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Harte Kindheit statt heile Welt: «Heidi» pfeift auf Schönfärberei

Gesund und glücklich macht der Alltag auf der Alp auch in der neusten Heidi-Verfilmung. Doch trotz viel Bergluft und Heu lebt das Naturmädchen nicht mehr in einer völlig idealisierten Welt. Drehbuchautorin Petra Volpe und Regisseur Alain Gsponer erzählen von einem Waisenkind, das niemand haben will. Der neue Film, den SRF koproduziert hat, feiert am 10. Dezember 2015 Premiere.

Heidi ist wiedermal neu verfilmt worden, diesmal mit Bruno Ganz, der neunjährigen Anuk Steffen und dem 13-jährigen Quirin Agrippi. Möglichst nahe am Text habe man sich gehalten, wird Bruno Ganz zitiert. Heidi hat wieder mal Hochkonjunktur. Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) hat den Film koproduziert .

Bereits die erste Einstellung lässt erahnen: Dies ist kein Film für Weicheier. Die Nahaufnahme zeigt eine Hand, die durchs Gras streicht. Eine naturverbundene Geste, die verblüffend stark dem Beginn von «Gladiator» gleicht. Alles reiner Zufall? Mag sein. Doch egal, wie bewusst das Zeichen gesetzt wurde, die Anspielung passt.
Was folgt, ist harter Tobak: Tante Dete hat nach drei Jahren genug vom Kinderhüten. Heidi muss weg. Darum schiebt sie die Verantwortung in die Hände eines einsamen, alten Mannes mit zweifelhaftem Ruf. Wer die Romane von Johanna Spyri aus dem 19. Jahrhundert gelesen hat, weiss: Der Film hält sich eng an die Vorlage. Neu ist nur der realistisch-schroffe Tonfall.

Regisseur Alain Gsponer lässt Heidi neu aufleben

Alain Gsponer kehrt mit «Heidi» zu seinen Regie-Anfängen zurück. Sein erster Kurzfilm aus dem Jahre 1998 trug denselben Titel. Die animierte Satire stellte lustvoll das Image der Schweiz als Heidi-Land infrage. Richtig lanciert wurde die Karriere des gebürtigen Schweizers aber erst vor zehn Jahren mit seinem ersten Langspielfilm «Rose». Die berührende Liebeserklärung an alleinerziehende Mütter wurde unter anderem als «Bester Fernsehfilm» ausgezeichnet. Ebenfalls im bereits erstaunlich breiten Oeuvre des erst 39-Jährigen: Zwei Martin-Suter-Verfilmungen (der Kinofilm «Lila, Lila» und die TV-Produktion «Der letzte Weynfeldt»), das Dokudrama «Akte Grüninger» und der Kinderhit «S chliine Gspängst».

Patriotische Schönfärberei war gestern

Für einen Familienfilm ist «Heidi» ziemlich heftig. Punkto Dramatik gleicht die gelungene Romanverfilmung eher einem ausgewachsenen Drama als einem kindlichen Rührstück. Regisseur Alain Gsponer zeigt starke Kontraste: Arm und Reich, Natur und Kultur, Enge und Freiheit. Patriotische Schönfärberei war gestern. Das neue Heidi kommt natürlich frisch und ungewaschen daher. Die Churerin Anuk Steffen ist als unerschrockener Wildfang wie geschaffen für diese Rolle. Gute Voraussetzungen, um dem «Schellen-Ursli», dem bisher erfolgreichsten Schweizer Film des Jahres, die Stirn zu bieten. Dessen einfache Botschaft lautete: Je grösser die Glocke, desto grösser das soziale Prestige. Die Moral von «Heidi» ist ähnlich trivial: Je mehr Natur, desto mehr Lebensfreude. Bei beiden Filmen ist es nicht die Botschaft, die begeistert. Sondern die grosse Sorgfalt, mit der zwei Schweizer Mythen in ein zeitgemässes Kinovergnügen verwandelt wurden.

Text: SRF Kultur, Selim Petersen
Bild: © The Walt Disney Company Switzerland. All Rights Reserved

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