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Mein Blind Date mit den Radiostimmen

Ob Morgenmoderator, Nachrichtensprecherin oder Gastgeber von Gesprächsrunden – ihre Stimmen kennt man in der ganzen Deutschschweiz. Doch wer sind die Menschen, die uns auf den Sendern von Radio SRF durch den Tag begleiten? Ein Erlebnisbericht von einer, die das wissen wollte.

Sie wecken und informieren mich. Sie gehen akustisch bei mir zu Hause ein uns aus. So vertraut mir die Stimmen aus dem Radio sind, die Menschen dahinter kenne ich nicht. Heute, an der Museumsnacht in Bern, ändere ich das. «Hallo SRF!» organisiert beim Museum für Kommunikation Speed-Talks. Dabei handelt es sich um fünfminütige Kurzgespräche zwischen Zuhörern und Radiomachern.

Wohl jeder hat seine Lieblingssprecher. Zwei Schulmädchen wollen unbedingt zu SRF 1-Moderator Reto Scherrer. Mein erster Gesprächspartner wird Musikwellen-Moderator Joël Gilgen sein. Da ich erst im nächsten Gesprächsturnus an der Reihe bin, stelle ich mich zum Publikum vor das Zelt und lausche in die Gespräche hinein. Sarah und Malin, die Reto Scherrer-Fans, knipsen gerade Selfies. «Und? Was möchtet ihr fragen?», höre ich Scherrers Stimme. «Nichts. Wir wollen dir von unserer Pyjamaparty erzählen und dich dazu einladen.» Noch bevor ich die Antwort mit­bekomme, wird mein Platz bei Joël Gilgen frei. Ich muss sofort zu seinem Tischchen, sonst beginnt mein fünfminütiges Date am Ende noch ohne mich. Die Countdown-Uhr kennt keine Gnade.

Internet sei Dank weiss ich, dass Gilgen früher die Streetparade moderierte, sowie eine Dating- und eine Kochshow. Nach seinem Lieblingsgericht zu fragen, finde ich langweilig. Lieber möchte ich wissen, mit welcher Speise sich Joël Gilgen vergleicht. «Mit etwas Thailändischem. Bunt, aromatisch, gehaltvoll, mit viel Gemüse, ein bisschen scharf und nicht nullachtfünfzehn.» Zum ersten Mal auf Sendung ging Gilgen als 13-Jähriger bei Radio Förderband. Seine erste prominente Interviewpartnerin war die Zirkusprinzessin Géraldine Knie. Heute fühlt sich Gilgen bei der Musikwelle gut aufgehoben und er präsentiert am liebsten das Wunschkonzert. Er sei ein zwirbliger, kreativer, aber auch bodenständiger Typ. Deshalb finde er die «Hallo SRF!»-Aktion Speed-Talk so toll. Gilgen schätzt den direkten Kontakt mit den Hörern und pflegt diesen auch auf Facebook.

Ich hätte gerne länger mit ihm geplaudert, doch meine fünf Minuten sind um, und eine Dame fordert ihren Sitzplatz ein mit den Worten: «Ich bin Frau Berchtold, 84 Jahre alt, tanze gern und höre immer Musikwelle.» – Ob Reto Scherrer oder Joël Gilgen, jeder hat seine Fans. Etwas weniger offensiv sind die Fans der Moderatoren von Nachrichtensendungen. Liegt es daran, dass man sie für ­seriöser und distanzierter hält? Wie ich in meinem Speed-Talk mit der «Echo der Zeit»-Frau Nicoletta Cimmino feststelle, ist sie gar nicht unnahbar, sondern lustig, charmant und herzlich. Am Radio fasziniert sie, dass allein mit Worten in den Köpfen der Zuhörer Bilder erzeugt werden. Wegen der vielen ernsten Themen gibt es im «Echo der Zeit» nicht viel zu lachen. Trotzdem hat Nicoletta Cimmino einmal unverhofft ins Mikrofon geprustet. Das war, als in der Regie ein Mitarbeiter wortwörtlich vom Stuhl fiel. Bei gewissen Themen ist es der Mutter einer Tochter jedoch zum Weinen zumute. «Nach einem Beitrag über Kindermorde war ich froh, dass ich keine Abmoderation sprechen musste.» Nach so heftigen Geschichten unbeschwert zur Familie nach Hause zu gehen, sei nicht einfach. Das Abgrenzen klappe meist gut, aber eben nicht immer. Wie alle Moderatoren sitzt Nicoletta Cimmino in der Regel alleine im Studio. «Wie fühlt es sich an, mit Leuten zu reden, die gar nicht da sind?», möchte ich wissen. Anfangs etwas komisch, doch sie wende folgenden Trick an: «Ich stelle mir liebe Leute aus meinem persönlichen Umfeld vor. Zu denen rede ich dann.»

Auch bei diesem Gespräch tickt mir die Uhr eindeutig zu schnell. Ich tröste mich damit, dass ich nun jemanden von SRF 3 treffen darf. Am liebsten wäre Philippe Gerber morgens Radiomoderator und nachmittags Zimmermann. Beim Speed-Talk erzählt er mir, dass er sein Haus renoviert hat. Auch sonst ist Philippe Gerber ein

Mann der Tat. Sein erstes Geld verdiente er als Teenager in einer Fabrik mit dem Verpacken von PET-Flaschendeckeln. Schon damals schwärmte er fürs Radio und wollte seinem grossen Vorbild FM François Mürner nacheifern. «Heute ist FM ein lieber Freund und Mentor.» Bei den SRF 3-Hörern ist Gerber für seine witzigen, schlagfertigen Moderationen bekannt. Der Vater zweier Kinder hat auch eine sensible Seite. «Es gibt Jodellieder, da kommen mir die Tränen, weil sie mich an meine Grosseltern erinnern», gesteht er. Und kürzlich haben ihn die Freudentränen einer Zuhörerin über ein gewonnenes «Meet&Greet» mit dem Sänger Ed Sheeran so gerührt, dass er einen Kloss im Hals und «fast Pipi» in den Augen hatte. Privat geht der Basler akustisch ab und zu fremd. «Ich höre gerne BBC. Die Qualität gewisser Sprecher und ihre Leidenschaft fürs Radio faszinieren und inspirieren mich.» Wie Joël Gilgen hat auch Philippe Gerber Kochsendungen moderiert. «Wäre ich ein Gericht, wäre ich eine Lasagne», sagt Gerber. «Sie ist in sich stimmig, saftig, heiss, extrem fein und etwas geheimnisvoll, weil man nie genau weiss, was alles in ihr steckt.»

Text: Riccarda Frei

Bild: Sandra Blaser

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