Alt und jung

Anfang Mai ist Zeit der Generalversammlungen in den Mitgliedgesellschaften der SRG Deutschschweiz. Es besteht der schöne Brauch, dass sich Vorstandmitglieder der verschiedenen Gesellschaften gegenseitig an diesen Versammlungen besuchen. Die Versammlungen sind sehr verschieden, aber Publikum und Themen ähneln sich.

An unserer Generalversammlung in Solothurn (hier der Link zum Bericht für alle, die ihn vor einer Woche verpasst haben) nahmen mehrere Vertreterinnen und Vertreter der andern Mitgliedgesellschaften der SRG Deutschschweiz teil, und aus unserem Vorstand haben Mitglieder die Generalversammlungen der andern Gesellschaften besucht. Das Durchschnittsalter der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfte wohl überall im AHV-Bereich liegen. Das hat vor allem damit zu tun, dass früher eine Mitgliedschaft bei der SRG viel selbstverständlicher war, aber auch, dass junge Menschen eher zurückhaltend sind, was Vereinsmitgliedschaften angeht.

Ganz anders das Thema: Im Mittelpunkt der meisten dieser Versammlungen stand der Transformationsprozess, in dem sich die SRG befindet: weg vom reinen Radio- und Fernseh- zum Multimediabetrieb. Für SRF läuft dieser Prozess unter dem Titel SRF 2024. Der Grund dafür ist einfach. Menschen unter 45 Jahren konsumieren immer weniger so genannt lineare Medien, schalten also nicht mehr zu einer bestimmten Zeit Radio oder Fernsehen ein, um das Programm zu hören oder schauen, das gerade dann angeboten wird. Noch jüngere schalten überhaupt nicht mehr Radio oder Fernsehen ein, aus dem einfachen Grund, dass sie weder das eine noch das andere überhaupt haben. Ihre Programme kommen alle aus dem Smartphone oder dem Tablet, als Gruppe schauen sie meist über einen Beamer.

Der Auftrag (aus der Konzession) an die SRG, die gesamte Bevölkerung zu erreichen, verpflichtet die SRG dazu, ihre Produkte dort anzubieten, wo sich das Publikum befindet: auf Youtube, Instagram, die ganz Jungen auf Tiktok (und ganz viele weiterhin am Fernsehen und am Radio).

Die Mitgliedgesellschaften stellen dieses Thema in den Mittelpunkt ihrer Generalversammlungen, weil grosser Erklärungsbedarf besteht. Das anwesende Publikum macht sich Sorgen um seine altvertrauten Sendungen (zu einem vorgegebenen Zeitpunkt auf einem vorgegebenen Kanal) und tut sich schwer damit, das Medienverhalten der Jüngeren zu verstehen. Ob Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina, SRF-Direktorin Nathalie Wappler oder die jeweilige Leitung des Regionalstudios – bei uns also Redaktionsleiter Maurice Velati: Sie alle illustrieren die Umstände, zeigen die neuen Produkte, erläutern die Arbeitsweise der Redaktionen. Das heisst: Sehr viel Veränderung, sehr vieles, an das sich sowohl die Macherinnen und Macher als erst recht auch die Konsumentinnen und Konsumenten gewöhnen müssen. Das ist aufwändig, aber nötig. Wenn es der SRG, wenn es SRF nicht gelingt, das junge Publikum zu erreichen, ist eine der wesentlichen Grundlagen der Demokratie gefährdet. Nur gut und unabhängig informierte Bürgerinnen und Bürger sind in der Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden und demokratische Entscheide eigenständig zu fällen. Unabhängige, inhaltlich zuverlässige Information ist die Basis der Demokratie.

Die Generalversammlungen der Mitgliedgesellschaften sind in sich demokratische Elemente: Die Mitglieder sind das entscheidende Organ jedes Vereins. Sie haben ein Verständnis dafür, wie demokratische Entscheide ablaufen. Sie sind damit auch ein geeignetes (und interessiertes) Publikum, um die Transformation der audiovisuellen Medien zu verstehen. Wenn es gelingt, den Mitgliedern der SRG diese Informationen verständlich zu vermitteln, werden sie diese auch weitertragen und damit zum Verständnis für diese Entwicklung beitragen.

Text: Peter Moor-Trevisan, Präsident SRG AG SO

Bild: Daniela Desborough