Bähram Alagheband

«Beigemüse» - oder was in und um das SRF-Regionalstudio sonst noch läuft

Über Journalismus und Medien(-förderung) wurde im letzten Monat ja ausreichend diskutiert. Für einmal erzählen wir an dieser Stelle deshalb Geschichten, die neben der redaktionellen Arbeit passieren. Ein Sammelsurium an Anekdoten von den beiden SRF-Standorten in Aarau und Solothurn.

Inzwischen ist die Homeoffice-Pflicht ja aufgehoben, aber sie hat unseren Arbeitsalltag sehr lange geprägt. Ohne gemeinsame Kaffee- und Mittagspausen gibt es natürlich etwas weniger «gossip talk» (neudeutsch für «Klatsch und Tratsch»), es fehlen die für die Pflege des Teamspirits durchaus relevanten Apéro-Gelegenheiten. Gerade meine Wenigkeit als Redaktionsleiter befand sich über Wochen in einer etwas absurden Situation.

Dazu muss man wissen: Gemäss SRG-Weisungen durften lange Zeit nur die Personen vor Ort im Büro arbeiten, die ihre Funktion im Homeoffice nicht wahrnehmen können. Das sind in unserem Fall vor allem die Moderatorin oder der Moderator der Live-Sendungen und die Techniker. Als Reporterin oder aber auch als Redaktionsleiter ist eine Anwesenheit vor Ort nicht zwingend notwendig – Homeoffice also Pflicht.

Dazu muss man auch wissen: Mein Arbeitsweg ist denkbar kurz. Ich brauche von meiner Wohnung in Aarau zum SRF-Studio Aarau nicht einmal zehn Minuten. Zu Fuss. Ganz schön praktisch, so als Redaktionsleiter. Da kann man im Notfall schnell vor Ort sein und nach den zuweilen langen Arbeitstagen inklusiv Abend-Terminen fällt das lange Pendeln weg, dachte ich mal. Vor Corona. Nun aber sass ich also über Wochen in meiner Wohnung und traf mein Team nur virtuell – im Wissen, dass der gemütliche Schwatz beim Kaffeeautomaten eigentlich nur fünf Fussminuten entfernt wäre...

Pragmatismus I: Es werde Licht!
Die SRG ist ein Grossbetrieb, auch SRF hat zuweilen den Ruf, «schwerfällig» zu sein. Ein Regionalstudio aber ist innerhalb dieses grossen Unternehmens quasi ein Kleinbetrieb, ein kleines KMU. Das sorgt für eine gehörige Portion Pragmatismus. Beispielsweise bei kaputten Deckenleuchten.

Im Studio 2 war es plötzlich ziemlich dunkel, die kleinen Lampen über Mikrofon und Mischpult fielen eine nach der anderen aus. Grössere Reparaturen müssen in einem sauber organisierten Unternehmen wie SRF selbstverständlich über zentrale Stellen koordiniert werden. Das dauert, zumal wegen der Corona-Regelungen auch Handwerkerbesuche zeitweise untersagt waren.

Unsere Techniker haben die eleganten, aber defekten Deckenleuchten dann pragmatisch ersetzt... mit alten, etwas klapprigen, bedeutend weniger eleganten, aber immerhin funktionsfähigen Leselampen.

Inzwischen wurden die neuen LED-Leuchten an der Decke durch einen Elektrofachmann montiert, die alten Leselampen sind verschwunden.

Pragmatismus II: Backoffice-Sharing
Unsere treuste Seele – wenn man die Anzahl Dienstjahre betrachtet – ist definitiv Redaktionsassistentin Sabina Bucher. Sie kümmert sich unter anderem um die komplexe Aufgabe der Dienstplanung... sorgt dafür, dass trotz kleinem Team, Schichtarbeit und wechselnden Funktionen, immer jemand eine Regionaljournal-Sendung macht und alle immer ihre Arbeits- und Überzeiten im Griff haben. Eine unschätzbar wichtige Arbeit im Hintergrund...

Nun hat die Digitalisierung einige Aufgaben vereinfacht (z.B. in der Buchhaltung), was den Aufwand reduziert. Gleichzeitig suchten die Kolleginnen und Kollegen der Regionalredaktion Basel eine neue «gute Seele» für diese administrativen Aufgaben. Die pragmatische Lösung: Sabina arbeitet neu für zwei Regionalredaktionen, pendelt zwischen Aarau und Basel hin- und her... wobei diese Pendelei im Homeoffice relativ einfach zu bewerkstelligen ist.

Interessant dabei: Sabina erlebt nun zwei Regionalstudios. Und hat festgestellt, dass sich – obwohl wir ja alle zum Unternehmen SRF gehören – sehr unterschiedliche Abläufe, ja sehr unterschiedliche Betriebskulturen ausgeprägt haben. Was die These bestätigt: Regionalredaktionen sind eigentlich (fast) eigenständige Kleinbetriebe.

Alltagsabsurditäten
Gefühlt seit Jahren ist die Umgebung des Regionalstudios in Aarau eine grosse Baustelle. Immer wieder werden im und um das Bürogebäude an der Bahnhofstrasse Umbauten vorgenommen. Unser Hauswart – übrigens Abwart des Jahres 2019 in einem firmeninternen Ranking – informiert die ausführenden Handwerksbetriebe jeweils vorbildlich über unsere Sendezeiten.

Es trug sich aber an einem Abend zu, dass kurz vor der Sendung – also nach dem sonst üblichen Feierabend auf Baustellen – ohrenbetäubende Bohrgeräusche durch das Studio drangen. Ein Techniker von uns suchte hektisch im ganzen Haus nach der Quelle und wurde in einem Liftschacht, mehrere Stockwerke tiefer, fündig.

Da bohrte ein Bauarbeiter mit grossem Elan um 17:28 Uhr grosse Löcher in die Betonwand. Direkt neben einem Zettel, der auf Augen- und Ohrenhöhe neben ihm an der Wand hing, mit knallroten Lettern beschrieben: «Achtung! Kein Lärm von 17:15 Uhr bis 18:00 Uhr, Radiosendung!»

Es gibt im Umfeld des Studios übrigens noch einen anderen «Hinweis», den (fast) niemand zur Kenntnis nimmt bzw. zur Kenntnis nehmen kann. Auf dem brandneuen Velo-Parking zwischen SRF-Studio und Bahnhofsgebäude wird das Flachdach – ungefähr auf Höhe des 2. Stockwerks unseres Bürogebäudes gelegen – begrünt. Der ausführende Gärtnereibetrieb hat es sich nicht nehmen lassen, wie auf Baustellen üblich, sein Logo neben seinem Werk zu platzieren.

Es liegt nun also eine Blache mit dem Firmennamen auf dem Flachdach des Veloparkings. Zu sehen ausschliesslich von Menschen, die das Privileg haben, im 3. bis 6. Stockwerk unseres Bürogebäudes eingemietet sein zu dürfen. Wir gehören dazu, haben vom 4. Stockwerk einen wunderbaren Ausblick auf die ansonsten wohl wenig erfolgreichen Werbemassnahmen des Gärtnereibetriebs.

Das Flachdach der Velostation wird noch grüner. Auch die Begrünung sieht kaum jemand, genau so wie das Plakat der ausführenden Firma.

Noch ein Wort zur Freizeit
Auch Journalistinnen und Journalisten haben ja ein Privatleben, wenn auch manchmal aufgrund von Pikettdiensten und Schichtarbeit etwas eingeschränkter als andere Berufsgruppen vielleicht. Mit dieser Freizeit fangen die Redaktorinnen und Redaktoren von SRF natürlich sehr unterschiedliche Dinge an.

Zurzeit am auffälligsten ist das Hobby oder die Berufung von TV-Korrespondent Bähram Alagheband. Er fotografiert leidenschaftlich gerne Insekten, vor allem in der Schweiz. Einblick in sein Schaffen gibt die Website https://insectsandstories.ch/ oder auch eine Live-Diashow in der Oltner Vario Bar am 17. März.

Die Arbeit von Bähram hat auch schon ganz konkrete Auswirkungen auf die Region: In Lüsslingen-Nennigkofen engagieren sich Naturschützer und auch die Gemeinde nun für den Schutz des Kirschprachtkäfers, der als einer der farbigsten und schönsten in unserem Land gilt. Bähram hatte diese seltene Käferart auf einer seiner fotografischen Erkundungstouren in der Solothurner Gemeinde entdeckt – nun werden Landwirte aufgefordert, ihre alten Kirschbäume zu erhalten, damit der Käfer seine Heimat nicht verliert.

Unser TV-Kollege ist also tatsächlich eine Art «vierte Gewalt im Staat», allerdings in seiner Freizeit. Böse Zungen könnten behaupten, er habe mit seinem Käferfund mehr bewegt als mit unzähligen TV-Berichten über Naturschutz wahrscheinlich je möglich gewesen wäre...

Das nächste Mal berichte ich an dieser Stelle dann gerne wieder über die gewohnte Arbeit der sogenannten «vierten Macht», also über redaktionelle Themen.

Text: Maurice Velati, Leiter Regionalredaktion Aargau Solothurn, Schweizer Radio und Fernsehen SRF

Bild: SRF


Brief aus ...dem Regi AG/SO:

Vor paar Wuche hei mir Frouebsuech gha im Ei-Maa-Büro vo Soledurn. En Ostschwizerin isch cho und hett verzöut, wie‘s i däm Altstadthuus, wo mir hütt Radio mache, früecher isch gsi. Wo s‘Naturmuseum schreg visavii no es Schuelhuus isch gsi und me nid usgstopfti Tier hett zeigt, sondern Ching hett ungerrichtet. Und wo die trendigi Bar näbedrann no e Schlachthof isch gsi und me s’Gschrei vo de Söi im ganze Quartier hett ghört. Denn ebe hei dört, wo jetz immer vo Mänti bis Friti eine vo üs Soledurn-Korrespondänte tuet schaffe, Verwandti gwohnt vo dr Frou. Uf änggschtem Ruum hei si g‘schlooffe, g’kochet und g’ässe. Dört, wo hütt üse Drucker steiht, heig’s e Vorhang gha mit‘ere Matraze hingedrann, hett d‘Frou verzöut. Und dört, wo hütt s‘Mikrofon isch, sig e Tisch g‘stange.

Es Foti zeigt, wie‘s d‘Lütt am Tisch luschtig hei. Trotz em eifache Läbe chöi si sich offebar fröie. Oder isch d‘Stimmig vilich nume wäg dr Schnapsfläsche so guet, wo‘me ufem Foti ou no gseht, und si hei ihri Sorge mit Alkohol ertränkt?

Wenn ig jetz aube is Mikrofon rede und über die nöischte Umdräihige vor kantonale Corona-Politik brichte, muess ig mängisch dra dänke, wie i däm gliche Zimmer am Ritterquai 4 z‘Soledurn früecher d‘Lütt am Tisch si g‘hocket und e Jass hei g‘klopfet. Oder Härdöpfu hei g‘rüschtet.

Marco Jaggi