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Ombudsmann SRG.D rügt Parteien-Ranking des «Kassensturz»

Die Sendung «Kassensturz» hat sich Mitte September mit dem Beitrag «Parteien im Konsumenten-Check» in die Nesseln gesetzt. Wenige Wochen vor den eidg. Wahlen hat sie das Stimmverhalten der Parlamentarier in fünf ausgewählten Konsumvorlagen verglichen. Dabei schnitt vorab die SVP aus Konsumentensicht schlecht ab. Die SVP-Nationalräte Natalie Rickli und Gregor Rutz und weitere Beanstander reklamierten dies beim Ombudsmann – zu recht, wie dieser urteilt.

Hauptkritikpunkt der sechs Beanstandungen war, dass «Kassensturz» mit dem Parteien-Ranking in Konsumentenabstimmungen in der Schlussphase des Wahlkampfs in die politische Debatte eingegriffen habe. Die Redaktion habe «Einschätzungen und damit implizite Empfehlungen im Hinblick auf die anstehenden Parlamentswahlen formuliert.» Die Auswahl der fünf porträtierten Abstimmungen sei willkürlich erfolgt und die Kommentierung sei einseitig gewesen. In der Schlussfolgerung sei die SVP «als konsumfeindlichste Partei» dargestellt worden. Die Anforderungen einer sachlichen, ausgewogenen Berichterstattung seien im Beitrag nicht eingehalten worden.

Wolfgang Wettstein, Redaktionsleiter «Kassensturz/Espresso», hält in seiner Stellungnahme fest, dass «Kassensturz» im kritisierten Beitrag keine Wahlempfehlung abgegeben habe, sondern in Übereinstimmung mit dem Sendekonzept lediglich anhand des Abstimmungsverhaltens zu relevanten Konsumentenschutzthemen die Konsumentenfreundlichkeit der Parteien untersucht habe. «Entgegen der Meinung der Beanstander darf und soll ‚Kassensturz‘ die politische Positionierung der Fraktionen zu Konsumentenschutzthemen beleuchten», schreibt er.

Auch den Vorwurf der Willkür bei der Auswahl der Beispiele, weist Wettstein von sich. Es seien für Konsumenten relevante Abstimmungen gewählt worden. «Das Bild, wonach die SVP am häufigsten gegen Konsumenteninteressen stimmt, würde sich auch nicht ändern, wenn wir sämtliche Abstimmungen zu Konsumentenschutz-Themen behandelt hätten», schreibt der Redaktionsleiter. Ähnliche Rankings von verschiedenen Konsumentenschutz-Organisationen würden dies belegen. «Das Fazit, dass die SVP die konsumentenfeindlichste Partei ist, ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern anhand der fünf Abstimmungen transparent dargelegt worden.» Dass «Kassensturz» dabei eine Wertung vorgenommen habe, sei für die Zuschauer deutlich gewesen. Dass sich die Sendung anwaltschaftlich auf die Seite der Konsumenten schlage, sei bekannt.

Ombudsmann Achille Casanova hält in seiner Antwort zunächst fest, dass es sich beim «Kassensturz» vom 15. September um keine übliche, sondern um eine Wahlsendung gehandelt hätte. «Sowohl in der An- wie auch in der Abmoderation wurde explizit auf die Parlamentswahlen vom 18. Oktober hingewiesen.» Sendungen im Vorfeld von Wahlen seien aus staatspolitischer Sicht heikel, weil sie unmittelbar die politische Meinungsbildung berühren würden. Diese hätten deshalb erhöhten Sorgfaltspflichten bezüglich Ausgewogenheit zu genügen. Im Rahmen seines Informationsauftrages habe «Kassensturz» zu Recht die Frage der Haltung der Parteien bei Konsumentenschutz-Themen behandelt, schreibt er. Anwaltschaftlicher Journalismus sei seinem Wesen nach nicht neutral, sondern nehme Partei. Als Bestandteil der Programmautonomie von Radio und Fernsehen sei dieser durchaus als zulässig zu betrachten.

Im Vorfeld einer Wahl genüge dieser den erhöhten Sorgfaltspflichten bezüglich Ausgewogenheit allerdings kaum, führt der Ombudsmann aus und merkt an: «Dies ist im Konsumenten-Check von ‚Kassensturz‘ eindeutig festzustellen. Die Haltung der Parlamentarier und Parteien, welche den konsumentenfreundlichen Vorlagen zustimmen, wurden positiv gewürdigt, die Gegner dagegen stets mit negativen Bemerkungen versehen. Durch diese einseitige und unausgewogene Berichterstattung liegt deshalb eine Verletzung des Vielfaltsgebots bei Wahlsendungen vor». Hingegen liege die Auswahl der fünf porträtierten Abstimmungsbeispiele im Bereich der Programmautonomie.

Als «in einer Wahlsendung inakzeptabel» erachtet Casanova eine Formulierung der Sprecherin, die der Aussage des SVP-Nationalrats Thomas Aeschi, die SVP betreibe konsumentenfreundliche Politik mit den Worten widersprach: «Von wegen konsumentenfreundlich! Tatsache ist: Bei Abstimmungen im Interesse der Konsumenten stimmte die SVP seit Jahren dagegen.» Auch die Schlussbemerkung des Moderators bezeichnet Casanova als Fehlleistung. Mit dem Hinweis, die Konsumenten hätten es in der Hand, die richtigen Politiker zu wählen, habe er «den Schritt von einer Wahlhilfe zur Wahlempfehlung eindeutig vollzogen.»

Der Ombudsmann erachtet alle sechs Beanstandungen als berechtigt.

Lesen Sie hier die ausführlichen Schlussberichte 4052 , 4053 , 4054 , 4055 , 4061 und 4063 .

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Nachtrag:

Die Richtlinien von SRF in der Vorwahlberichterstattung

Die publizistischen Leitlinien von SRF formulieren die Grundsätze der Programmcharta auf operativer Ebene aus. Der umfassende Normenkatalog ist für alle journalistisch tätigen Redaktionen von SRF verbindlich. SRF spielt für die Meinungsbildung der Stimmberechtigten vor Wahlen und Abstimmungen eine Schlüsselrolle. Deshalb sind die Anforderungen an die Ausgewogenheit der Beiträge besonders hoch (vergleichbare Auftrittsmöglichkeiten für die Akteure, vergleichbare Redezeiten etc.). Für Informationssendungen gelten im Vorfeld von Abstimmungen spezielle Regeln (siehe Publizistische Leitlinien, Art. 7.2 bis 7.4 / S. 67 bis 70)

Nachzulesen sind die Publizistischen Leitlinien unter srf.ch/unternehmen

Quelle: Ombudsstelle SRG.D, Schlussberichte; srf.ch
Text/Zusammenfassung: SRG.D, cha
Bild: Hat gemäss Ombudsmann «den Schritt von der Wahlhilfe zur Wahlempfehlung vollzogen»: «Kassensturz»-Moderator Ueli Schmezer, Screenshot («Kassensturz», 15.9.2015)

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