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«Reporter»-Porträt über Hotelier Giusep Fry beanstandet

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Mit Ihrem Brief vom 1. Dezember 2014 beanstanden Sie als Präsidentin von „Pro Üetliberg“ die Reporter-Sendung „Giusep gibt Gas“ vom 23. November auf SRF 1. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 2. Dezember bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die Angelegenheit analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Reklamation wie folgt:

„Wir wenden uns an Sie, weil unserer Meinung nach die obenerwähnte Doku über Giusep Fry völlig einseitig und beschönigend ist. Auch werden Unwahrheiten unwidersprochen stehen gelassen. So z.B. Hat Herr Fry von SGB/UBS keine Bruchbude übernommen, sondern ein tipptopp renoviertes Hotel.

Allerdings waren eben 2002 die Ausbaumöglichkeiten ausgeschöpft. Dies wusste er. Trotzdem hat er sich nicht an die gesetzlichen Vorschriften gehalten und illegal einen ganzen Restaurantteil, einen Kiosk und eine Aussenbewirtschaftung erstellt. Er hält sich auch nicht ans geltende Recht betreffend Fahrverbot für Motorfahrzeuge – er organisiert sogar Autoausstellungen auf dem autofreien Kulm-Plateau. Auch seine Elektromobile sind weder bewilligt noch transportieren sie nur Gepäck für ‚Invalide‘.

Die im Film gezeigte Kontrolle der Zufahrten entspricht überhaupt nicht der Realität. Kommentar eines Üetliberggängers an uns: ‚Als ich ihn (Fry) einmal vor dem Hotel auf ein offensichtlich illegal eingetroffenes Privatauto aufmerksam machte, dessen Fahrer sofort im Hotel verschwand, erwiderte er hässig, es gehe ihn nicht an, wie seine Gäste heraufkämen.‘

Offenbar verlangte Herr Fry von Herrn Brennwald, dass er ‚positiv‘ dargestellt werde. Kein Wunder also, dass dieser Doku-Bericht jetzt auf der Uto-Kulm-Hotelseite aufgeschaltet ist, quasi als Werbefilm für den ‚innovativen‘ Hotelier. Dabei ist der Film finanziert von SRF, d.h. auf Kosten der Allgemeinheit.

Eigentlich sollte nun noch eine Sendung folgen, welche die Kehrseite der Medaille zeigt und alles auflistet, was Fry widerrechtlich unternahm. Wenn er zum Beispiel mit Bedauern erregendem Unterton sagt, das Abbrechen der Verglasung werfe ihm um zehn Jahre zurück, sollte sogleich beigefügt werden, dass erstens dies allein seine eigene Schuld sei und dass zweitens nun noch unbedingt abgeklärt werden müsse, was mit den während Jahren unrechtmässig generierten Einnahmen sei.

Es wäre auch wichtig gewesen aufzuzeigen, dass der Üetliberggipfel umfassend geschützt ist, z.B. nach Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz. Er ist auch aufgenommen im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) und ist somit ungeschmälert zu erhalten.“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Herr Marius Born, Bereichsleiter „Dokumentarfilme und Reportage“, schreibt dabei Folgendes:

„Gerne nehmen wir Stellung zur kritischen Reaktion von Frau X, Präsidentin « Pro Üetliberg » , auf die Sendung « Reporter » vom 23. November 2014:

Beim «Reporter» über den Hotel-Unternehmer Giusep Fry handelt es sich um ein Portrait, um eine filmische Begegnung zwischen unserem Autor Reto Brennwald und einem bekanntermassen streitbaren Protagonisten. Ziel und journalistischer Anspruch der Reportage war es, der Persönlichkeit Giusep Frys nachzuspüren: Was treibt ihn an? Was sind die Beweggründe seines oft provokativen Handelns? Dabei lässt der Autor eine persönliche Handschrift erkennen. Diese persönliche Prägung ist erwünscht, denn «Reporter» ist ein Autorengefäss: Der jeweilige Autor soll innerhalb einer gewissen Freiheit persönlich gefärbt berichten. Auch bei «Reporter» sind natürlich die publizistischen Leitlinien von SRF einzuhalten, und das Gebot der Fairness ist unbestritten.

Auch feine Ironie ist bei «Reporter», wie wir die Sendung definieren, gestattet (‚Auf dem Vorplatz gibt‘s Grillwürste an mobilen Ständen: Das wäre zwar genaugenommen nicht erlaubt, aber wer will schon einen 1. August ohne Bratwurst.’) Der Filmautor sollte nicht nur die Fakten sprechen lassen können (die im Übrigen nirgends tatsachenwidrig sind), er kann und soll seinem Publikum Zusammenhänge auch durch authentische Szenen offenbaren, die tiefer in die Persönlichkeit seines Protagonisten blicken lassen (so z.B. bei der Storen-szene, 3 Minuten 40 Sekunden nach Filmbeginn).

Im Film gibt es keine Aussagen, die sich gegen den Verein « Pro Üetliberg » richten. Darum sahen wir davon ab, einen Vertreter dieser Seite einzubauen. Dass Giusep Fry schon mehrmals illegale Bauten erstellt hat und abreissen musste, ist unbestritten. Dies wird im Film ausdrücklich und mehrfach erwähnt (‚Giusep Fry gibt Gas – warum er damit immer wieder aneckt, davon handelt dieser Film. – Der Üetliberg, eine national geschützte Landschaft, eine autofreie grüne Oase. – Er (Fry) steht unter scharfer Beobachtung der Naturschützer. Weil er die Gesetze allzu locker interpretierte, musste er in den vergangenen Jahren bereits eine Gartenwirtschaft abbrechen und einen Verpflegungskiosk. Fry bestreitet nicht, dass er es mit den Baugesetzen nicht immer so genau nimmt.’)

Fry stellt sich offen den Fragen, eine gewisse Schlaumeierei wird klar erkennbar und kritisch hinterfragt. Der Autor zeigt in seinem Film durchaus provozierende Seiten des Unternehmers Giusep Fry und formuliert seine persönlichen Überlegungen dazu, im Rahmen der oben erwähnten journalistischen Freiheit, die «Reporter» auszeichnet.

Die Beschwerdeführerin erwähnt weiter Aussagen, die gar nie gemacht werden (‚... wenn er zum Beispiel mit Bedauern erregendem Unterton sagt, das Abbrechen der Verglasung werfe ihn um zehn Jahre zurück’.)“

Auf meine Nachfrage, ob es tatsächlich stimme, dass Herr Fry von Herrn Brennwald verlangt habe, „positiv“ dargestellt zu werden, antwortete Herr Born wie folgt:

„Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es zwischen Herrn Fry und unserem Reporter keinerlei Abmachungen gegeben hat, ausser dass wir die Privatsphäre respektieren werden. Publizistische Wertungen sind immer Sache der Redaktion. In diesem Punkt würden wir nie Konzessionen machen. Mir schien das derart selbstverständlich, dass ich diesen Punkt in meiner Stellungnahme nicht näher ausgeführt habe.

Im Vorgespräch habe Herr Fry gegenüber Reto Brennwald mit einem ironischen Unterton gesagt, er wolle nur bei einem Film mitmachen, der positiv sei. Darauf konnte Reto Brennwald natürlich nicht eingehen. Reto Brennwald sagte lediglich, dass er sich um einen unvoreingenommenen Blick bemühen werde.

Aus meiner Sicht hat unser Reporter damit absolut korrekt gehandelt: Die Annährung an unsere Protagonisten soll möglichst unvoreingenommen erfolgen. Die aus der Beobachtung resultierende Erzählung darf dann durchaus subjektiv und persönlich geprägt sein. Diese beiden Punkte widersprechen sich nicht.“

3. Soweit die Stellungnahme des Redaktionsleiters von „Reporter“. Herr Marius Born nimmt zu Ihren Hauptkritiken Stellung und argumentiert umfassend, warum seiner Meinung nach die Reportage über Giusep Fry als zulässig zu betrachten ist. Nachdem ich den Film „Giusep gibt Gas“ analysieren konnte, scheinen mir die Argumente von Herrn Born sehr plausibel zu sein. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann ich mich deshalb kurz halten.

Ich stelle fest, dass Sie eigentlich zwei Dinge monieren. Zuerst sind Sie der Meinung, dass die „Doku über Giusep Fry völlig einseitig und beschönigend“ sei und Unwahrheiten „unwidersprochen stehen gelassen“ habe. Dann finden Sie, dass es wichtig gewesen wäre aufzuzeigen, dass der Üetliberggipfel umfassend geschützt und somit ungeschmälert zu erhalten ist.

Ihre kritische Reaktion kann ich durchaus nachvollziehen. Als Präsidentin der „Pro Üetliberg“ setzen Sie sich seit Jahren für die Einhaltung der bestehenden Schutzbestimmungen ein, und obwohl das Bundesgericht Ihnen Recht gegeben hat, behandelt „Reporter“ diese Frage, ohne Ihnen die Gelegenheit zu geben, Ihren Standpunkt zu erläutern. Dass im Film nur Herr Fry die Gelegenheit hatte, seine Sicht der Dinge über seine sehr umstrittene Tätigkeit auf dem Üetliberg darzulegen, kann sicher als einseitig betrachtet werden.

Wurden deshalb die geltenden Bestimmungen vom Radio- und Fernsehgesetz – vorliegend das Sachgerechtigkeitsgebot – verletzt? Konnte sich das Publikum keine eigene Meinung bilden? Bei meiner Beurteilung gelange ich zu anderen Schlussfolgerungen als Sie.

Zuerst einmal – und dies scheint mir entscheidend zu sein – ging es im Reporter weder um eine Berichterstattung über den Schutz des Üetlibergs noch um den durch das Bundesgericht am 20. Juni 2014 verfügten Abbruch von unerlaubten Bauten auf dem Uto Kulm. Im Film von Reto Brennwald ging es eindeutig um ein Portrait des „schillerndsten und umstrittensten Hoteliers von Zürich“ – so die Ankündigung der Sendung – Herrn Giusep Fry. Dass er dabei auch seine Konflikte mit Natur- und Heimatschützern sowie auch den Entscheid des Bundesgerichtes aus seiner persönlichen Sicht kommentieren und kritisieren durfte, ist unbestritten. Doch bei einem derartigen Filmportrait ist dies nicht zu vermeiden und grundsätzlich zulässig.

Meine Beurteilung deckt sich mit der Haltung des Bundesgerichts und der Unabhängigen Beschwerdeinstanz UBI. Laut geltender Praxis wäre es falsch, „sachgerecht“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetzes mit „ausgewogen“ gleichzusetzen. Das rundfunkrechtliche Gebot der Sachgerechtigkeit erfordert für die einzelne Sendung keine Ausgewogenheit im Sinne einer möglichst gleichwertigen Darstellung aller Standpunkte. Ein Thema kann auch einseitig oder aus einem bestimmten Blickwinkel beleuchtet werden, ohne das Gesetz zu verletzen, wenn dies in transparenter Weise geschieht und die wesentlichen Fakten korrekt vermittelt werden.

Dies war in „Reporter“ vom 23. November eindeutig der Fall. Bereits bei den ersten Sequenzen des Films wurde transparent vermittelt, dass es um die Person Giusep Fry, um seinen Werdegang vom Bündner Bauer zum Multimillionär geht. Dass dabei auch seine umstrittene Hoteltätigkeit auf Uto Kulm thematisiert wurde, ist klar. Selbstverständlich ist die Ombudsstelle nicht in der Lage, über die Wahrheit sämtlicher Aussagen im Film – zum Beispiel bezüglich der Kontrolle des an sich unzulässigen Autoverkehrs – abschliessend zu befinden.

Doch es fällt auf, dass der Autor des Filmberichtes wiederholt und sehr eindeutig auch auf die problematische Haltung von Herrn Fry bezüglich illegaler Bauten und auf seine lockere Interpretation der Gesetze hingewiesen hat. Dass er durch seine Tätigkeit immer wieder in Konflikt mit den Anliegen des Schutzes vom Üetliberg kam, wurde mehrmals klar unterstrichen. Wenn auch indirekt, kam deshalb Ihre berechtigte Sorge für den umfassenden Schutz dieses Naherholungsgebietes ebenfalls genügend zur Sprache, damit sich das Publikum eine eigene Meinung bilden konnte.

Aus allen diesen Überlegungen gelange ich zur Auffassung, dass das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt wurde. Auch wenn ich für Ihre Kritik Verständnis habe, kann ich Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, nicht unterstützen.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 51A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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