut in der Schweiz integriert» seien. Der zweite Beanstander würde Rassismus in der Schweiz nicht als strukturelles Problem bezeichnen. Er sieht strukturellen Rassismus als «rassistisches Gedankengut», welches «sämtliche Bürgerinnen und Bürger in der Schweiz aufweisen» müssten, was er verneint.

Der dritte Beanstander schliesslich moniert, der Film versuche darzustellen, dass Roger Nzoy Wilhelm am Bahnhof von Morges aus rassistischen Gründen erschossen worden sei. Der Grund sei aber gewesen, dass die Polizisten mit dem Messer bedroht worden seien. Man hätte deshalb zumindest auch die Sicht der Beamten zeigen müssen.

People of Color und ihre Erfahrungen zu Recht im Mittelpunkt

Was den Vorwurf des falsch verstandenen strukturellen Rassismus’ betrifft, stützt sich die Dok-Redaktion auf die Swiss Forum for Population and Migration-Studies der Universität Neuenburg vom Dezember 2022: Struktureller Rassismus wird beschrieben als «gesellschaftliches System von Diskursen, Handlungsmaximen und Normvorstellungen.» Rassistische Diskriminierung müsse also nicht zwingend aufgrund rassistischer Ideologie oder Absicht einer Person oder Institution geschehen. Es gehe dabei weniger um eine Täterschaft, sondern vielmehr um die Folgen für die direkt betroffenen Personen. Genau dies mache der Film, so die Redaktion: Er stelle People of Color in den Mittelpunkt. Diese könnten ihre subjektiven Erfahrungen mit Rassismus aus ihren jeweils verschiedenen Perspektiven schildern. Erleben von Rassismus in der Schweiz sei nicht nur ein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Phänomen.

Dass «nur» People of Color zu Wort gekommen seien, begründet die Redaktion folgendermassen: Alle befragten Personen hätten Rassismus erfahren und die Zahl der rassistischen Vorfälle legitimiere das Befragen nur von Personen, die von rassistischen Anwürfen berichten. So zähle der Bericht der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus vom Jahr 2021 630 Beratungen für Fälle rassistischer Diskriminierung. Diese würden am häufigsten am Arbeitsplatz und im Bildungsbereich geschehen und am meisten People of Color betreffen.

Schliesslich der Bezug zu Roger Nzoy Wilhelm: Im Dok-Film kommt dessen Schwester zu Wort. Sie bringe die persönliche Perspektive als Hinterbliebene zum Ausdruck, so die Redaktion, was im Kontext des Dok-Films naheliegend sei.

Das Erlebte nachvollziehen

Der Film verurteile nicht und erhebe keine Anklage, stellen die Ombudsleute fest. Er zeige mit alltäglichen Beispielen, wie People of Color in der Schweiz Rassismus erlebten. Die Schwierigkeit sei, dass für viele weisse Schweizerinnen und Schweizer schwer oder nicht nachvollziehbar sei, was People of Color in der Schweiz als Rassismus empfänden. Dieses Dilemma und Versuche, es zu erklären, stünden im Fokus des Dok-Films. Mit authentischen Beispielen konfrontiere er die Zuschauerinnen und Zuschauer mit dieser Problematik. Es sei legitim, dass keine People of Color zu Wort gekommen seien, die keine Diskriminierung erfahren oder wahrgenommen hätten. Es sei im Film schliesslich darum gegangen, die Ernsthaftigkeit dieser Diskriminierungsproblematik zu betonen und die von Diskriminierung Betroffenen zu befragen. Was angesichts der vielen belegten rassistischen Vorfällen legitim sei.

Der Fall Morges

Dazu schreiben die Ombudsleute in ihrem Bericht: Die Schwester des Getöteten habe die Fragen gestellt, die sich jedermann stelle, weshalb vier gut ausgebildete Polizisten es nicht schafften, einen Mann zu bodigen ohne ihn zu erschiessen. Es sei nachvollziehbar, dass die Schwester die Verhältnismässigkeit in Frage stelle und vermute, dass das Tatgeschehen bei einem weissen Mann anders verlaufen wäre. Der Dok-Film stelle nicht den Tathergang in den Vordergrund, sondern die Personengruppe, die besonders anfällig sei für Diskriminierung.

Die Ombudsleute sehen im beanstandeten Dok-Film keinen Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot. Die Meinungsbildung sei in jedem Fall möglich gewesen: People of Color erleben rassistische Angriffe, was nicht heisse, dass jedermann davon betroffen sei.

«Dok» vom 16. März 2023: «Schwarzsein in der Schweiz – Rassismus im Alltag»

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Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9209

Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9210

Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9217


Text: SRG.D/dl

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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