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Medienförderung statt Mediengesetz

Der Bundesrat lässt das Mediengesetz fallen und setzt auf punktuelle Massnahmen zur kurzfristigen Medienförderung. Eine Einordnung.

Öffentliche Medienhilfe? Der Bundesrat will schnell und konkret handeln – und lässt dafür die Idee eines umfassen­deren Mediengesetzes fallen. Handlungs­bedarf bei den journalistischen Medien sei gegeben, findet auch der Bundesrat. Er rea­giert damit auf Hilferufe aus der Medienbranche und aus der Politik – und auf Krisensymptome: den massiven Einbruch des Anzeigengeschäfts im Print und den fortlaufenden Abbau vor allem im Presse­bereich. Angesichts der demokratierelevanten Funktionen der Medien will der Bundesrat unkompliziert und schnell rea­gieren. Er schlägt Folgendes vor:

  • einen Ausbau der indirekten Presse­förderung
  • eine neue Unterstützung von journalistischen Online-Angeboten
  • Finanzierungshilfen bei übergreifenden Strukturen der Journalismusbranche

Bei der indirekten Presseförderung wird die bereits bestehende Subventionierung der Postzustellung von 30 auf CHF 50 Mio. erhöht und der mögliche Kreis von Berechtigten erweitert. Der Verlegerverband hatte allerdings deutlich mehr, nämlich eine Erhöhung um CHF 90 Mio., gefordert. Nicht ausgeschlossen, dass das Parlament diese Subvention um mehr als die vorgeschlagenen CHF 20 Mio. hinaufsetzt. Noch nicht entschieden ist zudem, ob auch die Früh- und Sonntagszustellung der Zeitungen in die Förderung einbezogen werden soll. Mit den erweiterten Subventionsmöglichkeiten würden auch Zeitungen mit hohen Auflagen von grossen Verlagen profitieren können. Dieser Aspekt ist vermutlich umstritten.

Die Finanzierung dieser Presseförderung erfolgt direkt aus der Bundeskasse.

Online-Angebote können neu und erstmals überhaupt öffentliche Beiträge erhalten – insgesamt bis zu CHF 50 Mio. pro Jahr, so der Vorschlag des Bundesrats. Weil der Online-Bereich als fernmeldetechnisches Medium erfasst wird, darf er auf Basis des Artikels 93 der Bundesverfassung direkt gefördert werden und kann Gelder aus der Bundeskasse erhalten. Als Voraussetzung für einen Gebührenbezug werden Kriterien definiert: ein bestimmter Anteil von journalistischen Inhalten, eine Kontinuität im Angebot sowie journalistische Stand­ards. Und es sollen keine Gratis­angebote unterstützt werden können.

Umstritten wird hier vor allem das Kriterium der Bezahlschranke sein. Das schliesse Angebote mit neuartigen Finanzierungsmodellen aus – sagen die einen. Andere begrüssen gerade diese Einschränkung als Statement gegen den Gratis­journalismus.

Der dritte Förderbereich betrifft Strukturen, die der ganzen Branche zugute kommen: Unterstützt werden können Aus- und Weiterbildungsinstitutionen, Nachrichtenagenturen, Organisationen der Selbstregulierung – da geht es vor allem um den Presserat – und IT-Projekte zugunsten elektronischer Medien.

Diskussionen auslösen könnte hier eine mögliche Subventionierung der Agentur SDA, weil diese gewinnorientiert ist. Für diese Strukturhilfen will der Bund zwei Prozent der Radio-/TV-Gebühren verwenden – das wären etwa CHF 27 Mio.

Der Bundesrat sieht also Handlungsbedarf, um die demokratiepolitischen Funktionen der Medien zu sichern. Über viele Jahre hatte er auf entsprechende Forderungen geantwortet, die Situation der journalistischen Medien sei schwierig, aber nicht derart gravierend, um aktiv werden zu müssen. Alt Bundesrätin Doris Leuthard hatte mit der Vorlage zum Mediengesetz dann den Kurswechsel eingeleitet. Zum Umdenken beigetragen hat sicher die veränderte Haltung der Verleger: Noch vor wenigen Jahren hatten sie quasi jede staatliche Hilfe als Intervention in den Markt und in die freie Presse vehement abgelehnt. Diese grundsätzlicheren Bedenken wurden angesichts der ökonomischen Tatsachen schwächer.

Von der Idee eines umfassenderen Mediengesetzes ist Bundesrätin Simonetta Sommaruga abgekommen. Zu gross und vielfältig waren die Einwände aus der Medienbranche. Der pragmatische Ansatz mit kurzfristigerer Perspektive scheint hingegen gut anzukommen. Möglich aber, dass sich die Medienszene mit dem schnellen Abblocken eines Mediengesetzes auf lange Sicht einen Bärendienst erwiesen hat: Wie man die Vorlage aus dem Departement Leuthard auch bewerten mag – ein solches Gesetz hätte grundsätzlichere und längerfristige Überlegungen zur Entwicklung der ganzen Medienlandschaft ausgelöst. Es sei daran erinnert, dass die Eidgenössische Medien­kommission einmal den Ansatz einer Journalismusförderung eingebracht hatte – unabhängig von Technologie und Besitzstruktur.

Die Medien entwickeln sich weiter – schwierig, zu sagen, wie die technologische Situation, die wirtschaftliche Basis der Medienbranche und die Nutzergewohnheiten beim Publikum in 15 Jahren aussehen werden. Was bleibt, ist die Frage, wie journalistische Leistungen nachhaltig finanziert werden können. Das jetzt vorgeschlagene Massnahmenpaket bringt dazu keine Lösung auf Dauer. Allerdings sind weiterhin parlamentarische Initiativen hängig, die einen Medienartikel für die Bundesverfassung fordern. Auf einer solchen rechtlichen Grundlage könnte der Bund eine umfassendere Medienpolitik gestalten. Bis ein solcher Artikel realisiert wäre, dauert es einige Jahre. Es sind also zeitnah politische Entscheide nötig, um für die Medien adäquate Rahmenbedingungen für die Situation in zehn Jahren schaffen zu können.

Der klassische Rundfunkbereich, ­Radio und TV, ist von den aktuellen Vorschlägen des Bundesrats nicht erfasst. Eine Absage haben damit die Verbände der privaten Regionalradios und -TVs erhalten, die eine deutliche Erhöhung des Gebührenanteils verlangt haben.

Im Bereich der SRG ist inzwischen die gleiche Frage aktuell, auf welche die Politik jetzt vorerst im Pressesektor reagiert hat: Wie den massiven Einbruch beim Verkauf von Werbung auffangen? Denn auch bei der SRG hat dieser Abwärtstrend deutlich eingesetzt. Angesichts der damals stabilen Werbeeinnahmen von deutlich über CHF 300 Mio. hatte der Bundesrat 2017 die Einnahmen aus den Gebühren für die SRG ab 2019 auf CHF 1,2 Mia. plafoniert mit der Argumentation, die SRG könne ihren Auftrag mit insgesamt CHF 1,6 Mia. erfüllen. Diesen Gesamtertrag erreicht die SRG aber nicht mehr. Das Thema der sinkenden SRG-Erträge steht neu auf der medienpolitischen Traktandenliste des Bundesrats. Über die aktuellen Vorschläge des Bundesrats wird das Parlament vermutlich im Frühjahr 2020 befinden.


Text: Philipp Cueni

Bild: Colourbox.de

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