Wahljahr

2023 ist ein Wahljahr. Gesamtschweizerisch, für den National- und Ständerat, aber auch bei der SRG, wo die Vereinsspitzen jeweils auch auf vier Jahre besetzt werden, wohl nicht ganz zufällig parallel zu den eidgenössischen Räten. Es gibt nämlich durchaus eine gewisse Gewohnheit, altgediente Politikerinnen und Politiker in Führungsfunktionen zu berufen.

Natürlich sind die nationalen Wahlen eine andere Nummer als jene in der SRG. Zurzeit ist der heilige Nominationsdreiklang im Gang: Gemeinde, Amtei (oder Bezirk), Kanton. Drei Gelegenheiten, freundlich lächelnd in Kameras zu schauen. Hunderte von engagierten Schweizerinnen und Schweizern machen da mit; die meisten ohne Erwartungen, sondern vielleicht mit Pflichtgefühl gegenüber der Partei, vielleicht auch mit persönlicher Lust, einmal dabei zu sein. Bevor es so weit gekommen ist, haben im Hintergrund schon fleissige Helferinnen und Helfer, gelegentlich auch gewiefte Strippenzieher, Ausschau gehalten, wer die guten und wer die schlechten Listenplätze besetzen soll.

In mehr oder weniger geheimen Beratungen werden die Listengestaltungen diskutiert: Nach Alfabet? Nach Wahlchance? Nach Region? Welche Variante bringt den grössten Erfolg?

Es gibt beträchtliche Unterschiede zwischen unsern beiden Kantonen: Im Aargau mit inzwischen 16 Sitzen im Nationalrat gehen die Parteien anders an diese Frage heran als im Kanton Solothurn mit 6 Plätzen. Wobei: Die Zahl der sogenannten Listenfüller ist natürlich im Aargau beträchtlich. Das liesse sich im Kanton Solothurn reduzieren. Aber falsch gedacht: Der Solothurn ist ein Kanton der Regionen, und so übertreffen sich die Parteien im Zusammentragen mehrerer Listen, damit Stadt und Land, vor dem Berg und hinter dem Berg, und dann natürlich jede Amtei ihren Platz hat. Und wenn es sogar mit Männern und Frauen noch einigermassen aufgeht, auch nicht schlecht! Das führt dann zu einigem Schmunzeln, wenn die Listenbezeichnungen bekannt werden. Sie sollten ja genau diese Vielfalt dann auch ausdrücken. Nur schon deshalb wird es sich lohnen, das dicke Heft im Oktober einmal ganz durchzublättern.

Mir gefallen die Wahljahre; in diesen ist Politik besonders interessant und unterhaltsam. Selten gibt es so viel Originelles und Schräges, es gibt richtig gute Wahlsprüche und komplett missratene. Es sind anstrengende Jahre: Wenn einmal die drei Nominationsversammlungen durch sind, beginnt das Karussell von vorne. Nun müssen sich die Kandidierenden ja zeigen – im Kanton, in der Amtei, in der Gemeinde; gerne vor dem Coop, am Samstagmorgen, oder wo es einen solchen gibt, auf dem Wochenmarkt. Hier kommt dann die grosse Frage: Wer hat das beste Give-Away (also das Minigeschenkli, das möglichst grosszügig an die Wählerinnen und Wähler verteilt wird)? Ich gestehe, ich greife auch bei jenen zu, die ich ganz bestimmt nicht wähle. Und dann mache ich zuhause eine kleine Ausstellung. Wer weiss, ob ich nicht doch noch einmal kandidiere, dann ist jede Idee gefragt!

Bei den Wahlen in der SRG gibt es keine Wahlveranstaltungen. Tatsächlich könnte ich mir etwas mehr Vereinsdemokratie vorstellen, etwas mehr Auseinandersetzung. Denn es spielt auch bei uns eine Rolle, wer Verantwortung übernimmt: Jemand, der der digitalen Entwicklung offen gegenübersteht oder eher skeptisch? Jemand, der sich mit der Position der SRG aktiv und auch kritisch auseinandersetzen will (und damit vielleicht im Verein auch mal aneckt), oder jemand, der die Meinung hat: Die machen das schon recht?

Wie bei den Parteien geschieht auch bei der SRG viel in Hinterzimmern, wenn es um die Vorbereitung von Wahlen geht. Damit es dieses Jahr in der SRG Deutschschweiz nicht ganz so still und leise läuft, wird die Funktion des Präsidenten, der Präsidentin (oder gar eines Co-Präsidiums?) öffentlich ausgeschrieben. Das gab es noch nie. Entsprechend spüren wir von übergeordneten Stellen (und solchen, die dies gerne wären) schon jetzt einige Nervosität. Vielleicht doch etwas übertrieben: die Ausschreibung erfolgt Mitte Juni...

Text: Peter Moor, Präsident SRG AG SO

Bild: Daniel Desborough