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Kein Verteilungskampf um Brosamen

Kürzlich hat der Bundesrat einen Bericht zum Service public veröffentlicht und die ­Grundlagen für die Schweizer Medienlandschaft der Zukunft skizziert. Der Bundesrat hält an der heutigen Konzeption fest. Dies führt zu Kritik von Seiten privater Medien­unternehmen, so auch am dritten Medienforum der SRG Ostschweiz.

Medialer Service public ist eine politisch definierte und durch Leistungsaufträge gesicherte Grundversorgung. Diese Grundversorgung muss allen Regionen und der ganzen Bevölkerung in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen. So wird Service public im Bericht definiert. Als Medienwissenschafter verweist Roger Blum auf die besonderen Eigenschaften von Service-public-Medien: «Sie sind unabhängig vom Staat, realisieren Qualitätsjournalismus, sind zivilgesellschaftlich getragen und kontrolliert und bieten auch das, was sich im Markt nicht rechnet.»

«Sie sind unabhängig vom Staat, realisieren Qualitätsjournalismus, sind zivilgesellschaftlich getragen und kontrolliert und bieten auch das, was sich im Markt nicht rechnet.», Roger Blum, Medienwissenschaftler

Der Bundesrat hält in seinem Bericht fest, dass der heutige Service public ein Dienst an der Gesellschaft im umfassenden Sinne ist, den es auch in Zukunft braucht. «Dem Service public kommt weiterhin eine zentrale staats- und demokratiepolitische Funktion zu.» Der Bundesrat hält deshalb an der heutigen Konstellation fest: einerseits eine starke SRG mit einem umfassenden Leistungsauftrag für den nationalen Service public und anderseits lokale und regionale Radio- und Fernsehunternehmen mit einem Informationsauftrag für den regionalen Service public. Sie sollen über Gebühren und Werbung finanziert werden.

Für Philipp Metzger ist klar: «Service-public-Inhalte sind ohne öffentlich-rechtliches Gebührensystem nicht finanzierbar.» Und gleichzeitig hält er fest, dass es «für unser Land ein Bedürfnis ist, einen Leuchtturm zu haben mit einem umfassenden, attraktiven Angebot, einem gleichwertigen Angebot in allen Sprachregionen und einem konkurrenzfähigen Angebot gegenüber dem Ausland». Roger de Weck erwähnt die medienpolitischen Diskussionen in vielen Ländern Europas sowie die Suche nach alternativen Modellen und kommt zum Schluss: «Ohne einen grossen Anbieter mit kritischer Masse funktioniert Service public nicht.»

«für unser Land ist es ein Bedürfnis, einen Leuchtturm zu haben mit einem konkurrenzfähigen Angebot gegenüber dem Ausland», Philipp Metzger, BAKOM

Für Pascal Hollenstein «unterschätzt der Bericht die Dynamik und die Bedeutung des Online-Journalismus sowie die Wichtigkeit des Internets für das Mediensystem». Weil bei den Printmedien Werbeeinnahmen «existenzgefährdend wegbrechen», können private Verlage nur überleben, «wenn sie Katzenfutter oder Autos verkaufen oder – so sie der Publizistik treu bleiben wollen – im Internet Geld verdienen, sei es mit Werbung oder mit journalistischen Inhalten». Aber im Internet sei bereits die SRG, so Hollenstein, und zwar gratis, weil ihr Online-Angebot zum Service public gehöre. Er fordert deshalb, dass «private Medienunternehmen im Internet nicht von einem Überangebot der übermächtigen SRG behindert werden».

Grosse, dominante SRG zurückstutzen

Für private Medienunternehmen ist die SRG zu gross und zu dominant geworden. Gemäss André Moesch hat die SRG «über Jahre ausgebaut und jede Chance wahrgenommen, neue Angebote auf den Markt zu bringen und gute Ideen von den Privaten aufzunehmen». Die SRG müsse sich «im Kern auf das konzentrieren, was Private nicht leisten können». Pascal Hollenstein fordert, dass der Leistungsauftrag der SRG überprüft und «auf ein erträgliches Mass zurückgestutzt» wird, André Moesch, dass «die SRG Platz macht für die Privaten und damit Platz für Vielfalt in den Medien und in den Meinungen». Die SRG müsse, so Moesch, bescheiden werden.

«Der Leistungsauftrag der SRG muss überprüft und auf ein erträgliches Mass zurückgestutzt werden», Pascal Hollenstein, NZZ Mediengruppe

Für Roger de Weck ist nicht die SRG das Problem: «Wir müssen wegkommen von einer Verteilungskampfmentalität. Wenn man die SRG schwächt, stärkt man die privaten Medienhäuser nicht.» Natürlich könne man billiger produzieren und die Gebühren reduzieren. «Aber dann haben wir sicher beim Fernsehen nicht 30 Prozent Marktanteil, sondern zehn Prozent. Wir sind in Konkurrenz mit ausländischen Sendungen, die unglaublich aufwendiger produziert werden. Wenn man ein breites Publikum dauerhaft erreichen will, geht es nicht ohne minimalen Aufwand.»

«Wir müssen wegkommen von einer Verteilungskampfmentalität. Wenn man die SRG schwächt, stärkt man die privaten Medienhäuser nicht.» Roger de Weck, SRG SSR

Die SRG stellt sich der laufenden medienpolitischen Debatte. Auch am Medienforum bekräftigt Roger de Weck die Gesprächsbereitschaft. «Es ist wichtig, im Umbruch der Medien über den künftigen Auftrag der SRG zu debattieren.» Aber ein neuer Auftrag müsse auch funktionieren; die audiovisuelle Produktion sei teuer; Produktion und Distribution liessen sich nicht separieren, und die SRG müsse das breite Publikum erreichen können.

Kooperieren und sich gegenseitig stärken

Die SRG sei «veränderungsbereit und suche Kooperationen», so de Weck. Zusammenarbeit auf Augenhöhe habe Gestaltungskraft und sei effizienter als ein Verteilungskampf um Brosamen, meint er. Die SRG suche Kooperationen mit privaten Medienunternehmen, um gemeinsam digitale Infrastrukturen zu betreiben, Werbung zu vermarkten oder um punktuell Inhalte auszutauschen. Im Netzzeitalter sei das Schlüsselwort nicht einfach Kooperation, sondern Koopetition, also Zusammenarbeit in Konkurrenz. Indem Kosten gesenkt oder Werbeeinnahmen erhöht würden, stärke man sich gegenseitig. Die SRG suche mit ihrer Kooperationsstrategie ­Win-win-Situationen, «in denen beide etwas haben und die letztlich den Medienplatz Schweiz stärken». De Weck verweist auf eine «Charta der Zusammenarbeit» in der Westschweiz. Sie führe dort zu einer «gegenseitigen Stärkung von SRG und privaten Medienunternehmen».

Unterstützung findet Roger de Weck indirekt beim Medienwissenschafter Roger Blum. Für ihn ist Service public für ein Land wie die Schweiz zwingend. Möglich sei eine «Renovation» der Medienordnung, beispielsweise in Form eines gemeinsamen nationalen, privaten Radiosenders der Verleger oder mit einer gemeinsamen Online-Strategie von SRG und Verlegern. Ein Abriss der bestehenden Medienordnung hingegen wäre schädlich für das politische System, für die Kultur und für die Minderheiten.

Text: Erich Niederer

Bild: Marco Hartmann / Auf dem Podium diskutierten unter Leitung von Susanne Brunner Medienvertreter und -wissenschafter: Roger Blum, Roger de Weck, André Moesch und Pascal Hollenstein (von links).


Drittes Medienforum der SRG Ostschweiz

Im Zentrum des dritten Medienforums der SRG Ostschweiz stand der bundesrätliche ­Bericht zum Service public. Dabei referierten und diskutierten:

  • Prof. Dr. Roger Blum, emeritierter Professor für Medienwissenschaft, seit April 2016 ­Ombudsmann der SRG Deutschschweiz
  • Roger de Weck, Nationalökonom, seit 2011 Generaldirektor der SRG SSR
  • Pascal Hollenstein, Historiker, seit 2016 publizistischer Leiter der Regionalmedien der NZZ Mediengruppe
  • Philipp Metzger, Rechtsanwalt, seit 2014 ­Direktor des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom)
  • André Moesch, Germanist, Präsident des ­Verbands Schweizer Regionalfernsehen, seit 2006 Leiter der elektronischen Medien der Tagblatt Medien.

Die Podiumsdiskussion mit allen Referenten wurde geleitet von Susanne Brunner, seit 2006 beim «Tagesgespräch» von «Rendez-vous» bei Radio SRF.

Die Audios der Referate und der Podiumsdiskussion, Videos und Fotos sowie weitere Informationen können hier bezogen werden.

3. Medienforum der SRG Ostschweiz

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