Die Illustration zeigt den Ausblick aus der Frontscheibe eines fahrenden Autos auf die Dorfstrasse eines Tessiner Bergdorfes. Auf der Dorfstrasse läuft ein Wolf vor dem herannahenden Auto davon.
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Schweiz aktuell» über den Wolf in Bergdörfern weckt Emotionen

Gegen den Beitrag «Immer mehr Wölfe in Bergdörfern – was tun?» von «Schweiz aktuell» vom 11. April 2023 gingen vier Beanstandungen bei der Ombudsstelle ein. Die Beanstandenden kritisieren ein im Beitrag gezeigtes Amateurvideo. Zudem sei nicht sachlich und faktengerecht über die Bedrohung durch den Wolf berichtet worden.

Drei Beanstanderinnen und ein Beanstander kritisieren «Schweiz aktuell» vom 11. April 2023. Sie nehmen vor allem Anstoss an einem Amateurvideo, in dem ein Wolf von einem Autofahrer aus dem Dorf gejagt wird. Der Autofahrer betreibe Hetze gegen den Wolf und verstosse damit gegen das Tierschutzgesetz und durch das Filmen während der Fahrt auch gegen das Verkehrsgesetz, so die Beanstandenden. Sie ärgern sich darüber, dass SRF dem Filmer eine Plattform geboten habe. Weiter bemängeln sie den Kommentar zum Video. Darin wird gesagt, der Wolf scheine – wie im Video zu sehen –, wenig Scheu vor den Menschen zu haben. Diese Beschreibung des Wolfsverhaltens sei nicht korrekt. Vielmehr sei der Wolf vor dem Autofahrer geflüchtet und um sein Leben gerannt. Mit dieser falschen Interpretation und mit mehreren Aussagen von Dorfbewohner:innen spiele SRF nach Ansicht einiger der Beanstandenden den Wolfgegner:innen in die Hände.

Referendum gegen Jagdgesetz

Einige der Beanstander:innen kritisieren zudem, SRF habe im Januar nicht über die Ergreifung des Referendums gegen das revidierte Jagdgesetz berichtet, sondern erst bei dessen Scheitern. Das Scheitern wurde ebenfalls am 11. April publik. Die Beanstander:innen hätten erwartet, dass mindestens eine Stellungnahme seitens des Referendumskomitee in den Beitrag aufgenommen worden wäre.

Die verantwortliche Redaktion hält in ihrer schriftlichen Stellungnahme entgegen, Anlass für den Beitrag sei nicht das Scheitern des Referendums gewesen, sondern das Amateurvideo, das anfangs März im Tessiner Fernsehen RSI ausgestrahlt worden sei. Die Ausstrahlung bei SRF am gleichen Tag wie das Bekanntwerden des gescheiterten Referendums sei zufällig.

Relativierung durch Zoologin

Der «Schweiz aktuell»-Beitrag habe einen doppelten Fokus: Zum einen solle er zeigen, wie sich ein Wolf im Maggiatal nahe der Zivilisation bewege. Zum anderen solle die Betroffenheit der lokalen Bevölkerung – ihre Unsicherheiten, Ängste und Sorgen – sichtbar gemacht werden. Man lasse die pointierten Aussagen der Dorfbewohner:innen nicht einfach stehen. Diese würden vielmehr in einem zweiten Beitrag durch ein Gespräch mit einer Zoologin der Stiftung Kora korrigiert und relativiert. Weiter würde die Thematik des Wolfes im Siedlungsgebiet vertieft. Die Zoologin vermittle auch Verhaltensregeln, die bei einer sehr unwahrscheinlichen direkten Begegnung mit einem Wolf zu beachten seien.

Der Autor des Beitrags habe in seinem Kommentar zum Video zurückhaltend formuliert: Der Wolf «scheine» «wenig Scheu» zu haben. Das Amateurvideo und im Beitrag gezeigte Fotos würden belegen, dass sich ein Wolf im Siedlungsgebiet im Maggiatal bewege, so die Redaktion. Man habe bewusst nicht das ganze Video gezeigt. Auch habe man auf ein Interview mit den Filmenden aufgrund ihrer radikalen Ansichten verzichtet. Stattdessen habe man eine Frau befragt, die den Wolf fotografiert und sachlich und differenziert über das Erlebte berichtet habe.

Vielfältige Berichterstattung über den Wolf

Die Redaktion weist den Vorwurf zurück, SRF würde ein einseitiges Bild des Wolfes verbreiten. Sie belegt, dass man in den letzten Jahren breit über das Thema berichtet und in zahlreichen Beiträgen verschiedenste Aspekte aufgegriffen habe. SRF werde sich auch in Zukunft mit verschiedenen Beiträgen dem Thema Wolf widmen. Dabei werde ebenfalls die Umsetzung des revidierten Jagdgesetzes zur Sprache kommen.

Kein Bericht über den Wolf ohne Beanstandungen

Die Ombudsleute bemerken zu Anfang ihres Schlussberichts, dass die Rückkehr und die Ausbreitung des Wolfs in die Schweiz ein emotionales und kontrovers diskutiertes Thema sei. Es gebe deshalb keinen Beitrag über den Wolf, der nicht beanstandet werde. Die einen kritisierten, der Wolf werde als zu gefährlich dargestellt, die anderen sähen eine Verharmlosung der Wolfsproblematik, so die Ombudsleute.

Der beanstandete Beitrag zeige die ambivalente Beziehung des Menschen zum Raubtier auf. Der Beitrag lasse Dorfbewohner:innen zu Wort kommen, die sich ganz unterschiedlich mit dem Wolf arrangierten. Durch die Aussagen der Zoologin würden die Emotionen relativiert, die ein Wolf bewirke. Die im Beitrag gezeigten Bilder und Äusserungen seien vielfältig, die Zuschauenden könnten sich über die vermittelten Fakten und Ansichten eine eigene Meinung bilden. Damit sei das Sachgerechtigkeitsgebot erfüllt. Die Ombudsleute sehen somit keine Verletzung der Bestimmungen des Radio- und Fernsehgesetzes.

«Schweiz aktuell» vom 11. April 2023

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Beitrag: «Immer mehr Wölfe in Bergdörfern – was tun?» (Timecode 4:27)

Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9262

Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9263

Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9264

Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9269


Text: SRG.D/dl

Bild: SRG.D/Cleverclip

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