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Auslandsberichte wecken Emotionen

Die Schweizerinnen und Schweizer interessieren sich seit jeher stark für das Geschehen im Ausland. Viele von ihnen reagieren daher emotional, wenn ihnen die Berichterstattung der Medien nicht passt. Etwa alle zwei Wochen wird ein Auslandsbericht von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) bei der Ombudsstelle beanstandet.

«Die Schweiz ist keine Insel. Sie ist mit dem Ausland vielfältig verflochten – völkerrechtlich, wirtschaftlich, verkehrstechnisch, diplomatisch, humanitär, wissenschaftlich, touristisch. Obwohl neutral, ist sie daher von den Entwicklungen in den USA oder in Grossbritannien, in der Türkei oder in der Ukraine, im Nahen Osten oder in Ostafrika direkt oder indirekt betroffen.

Deshalb ist das Interesse der Schweizer Bevölkerung am Geschehen im Ausland gross. Unter jenen, die die Sendungen von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) verfolgen, gibt es viele aussenpolitische Kenner, aber auch solche mit einer ganz eigenen Sicht auf die Themen. Sie melden sich daher immer wieder mit Beanstandungen gegen einzelne Beiträge zu Wort.

Einseitigkeit, falsche Fakten, Manipulation des Publikums?

Schon neun Mal wurde ich in fünf Monaten mit aussenpolitischen Beanstandungen konfrontiert. Die Vorwürfe lauteten:

  • Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump werde zu einseitig widerspiegelt; seine liberalen und sozialen Positionen und seine Unabhängigkeit vom Establishment kämen zu kurz (‹10vor10›, TV, März).
  • Ein Bericht über die ‹Alternative für Deutschland› (AfD) habe diese Partei verleumderisch und tendenziös dargestellt (‹Echo der Zeit›, Radio, März).
  • Die ‹Freiheitliche Partei Österreichs› (FPÖ) als rechtspopulistisch zu bezeichnen, sei eine Gehirnwäsche für das Publikum. Wie diese Partei im Fernsehen gezeigt werde, sei herabwürdigend, verleumderisch, eine eigentliche Hetz- und Hasskampagne, die an die DDR, Kuba und Nordkorea erinnere (‹10vor10›, TV, April und Mai).
  • Im Radio ein Buch eines ungarischen Autors zu besprechen, der sein Land als postkommunistischen Mafia-Staat bezeichne, sei eine Beleidigung Ungarns, für die sich der Sender entschuldigen sollte (‹International›, Radio, Juni).
  • Über die Menschenrechtslage in Eritrea sei einseitig, linksgerichtet und unausgewogen berichtet worden, lediglich auf die Aussagen von Flüchtlingen abgestützt (‹Tagesschau› und ‹10vor10›, TV, Juni).
  • In einem Bericht über Schweizer Entwicklungsprojekte in Palästina sei das Publikum durch falsche Fakten manipuliert worden, auch dadurch, dass sich Israel zu den erhobenen Vorwürfen nicht habe äussern können (‹ECO›, TV, Juni).
  • Im Zusammenhang mit dem Brexit vom ‹Austritt aus Europa› und ‹antieuropäischen Positionen› zu sprechen, sei falsch, denn Grossbritannien verabschiede sich ja nur aus der Europäischen Union (EU), nicht aus Europa (‹Heute morgen›, Radio, Juni).
  • Und es sei eine Verschleuderung von Gebührengeldern, wenn ein Redaktor für einen zweiminütigen Beitrag über das irrelevante Thema, dass Norwegen die allgemeine Wehrpflicht für Frauen eingeführt hat, extra in dieses nordische Land fliege (‹Heute morgen›, Radio, Juli).

Woran orientieren sich die Senderedaktionen, wenn sie über aussenpolitische Ereignisse und Entwicklungen berichten? Sie halten sich an die Nachrichtenlage und gehen von Relevanzkriterien aus. Berichtet wird, was als aktuell, wichtig, interessant und als für die Schweizer Bevölkerung von Bedeutung erachtet wird. Die Fakten werden möglichst neutral referiert. Die Korrespondenten stellen grössere Zusammenhänge her und liefern Einschätzungen. Manchmal greifen sie in einer Reportage ein konkretes Thema als illustrierendes Beispiel für einen komplexen Sachverhalt heraus. Oft werden für die Einordnung ­zusätzlich aussenstehende Experten zugezogen. Das ist die Regel. Man muss sich überdies bewusst sein, dass die Korrespondentennetze von SRF nicht üppig sind. Radio SRF muss die ganze Welt mit 19 Korrespondentinnen und Korrespondenten abdecken, Fernsehen SRF mit 17. Oft ist eine einzige Person für einen ganzen Kontinent oder für das ganze Russland-orientierte Eurasien zuständig. Auch deshalb kann die Berichterstattung nicht immer ­lückenlos sein.

Die Bilanz der Ombudsstelle

Was ergab die Prüfung der Vorwürfe durch die Ombudsstelle? Ich konnte sieben Beanstandungen nicht unterstützen. Bei einer pflichtete ich dem Anliegen grundsätzlich bei, und bei einer andern musste ich dem Beanstander in einem wichtigen Punkt Recht geben.

  • Über Donald Trump wird durchaus differenziert berichtet, und man muss die Beiträge seit Frühling 2015 in Betracht ziehen, um zu sehen, wie vielfältig und reichhaltig die Information über ihn insgesamt ist. Berücksichtigen muss man dazu, dass amerikanische Wahlkämpfe seit jeher rüde sind, dass aber dieser noch schmutziger und gröber ist als alle früheren.
  • Die AfD darf in der Berichterstattung weder verharmlost noch ohne Not verteufelt werden. Das Radio hat einen umfassenden und treffenden Hintergrundbericht geliefert.
  • Es ist korrekt, die FPÖ als rechtspopulistisch zu bezeichnen. Die Begriffe ‹Rechtspopulismus› und ‹Linkspopulismus› dienen dazu, Parteien, die mit Gefühlen und Vorurteilen spielen, zu kategorisieren. Für die FPÖ, die nationalsozialistische Wurzeln hat und daran immer wieder anknüpft, ist der Begriff sogar eher zu harmlos.
  • Das Buch, das Ungarn als Mafia-Staat beschreibt, spiegelt eine inner­ungarische Debatte wider. Wenn das Radio diesen Diskurs aufnimmt, beleidigt es Ungarn mitnichten.
  • Die Menschenrechtslage in Eritrea war Gegenstand eines Uno-Berichts. Das Fernsehen referierte sowohl diesen Bericht als auch die Widerrede der eritreischen Regierung. Da die Regierung die Uno-Kommission nicht einreisen liess, konnte sich der Bericht nur auf Exilierte stützen. Eritrea ist ein totalitäres, abgeschottetes Land mit einer übrigens linksgerichteten Regierung.
  • Die Einführung der Wehrpflicht der Frauen in Norwegen ist ein relevantes Thema, da Fragen der Wehrpflicht auch die Schweiz, Deutschland und Österreich beschäftigen. Der Redaktor flog nicht für einen Zwei-Minuten-Beitrag nach Norwegen, sondern für eine ganze Reihe von journalistischen ­Stücken, darunter auch eine längere ­Reportage.
  • Es war falsch, dass der Korrespondent am Tag nach der Brexit-Abstimmung an einer Stelle vom ‹Austritt aus Europa› sprach. Da er aber mehrfach die korrekte Bezeichnung wählte, war dies eindeutig ein Versprecher. Richtig hingegen ist es, von einer ‹antieuropäischen Position› zu reden, wenn sich jemand gegen eine stärkere europäische Integration ausspricht.
  • Im Beitrag über Schweizer Entwicklungsprojekte in Palästina, der den ­Vorwurf erhob, die Hilfe nütze ­eigentlich nur Israel und halte die Besetzung aufrecht, konnte sich der Schweizer ­Aussenminister Didier Burkhalter zum Schweizer Engagement äussern. Kein Verantwortlicher Israels konnte jedoch zu den Vorwürfen Stellung nehmen, dass die Projekte die B­esetzung stabilisierten. Diese Kritik war berechtigt.»

Text: Roger Blum, Ombudsmann

Bild: Donald Trump. Reuters / Carlo Allegri

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