SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Rundschau»-Beitrag über die Urner Justiz beanstandet

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Mit E-Mail vom 7. Mai 2015 haben Sie den Beitrag in Sachen Ignaz Walker in der Rundschau vom 15. April beanstandet. Sie werfen der Sendung „Verletzung des Persönlichkeitsschutzes, Verletzung des Datenschutzes, Rufschädigung, Störung der Totenruhe sowie Verleumdung“ vor. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 8. Mai bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung sehr genau angeschaut. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Beanstandung wortwörtlich wie folgt:

„Ich bin die Schwester von Ignaz Walker, welcher schon mehrmals in der Sendung ‚Rundschau’ des Schweizer Fernsehens Thema war.

Der letzte Beitrag vom 15. April 2015, unter dem Titel ‚Neue Vorwürfe an die Urner Justiz’ hat mich und meine Familie massiv geschockt und aufs tiefste verletzt.

Ich habe nach der Ausstrahlung des Beitrags trotz der massiven und persönlichen Betroffenheit lange mit mir gerungen, ob ich dagegen bei der Ombudsstelle des SRF Beschwerde erheben will, da ich sehr für Transparenz, Meinungsfreit und insbesondere für die Pressefreiheit bin. Doch auch 22 Tage nach der Ausstrahlung habe ich mich immer noch nicht vom Gesehenen erholt und habe deshalb beschlossen, mich mit dieser Beschwerde an Sie zu wenden.

Ich bin durch Bekannte am Mittwochmorgen, 15.4.2015, darauf aufmerksam gemacht worden, dass in der Online-Vorschau zur Rundschausendung wiederum ein Beitrag zu meinem Bruder angekündigt werde. Daraufhin habe ich mich dort eingeklickt und habe entsetzt festgestellt, dass ein Foto vom Grabstein meiner Eltern (andere Grabsteine mit Aufschriften sind ebenfalls gut erkennbar) auf dem Friedhof von Erstfeld als Bild zur Vorschau aufgeschaltet worden ist.

Völlig entsetzt über so wenig Respekt vor den Toten und so wenig Anstand gegenüber den Verwandten dieser Toten habe ich mich beim Schweizer Fernsehen gemeldet und verlangt, dass erstens sofort das Bild mit den Grabsteinen vom Onlineportal entfernt und aufgrund des aufgeschalteten Textes der Beitrag nicht gesendet werden solle. Nachdem ich von einem zum anderen oder von der einen zur anderen weiterverbunden worden bin, landete ich bei Herr Mario Poletti, welcher Mitglied des Rundschauteams ist. Herr Poletti versuchte mir zu erklären, dass in der Sendung einzig aufgezeigt werde, dass die Urner Justiz auch bei diesem Todesfall ‚geschlampt’ habe und sie dies aufzeigen möchten. Ich habe ihn eindringlich gebeten, auf den Beitrag zu verzichten, da wir Geschwister von Ignaz auch ein Anrecht auf Persönlichkeitsschutz hätten. Er hat mir erklärt, dass der Beitrag ganz sicher gesendet werde! Das einzige, was ich erreichen konnte, war, dass sie das Bild mit den Grabsteinen auf dem Online-Portal durch ein Bild mit einer Urner Fahne ersetzt haben.

Erwähnen möchte ich noch, dass ich schon vor einigen Wochen Kontakt hatte zu Herrn Roman Banholzer, welcher Hauptverantwortlicher bei der Rundschau für dieses Thema ist. Er hat mich mehrmals angerufen und wollte von mir Auskünfte zum Tod meines Vaters. Ich habe ihm klar und deutlich gesagt, dass ich ihm keine Auskünfte zum Tod meines Vaters geben werde, da ich nicht wolle, dass sein Tod Thema in einer Rundschausendung werde. Ich habe ihm auch erklärt, dass wir Geschwister völlig schutzlos diesem Medienrummel ausgesetzt wären. Ich habe ihn auch schriftlich (via Mail) gebeten, aus Persönlichkeitsschutzgründen auf einen Beitrag zu diesem Thema zu verzichten.

Nachdem ich bei den Rundschauverantwortlichen nicht erreichen konnte, dass sie den Beitrag absetzen, habe ich versucht, Sie als Ombudsmann via Mail zu erreichen. Das hat aber leider in der Schnelle auch nicht geklappt, da ich von Ihnen keine Antwort bekommen habe.

Ich habe dann versucht, beim Landgericht Uri eine ‚Superprovisorische Verfügung’ zu erwirken, welche das Ausstrahlen des Beitrags hätte verhindern sollen. Die zuständige Landgerichtspräsidentin Frau Agnes Planzer hat mir aber erklärt, dass ich diese Massnahme spätestens 24 Stunden vor der Ausstrahlung hätte machen müssen. Erst ein paar Stunden vor der Sendung sei dies nicht mehr möglich.

So musste ich also tatenlos warten und hoffen, dass die verantwortlichen Personen beim Rundschauteam doch noch ein Einsehen haben und den Beitrag nicht ausstrahlten. Doch dem war leider nicht so.

Aus terminlichen Gründen habe ich die Sendung dann erst kurz vor Mitternacht auf meinem PC angeschaut und war entsetzt. Um der Urner Justiz Schlamperei vorwerfen zu können, war dem Journalistenteam scheinbar jedes Mittel recht.

  1. Da wurde auf dem Friedhof in Erstfeld, wo meine Eltern begraben sind, gefilmt und dabei das Foto meiner Eltern, auch das meiner Mutter, welche bereits im Jahr 2007 verstorben ist, ganz nah heran gezoomt. Bei dieser Gelegenheit konnten auch andere Grabstätten erkannt werden, was betroffene Angehörige sehr geärgert hat. Dies ist in meinen Augen ein klarer Verstoss gegen die Totenruhe und auch gegen den Persönlichkeitsschutz.
  2. Da wurde mein Elternhaus gezeigt, obwohl mein Bruder F. dem Journalisten Roman Banholzer vorgängig mehrmals mitgeteilt hat, dass er nicht will, dass auf seiner Liegenschaft gefilmt wird. Dies erachte ich ebenfalls als ein Verstoss gegen den Persönlichkeitsschutz.
  3. Da wurde ein handgeschriebenes Testament, welches mein Vater verfasst haben soll, gezeigt und zwar so nah, dass man den Inhalt lesen konnte. Ebenso wurde aus diesem Testament heraus erwähnt, dass die Töchter vom Vater enterbt worden seien und als Haupterbe der Bruder F. eingesetzt worden sei. Dies erachte ich als sehr grobe Verletzung des Persönlichkeitsschutzes und einen Verstoss gegen das Datenschutzgesetz. Und da es sich beim vorliegenden Testament um ein laufendes Verfahren handelt, auch um einen Verstoss gegen das Amtsgeheimnis (Herausgabe dieses Dokuments).
  4. Da wurden Aussagen ‚einer Tochter des Verstorbenen’ anonym nachgesprochen, im Wissen, dass es vier Töchter sind und damit alle in den Verdacht kommen, dies gesagt zu haben. Hier haben die Journalisten bewusst in Kauf genommen, dass mit dieser Art von Aussagen alle Töchter in der Öffentlichkeit unter ‚Generalverdacht’ gestellt werden, diese Aussage gemacht zu haben.
  5. Da wurde vom Journalisten die Behauptung aufgestellt, dass es sich beim Todesfall meines Vaters um einen ‚unnatürlichen Tod’ handeln könnte. Dies im Wissen, dass dies nie mehr bewiesen werden kann, da Vater vor drei Jahren kremiert worden ist. In meinen Augen ist dies eine Verleumdung, Verletzung des Persönlichkeitsschutzes und Rufschädigung.
  6. Da wird gegen uns Kinder, Verwandte und Bekannte der Verdacht erhoben, dass Josef Walker wegen Erbstreitigkeiten umgebracht worden sein könnte. Auch dies im Wissen, dass dieser Verdacht ein Leben lang bestehen bleibt, da der Gegenbeweis nicht mehr angetreten werden kann. Auch hier handelt es sich um Verleumdung und Rufschädigung im gröbsten Ausmass.

Nach dem Schauen der Sendung habe ich zuerst geweint, war aufs Tiefste verletzt und kann nicht glauben, dass man in der Schweiz und im Kanton Uri nichts dagegen machen kann, dass jemand im Fernsehen solche Behauptungen aufstellt und im Namen der Presse-/Medienfreiheit dermassen gegen Pietät und Anstand verstösst. Ich habe mich anfänglich gar nicht mehr aus dem Haus getraut, weil ich mich geschämt habe, dass man uns so etwas zutraut.

Es half aber alles nichts und ich musste mich wieder unter Menschen begeben und die Fragen zur Sendung haben mir nochmals zugesetzt. Es haben sich aber auch Menschen bei mir gemeldet, welche genauso entsetzt über den Beitrag waren wie ich.

Es kommt dazu, dass ich in der Gemeinde Y politisch tätig bin und als XY an verschiedenen Anlässen ebenfalls auf die Sendung angesprochen worden bin. Mein Leben hat sich mit einem Schlag verändert und ich habe das Gefühl, dass alles, was andere innerhalb ihrer Verwandtschaft abmachen können, bei uns nun einfach öffentlich ausgehandelt wird.

Ich komme ganz einfach nicht zur Ruhe und deshalb habe ich mich entschieden, mich mit dieser Beschwerde an Sie zu wenden. Ich möchte Sie bitten, die Beschwerde zu prüfen und gutzuheissen. Ich möchte damit erreichen, dass diesen Journalisten bewusst wird, was sie mir und meiner Familie mit diesem Beitrag angetan haben. In erster Linie möchte ich aber erreichen, dass nie mehr eine Sendung in der Rundschau oder sonst wo zu diesem Thema gesendet werden darf.

Ich bin der Meinung, dass das Ziel der Berichterstattung nicht alle Mittel rechtfertigt. In diesem Fall ist eine Grenze überschritten worden, welche gar nichts mehr mit Presse-/Medienfreiheit zu tun hat, sondern nur noch ‚reisserisch’ und sensationslüstern im Stil von ‚Brot und Spiele’ für die FernsehzuschauerInnen Action liefert. Auf welche Kosten ein solches Handeln geht, ist dem Journalistenteam scheinbar gleichgültig.

Ich bitte Sie deshalb sehr, sich meiner Beschwerde anzunehmen und mir eine Antwort zukommen zu lassen.“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Herrn Mario Poletti, Redaktionsleiter der „Rundschau“, nicht vorenthalten. Er schreibt Folgendes:

„Gerne nehmen wir Stellung zur Beanstandung von Frau X. Im Bericht vom 15.04.2015 geht es um ‚Neue Vorwürfe gegen die Urner Justiz’ im Zusammenhang mit dem bereits mehrfach publizierten Fall Ignaz Walker. Am 12.11.2010 wurden in Erstfeld von einer unbekannten Person drei Schüsse auf die getrennt lebende Ehefrau von Ignaz Walker abgefeuert. Am 24.10.2012 verurteilte das Landgericht Uri Sasa Sindelic rechtskräftig des versuchten Mordes zu 8 1⁄2 Jahren Freiheitsentzug. Bereits bei der ersten Einvernahme durch die Polizei wie auch in den Medien machten die getrennt lebende Ehefrau von Ignaz Walker und ihr damaliger Lebensgefährte den in Scheidung stehenden Ehemann Ignaz Walker für die Tat verantwortlich. Sie behaupteten, Ignaz Walker habe den Auftragskiller beauftragt, seine getrennt lebende Ehefrau umzubringen. Am 11.9.2013 verurteilte das Obergericht in Uri Ignaz Walker zu 15 Jahren Freiheitsentzug wegen versuchten Mordes und versuchter vorsätzlicher Tötung. Ignaz Walker selbst beteuerte stets seine Unschuld.

Im Rahmen weiterführender Recherchen gab der verurteilte Schütze Sasa Sindelic der Redaktion Rundschau am 26.11.2014, mit Genehmigung durch das Amt für Justizvollzug des Kantons Uri, ein Interview. Im Interview gab Sindelic an zu wissen, dass Ignaz Walker unschuldig sei und nichts mit dem Anschlag auf seine getrennt lebende Ehefrau zu tun habe. Weiter beteuerte er, dass die Exfrau von Ignaz Walker sicher involviert gewesen sei und auch ihr damaliger Partner. Die beiden hätten das Komplott eines vorgetäuschten Mordversuchs gegen Ignaz Walker geschmiedet, um ihn ins Gefängnis zu bringen.

Das Bundesgericht hob das Urteil des Urner Obergerichts gegen Ignaz Walker am 10.12.2014 auf und verlangte eine Neubeurteilung. Zudem nahm der Fall Ignaz Walker nach der Aussage von Sindelic eine überraschende Wende: Das Urner Obergericht fällte mit Verfügung vom 28.01.2015 die Entlassung von Ignaz Walker aus der Haft und nahm bei der Begründung unter anderem auch ausdrücklich Bezug auf die gemachten Aussagen des verurteilten Schützen Sindelic (BEILAGE A). Ignaz Walker wurde im Januar 2015 nach über vier Jahren aus der Sicherheitshaft entlassen.

In weiteren Recherchen der Rundschau offenbarten sich in Bezug auf den Tod des Vaters von Ignaz Walker im Mai 2012 immer mehr Ungereimtheiten. Der Vater von Ignaz Walker verstarb am 20.05.2012 unvermittelt im Beisein von Ignaz Bruder F. rund 18 Monate nach der Schussabgabe auf die getrennt lebende Ehefrau von Ignaz Walker. Ignaz Walker befand sich zur Zeit des Ablebens des Vaters im Gefängnis und hat in der Haft vom Tod seines Vaters erfahren.

Um die Zusammenhänge im vorliegenden Fall aufzuzeigen, ist es notwendig, die familiären Verhältnisse kurz zu skizzieren. Der Fokus des Beitrags lag aber klar auf dem Vorgehen der Urner Justiz. So lautet auch der Titel des Beitrags: ‚Neue Vorwürfe gegen die Urner Justiz’. Auch in den vorherigen Beiträgen ging es darum aufzuzeigen, wie die Urner Justiz im Fall Ignaz Walker vorgegangen ist. Die Medien als ‚chien de garde de la démocratie’ haben die Aufgabe, Missstände aufzudecken und auch solche Vorgehen innerhalb der Justiz zu hinterfragen.

Frau X wirft der Rundschau Verletzung des Persönlichkeitsschutzes, Verletzung des Datenschutzes, Rufschädigung, Störung des Totenfriedens sowie Verleumdung vor. Diese Vorwürfe weisen wir zurück. Bei den Aufnahmen auf dem Friedhof wurden Aufnahmen eines jedermann öffentlich zugänglichen Ortes gemacht. Auch handelt es sich bei einer Aufnahme eines Friedhofs nicht um die Störung der Totenruhe. Es wurde in keiner Weise ein brutaler Angriff wie die Zerstörung, Beschädigung oder das Beschmieren des Grabs vorgenommen. Das wäre gemäss Gesetz als Störung der Totenruhe zu werten. Dass die Rundschau das Testament zeigte, war notwendig, um die Frage aufzuwerfen, ob die Urner Justiz nicht vorschnell gehandelt und den Tod des Vaters von Ignaz Walker nicht näher untersucht hat.

Zum Vorwurf der Rufschädigung/Verleumdung:

Die Rundschau hat nicht wider besseres Wissen eine Tatsache behauptet, die den Ruf von jemand schädigen könnte. Die Recherchen der Rundschau im Fall Ignaz Walker haben ergeben, dass weitere Ungereimtheiten bei der Urner Justiz vorliegen und ist diesem Fall nachgegangen. Wie vorab erwähnt, ging es der Rundschau darum, die Urner Justiz genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei den Recherchen wurde die Familie kontaktiert, auch Frau X. Diese hat dem Autor im Zusammenhang mit dem Todesfall ihres Vaters gesagt, es sei gut, wenn man die Arbeit der Urner Justizbehörden kritisch anschaue. Gerade aus Gründen des Datenschutzes hat die Rundschau die Namen der Schwestern von Ignaz Walker nicht genannt. Weiter haben wir auch nie irgendwelche Summen, noch irgendwelche Details zur Erbschaft genannt.

Uns war es von Beginn weg sehr wohl bewusst, dass die Thematik einer Strafuntersuchung eines aussergewöhnlichen Todesfalles mit grösster Vorsicht angegangen werden muss. Wir sind der Ansicht, dass wir den involvierten Personen in den zahlreichen Kontakten auch mit dem nötigen Respekt begegnet waren. Der Fokus unseres Beitrages war unmissverständlich die mangelhafte Arbeit der Urner Ermittlungsbehörden anlässlich der Untersuchung dieses Todesfalles. Dabei kamen wir nicht darum herum, die familiäre Ausgangslage, die Entstehung dieser Konfliktsituation darzustellen. Wir haben aber zu keinem Zeitpunkt den Verstorbenen, noch die Beschwerdeführerin kritisiert, vielmehr sind wir der Überzeugung, dass wir den betroffenen Menschen mit Würde, Respekt und der angezeigten Pietät begegnet waren.

In diesem Sinne bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Casanova, die Beanstandung abzuweisen.“

3. Soweit die Stellungnahme des Redaktionsleiters der „Rundschau“. Herr Mario Poletti argumentiert ausführlich, warum seiner Meinung nach Ihre Beanstandung abgewiesen werden soll.

Nachdem ich die Angelegenheit analysieren konnte, habe ich für Ihre Reaktion viel Verständnis. Ich kann durchaus nachfühlen, wie es für Sie und Ihre Familie sehr schwierig und belastend war, den ständigen und seit Jahren dauernden Medienrummel bezüglich Ihren Bruder Ignaz über sich ergehen zu lassen.

Nun gerade am Tag, an dem im Urner Parlament der Untersuchungsbericht der Staatspolitischen Kommission über die Ermittlungen im „Mordfallversuch Walker“ dis­kutiert wurde, sendete die „Rundschau“ einen weiteren Beitrag. Es ging diesmal nicht mehr direkt um Ihren Bruder Ignaz, sondern um neue, schwerwiegende Vorwürfe an die Urner Ermittler. Sie hätten die Todesursache Ihres Vaters nur oberflächlich untersucht. Dabei hätte der Verteidiger Ihres Bruders, der Zürcher Anwalt Linus Jaeggi, von der Urner Staatsanwaltschaft wegen Erbstreitigkeit in der Familie und dem mutmasslich inszenierten Mordanschlag „eine lückenlose Aufklärung dieses aussergewöhnlichen Todesfalles“ gefordert. Dies sei nicht geschehen, was in der „Rundschau“ umfassend thematisiert wurde. Auch wenn das eigentliche Thema der Sendung die Tätigkeit der Urner Ermittler war, war Ihre Familie erneut im Mittelpunkt einer kritischen Berichterstattung.

Ich kann deshalb nachvollziehen, dass Sie sowohl durch direkten Kontakt mit den Verantwortlichen der „Rundschau“ wie auch beim Landgericht Uri versucht haben, diese Sendung zu verhindern. Ohne Erfolg: Mit dem Titel „Neue Vorwürfe gegen die Urner Justiz“ wurde in der „Rundschau“ vom 15. April der von Ihnen beanstandete Beitrag gesendet.

Sie werfen der Sendung „Verletzung des Persönlichkeitsschutzes, Verletzung des Datenschutzes, Rufschädigung, Störung der Totenruhe, sowie Verleumdung“ vor. Sie belegen dabei Ihre Kritik in sechs klar definierten und entsprechend erläuterten angeblichen Verstössen.

In seiner Stellungnahme argumentiert Herr Poletti glaubwürdig, warum Ihre Kritiken aus journalistischer Sicht abgewiesen werden sollen. Im Beitrag sei die „Rundschau“ den betroffenen Menschen „mit Würde, Respekt und der angezeigten Pietät begegnet“ und habe somit die journalistischen Kriterien des Persönlichkeitsschutzes erfüllt.

Was die Ombudsstelle betrifft, stelle ich fest, dass es sich dabei um Tatbestände handelt, für deren Prüfung zivil- oder strafrechtliche Rechtsbehelfe offenstehen. Auch wenn sie unbenützt geblieben sind, soll laut Bundesgericht die Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI – und somit auch die Ombudsstelle – im Kompetenzbereich der Straf- und Zivilgerichte keine Entscheide treffen.

Gemäss ständiger Rechtsprechung bildet Gegenstand des Aufsichtsverfahrens ausschliesslich die Einhaltung rundfunkrechtlicher Regeln. Für angebliche Verletzungen anderer Normen bleiben die ordentlichen Gerichte zuständig. Die Programmaufsicht dient dem Schutz der unverfälschten Willens- und Meinungsbildung der Öffentlichkeit und nicht in erster Linie der Durchsetzung privater Anliegen.

Bei dieser rechtlichen Ausgangslage ist es mir leider nicht möglich zu beurteilen, ob die von Ihnen monierten Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes, des Datenschutzes, Rufschädigung, Störung der Totenruhe, sowie Verleumdung im Rundschaubeitrag tatsächlich erfolgt sind. Mit diesen Vorwürfen, die den wesentlichen Teil Ihrer Beanstandung bilden, kann sich die Ombudsstelle nicht befassen. Ihre Aufgabe ist dagegen zu prüfen, ob eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots von Art. 4 Abs. 1 des Radio-und Fernsehgesetzes vorliegt.

Die Ombudsstelle prüft im Zusammenhang mit dem Sachgerechtigkeitsgebot, ob dem Publikum aufgrund der in der Sendung oder im Beitrag vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt oder ein Thema vermittelt wird, so dass dieses sich darüber frei eine eigene Meinung bilden kann. Umstrittene Aussagen sollen als solche erkennbar sein. Fehler in Nebenpunkten und redaktionelle Unvollkommenheiten, welche nicht geeignet sind, den Gesamteindruck der Ausstrahlung wesentlich zu beeinflussen, sind programmrechtlich nicht relevant.

Bei der Behandlung von Beanstandungen muss die Ombudsstelle der den Veranstal­tern zustehenden Programmautonomie gebührend Rechnung tragen. Denn etwas darf nie vergessen werden: Art. 93 Abs. 3 der Bundesverfassung und Art. 6 Abs. 2 RTVG gewährleisten die Programmautonomie von Radio und Fernsehen. Diese beinhaltet namentlich auch die Freiheit in der Wahl eines Themas einer Sendung oder eines Beitrags und in der inhaltlichen Bearbeitung. Es ist kein Thema denkbar, das einer Behandlung oder einer kritischen Erörterung in den elektronischen Medien entzogen ist.

In anderen Worten, es ist grundsätzlich als absolut zulässig zu betrachten, wenn die „Rundschau“ einen kritischen Beitrag über die angeblich mangelhafte Untersuchung des Todesfalles Ihres Vaters durch die Urner Justizbehörden sendet. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Anforderungen bezüglich der Transparenz und generell der Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflichten eingehalten wurden.

Sie monieren, dass im Namen der Presse- und Medienfreiheit am Fernsehen derartige Behauptungen aufgestellt werden können, die dermassen gegen Pietät und Anstand verstössen. Ziel einer Berichterstattung sollte nicht alle Mittel rechtfertigen. In diesem Fall sei eine Grenze überschritten worden, welche nur „reisserisch“ und sensationslüstern im Stil von „Brot und Spiele“ für die FernsehzuschauerInnen Action lie­fert. „Auf welche Kosten ein solches Handeln geht, ist dem Journalistenteam scheinbar gleichgültig.“ Mit Ihrer Beanstandung möchten Sie erreichen, dass diesen Journalisten bewusst wird, was sie Ihnen und Ihrer Familie mit diesem Beitrag angetan haben.

Tatsächlich sollte unbestritten sein, dass für Sie und Ihre Familie diese Berichterstattung eine weitere Belastung und eine erneute persönliche Betroffenheit darstellt. Dies ist aber leider nicht zu vermeiden, geht es doch um eine Angelegenheit, die in erster Linie Ihre Familie betrifft. Dass dabei auch Bilder gezeigt und Sachverhalte erwähnt wurden, die Ihnen zumindest als störend erschienen, liegt in der Natur einer TV-Berichterstattung. Selbstverständlich kann man sich fragen, ob die Verdächtigungen bezüglich den Tod Ihres Vaters so konkret waren, um daraus derart schwerwiegende Vermutungen eines „unnatürlichen Todes“ zu rechtfertigen. Dies umso mehr, als eine Hauptbegründung für diesen Verdacht die Änderung des Testamentes Ihres Vaters kurz vor seinem Ableben darstellt. Es liegt auf der Hand, dass solche unbewiesenen Unterstellungen für Sie und Ihre Schwestern eine schwer zu ertragene Belastung darstellen.

Doch die Autoren des Berichtes haben lediglich die Auffassung des Verteidigers von Ignaz Walker übernommen und die entsprechende Kritik an den Urner Behörden verbreitet und vertieft. Dabei wurde auch die Meinung von Experten eingeholt. Nach Studium des Dossiers haben diese die kritisierte Haltung der Urner Justiz bestätigt. Für das Publikum war klar ersichtlich, um was es geht und warum die Urner Justiz erneut unter Kritik stand. In dieser Hinsicht erachte ich die Darstellung und Analyse im Bericht als durchaus korrekt. Es war zwar problematisch, die Aussagen „einer Tochter des Verstorbenen“ anonym nachzusprechen, und damit alle Töchter in der Öffentlichkeit unter Verdacht zu stellen, diese Aussage gemacht zu haben. Es handelt sich aber um einen Fehler in einem Nebenpunkt, der nicht geeignet ist, den Gesamteindruck wesentlich zu beeinflussen.

Auch wenn ich für Ihre Kritik viel Verständnis habe und Ihre Befindlichkeit durchaus nachfühlen kann, gelange ich zur Auffassung, wonach sich das Publikum über die Angelegenheit insgesamt eine eigene Meinung bilden konnte. Das Sachgerechtigkeitsgebot wurde nicht verletzt. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, kann ich deshalb nicht unterstützen.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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