Interview mit LGBTQ-Expertin kritisiert

Zwei Beanstander kritisieren ein Interview von SRF News mit einer deutschen Historikerin und Expertin für queere Geschichte und Studien als einseitig. Darin ging es um die Einschränkung weiterer Rechte von Menschen aus der LGBTQ-Community in verschiedenen US-Bundesstaaten. Die Beanstander stossen sich besonders an der Bezeichnung «faschistisch» und dem Vergleich mit den Nationalsozialisten.

Anlass für das Interview von SRF News vom 27. März 2023 war das Verbot von Drag-Shows im öffentlichen Raum und Hormonbehandlungen bei Minderjährigen im Bundesstaat Tennessee. Mit Gesetzen werden die Rechte der LGBTQ-Community in Teilen der USA immer stärker eingeschränkt, so etwa mit dem Verbot im Bundesstaat Florida, an Grundschulen über sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität zu sprechen.

Der Interviewgast Sabrina Mittermeier wurde als Historikerin vorgestellt. Es werde jedoch nicht auf ihre Rolle als Queer-Aktivistin hingewiesen, bemerken die Beanstander. Zudem vergleiche die Expertin politische Gegner der «Woke»-Ideologie mit den Nationalsozialisten im Dritten Reich. Die Journalistin habe die Aussagen ihres Gastes weder hinterfragt noch habe sie divergierende Positionen und Ansichten dargelegt.

Pointierte Äusserungen

Gespräche mit Expert:innen und Akteur:innen würden stets deren Sichtweise abbilden, gibt die SRF News-Redaktion zu bedenken. Es gehe darum, ihre Einschätzungen und Positionen kennenzulernen. Sabrina Mittermeier sei als Historikerin an der Universität Kassel vorgestellt worden. Eine grosse Mehrheit von Forscher:innen würden sich für ihr jeweiliges Fachgebiet engagieren. Das mache sie noch nicht zu Aktivist:innen. Dafür müssten sie konkret praktisch in aktivistischen Organisationen mitarbeiten oder gar Führungsaufgaben wahrnehmen.

Sabrina Mittermeier habe ihre Meinung pointiert geäussert, räumt die verantwortliche Redaktion ein. Sie habe jedoch keine Person oder Personengruppe als faschistisch bezeichnet. Sie sage selbst, dass Vergleiche zu Nazideutschland stets heikel seien. Trotzdem komme sie zum Schluss, dass es – wie sie betone – aus ihrer Sicht doch Parallelen gebe. Sie meine damit die Mechanismen des Faschismus. Die Moderatorin hake beim von ihrer Interviewpartnerin verwendeten Wort Faschismus durchaus nach. Mittermeier begründe ihre Wortwahl damit, dass durch solche Gesetze und Verbote die Meinungsäusserungsfreiheit, Persönlichkeitsrechte sowie die Bildungs- und Lernfreiheit eingeschränkt würden. Zudem gebe es Hass- und Hetzreden.

Für die Redaktion gehört es zu ihrem Auftrag, Denkanstösse zur Meinungsbildung anzubieten. Das schliesse auch prononcierte Einschätzungen mit ein, wenn sie mit Argumenten gestützt würden. Im Lauf der Zeit kämen auch Stimmen zu Wort, die andere Haltungen und Sichtweisen vertreten würden. Damit verweist die Redaktion darauf, dass das Vielfaltsgebot durch die Gesamtheit der Sendungen und Beiträge erfüllt werden muss.

Faschismus-Vergleich irritiert

Gespräche mit Externen würden geführt, um andere Meinungen zu hören. Darin sind sich die Ombudsleute mit der Redaktion einig. Irritiert zeigen sie sich jedoch darüber, dass die Historikerin die neuen Gesetze in den USA als faschistisch bezeichnet. Das sei aus historischer Sicht äusserst problematisch.

Der Ursprung des Faschismus liege in Italien, so die Ombudsleute. Merkmale des Faschismus seien ein autoritäres, Demokratie ablehnendes und auf eine Führerfigur gerichtetes Regierungssystem. Im deutschen Nationalsozialismus seien dann völkischer Rassismus und Antisemitismus hinzugekommen, welcher zur systematischen Ausrottung ganzer Bevölkerungsteile geführt habe.

In den USA herrsche aber immer noch Pluralismus, Meinungs- und Pressefreiheit. Andersdenkende seien nicht systematisch an Leib und Leben bedroht. Die Entwicklungen in den USA mit Faschismus zu vergleichen, sei deshalb äusserst problematisch. Es genüge zur Relativierung dieser Aussage nicht, wenn die Interviewerin bei ihrem Gast nachfrage, ob der Vorwurf des Faschismus nicht «ein starker Begriff» sei und danach die Begründung unwidersprochen stehen lasse.

Fehlende Angaben

Vor allem aber werde Sabrina Mittermeier im Beitrag nur als Historikerin mit Fachgebiet Geschichte Nordamerikas an der Universität Kassel vorgestellt. Wäre ihr Forschungsschwerpunkt – Geschichte der Sexualität und speziell queere Geschichte und queer studies – erwähnt worden, hätte das Publikum das Interview und seine Stossrichtung einordnen können. Ohne diese Erklärung verstösst der Beitrag nach Ansicht der Ombudsleute jedoch gegen das Sachgerechtigkeitsgebot.

Text: SRG.D/dl

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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