Das Foto ist ein Porträtbild der beiden Ombudsleute Esther Girsberger und Kurt Schöbi
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Jahresbericht Ombudsleute: Der Krieg im Nahen Osten das dominierende Thema

Die grauenvollen Geschehnisse im Nahen Osten seit dem 7. Oktober 2023 lösten auch in der Schweiz unzählige Reaktionen aus – und führten zu einer Flut von Beanstandungen. Von den insgesamt 836 Eingaben im Berichtsjahr waren innert zwei Monaten über 80 Beanstandungen auf die Berichterstattung über den Nahost-Krieg zurückzuführen. Mit einigen Ausnahmen waren die Berichte sachgerecht.

Zunahme Online-Beanstandungen

Von den insgesamt 836 Beanstandungen im Berichtsjahr hiess die Ombudsstelle 35 teilweise oder ganz gut. Nach wie vor werden die Informationssendungen am häufigsten kritisiert. Nicht erstaunlich ist ob der zunehmenden Bedeutung der Online-Berichterstattung, dass die Beanstandungen zu Online-Berichten zahlenmässig zunehmen. Zum ersten Mal unterscheidet die Ombudsstelle deshalb zwischen «Online 1st» und «Online 2nd». Mit «Online 1st» werden diejenigen Beanstandungen bezeichnet, die sich explizit auf einen Online-Text beziehen, unabhängig zum dazugehörigen Audio- oder Video-Beitrag. Dies, weil die Redaktionen nicht selten den Online-Bericht zu einem originären Audio- oder Video-Beitrag weiterentwickeln und mit neuen Aspekten versehen. Dadurch entsteht aber eine eigenständige Publikation, die unabhängig vom linear produzierten Beitrag auf Einhaltung der Sachgerechtigkeit begutachtet werden muss. Aus demselben Grund kann bei einer ergänzenden Online-Berichterstattung auch nicht auf den Hauptbeitrag von Video oder Audio verwiesen werden. In den meisten Fällen aber werden die Audio- und Video-Beiträge in Online-Texten ohne Ergänzungen zusammengefasst. Weil die Redaktionen nicht identisch sind, kommt es ab und an zu meinungsverfälschenden Fehlern.

Neben den «Dauerbrennern» Klima, Wolf, SVP und Covid, die auch 2023 regelmässig zu Beanstandungen führen, scheint der Ärger über die Gender-Sprache verraucht oder haben sich die Kritikerinnen und Kritiker daran gewöhnt. Es kommt mittlerweile öfters zu Beanstandungen, die sich darüber beklagen, dass die weibliche Form zu wenig beachtet werde. Indem beispielsweise nur von «Bauern» anstatt auch von «Bäuerinnen» gesprochen werden oder Sportarten, in denen sich die Frauen im Unterschied zu den Männern besonders gut profiliert haben, unterdurchschnittlich beachtet werden.

Nahost-Krieg führt zu Beanstandungsflut

Nicht nur die Redaktionen, auch die Ombudsstelle war seit dem 7. Oktober 2023 überdurchschnittlich gefordert. Der Nahe Osten wird vom Publikum immer genau beobachtet. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel mit den bekannten grauenvollen Folgen nehmen die Beanstandungen nicht ab. Von den insgesamt 836 Eingaben im Berichtsjahr gingen allein innert zwei Monaten über 80 Beanstandungen zur Berichterstattung über den Nahost-Krieg ein. Nicht mitgerechnet weitere 140, die sich auf eine «SRF 4 News»-Sendung bezogen, die aber mit ganz wenigen Ausnahmen anonym blieben und auf welche die Ombudsstelle deshalb zum grössten Teil nicht eintrat.

Der Ukraine-Krieg hatte nach Ausbruch und in den Monaten danach nicht annähernd zu so vielen Eingaben geführt. Und nicht einmal bei der Corona-Pandemie mit über 1000 Beanstandungen sowohl 2020 wie auch 2021 verzeichnete die Vermittlungsstelle innert zwei Monaten so viele Eingaben wie zu den Ereignissen nach dem 7. Oktober 2023.

Drastische Wortwahl

Auch wenn die Ohnmacht gegenüber dem aussichtslos scheinenden Krieg und die persönliche Betroffenheit gewisse emotionale Ausbrüche nachvollziehbar macht: die Ombudsleute waren immer wieder sprachlos ob der heftigen Äusserungen und gewählten Begriffe in den Beanstandungen. Dabei trafen die Vorwürfe der angeblich bewussten einseitigen Berichterstattungen in keiner Art und Weise zu. Weder ist «SRF mitverantwortlich, dass jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Schweiz seit dem Terrorangriff vom 7. Oktober vermehrt Ziel von antisemitischen Anwürfen» sind, wie von der einen Seite kritisiert wurde, noch «unterstützt SRF den Genozid und das Apartheid-Regime von Israel», wie es von der anderen Seite hiess.

SRF ist verpflichtet, ausgewogen zu berichten. Bei dieser emotional so aufgeladenen Situation im Nahen Osten und der Eskalation im Nachgang zum 7. Oktober ist diese Ausgewogenheit umso wichtiger. SRF veröffentlichte seither bis Ende 2023 mehrere hundert Beiträge, inklusive den «Liveticker». Fehler sind bei dieser rund um die Uhr-Arbeit nicht zu vermeiden. Zumal eine besondere Schwierigkeit auch darin liegt, dass die Kriegsparteien propagandistisches Material und Fake News vor allem in den sozialen Medien verbreiten.

Während in den ersten zwei Wochen nach dem 7. Oktober vor allem beanstandet wurde, die Hamas sei verharmlost worden (SRF hielt sich mit der Bezeichnung «Terrororganisation» zurück, da die schweizerische Regierung die Hamas rechtlich noch nicht so einstuft), häuften sich ab Ende Oktober die Beanstandungen, die eine deutliche Verurteilung der israelischen Regierung bei der zunehmenden humanitären Katastrophe im Gazastreifen erwarten.

Verlangt wurde von der einen Beanstandungsseite, dass in jeder Informationssendung erwähnt werde, was und wer der Auslöser des Kriegs ist. Von der anderen Seite wurde erwartet, dass in jeder dieser Ausstrahlungen über die Entwicklung in den besetzten Gebieten das unverhältnismässig ausgelegte Recht auf Selbstverteidigung durch Israel ins Zentrum gerückt werde.

Beanstandungen im Windschatten der Halbierungsinitiative

Seit Einreichung der Initiative «200 Franken sind genug» und der Absicht des Bundesrats, die Haushaltabgabe schrittweise von 335 auf 300 Franken jährlich zu senken, enden sehr viele Beanstandungen mit dem Schlusssatz: «Wir wissen schon, wie wir dann abzustimmen haben.» Bei vielen dieser Eingaben ist offensichtlich, dass die Meinung gemacht ist und die Ablehnung gegenüber dem «staatlichen Sender» nicht wirklich mit dem Inhalt der redaktionellen Sendungen zu tun hat. Es braucht manchmal Überwindung, solchen Kritiken ausführlich, freundlich und objektiv zu begegnen, indem man auf die beanstandete Sendung trotz der wenig fundierten Kritik in einer sorgfältigen Analyse seitens der Redaktion und der Ombudsstelle eingeht.

Unterstützte Beanstandungen in der Minderheit

Weil diese Analyse sorgfältig erfolgt, ist der kleine Prozentsatz der gutgeheissenen Beanstandungen kein Feigenblatt. Auch wenn die Ombudsstelle die Beiträge ab und zu anders gewichten oder eine andere Themenwahl begrüssen würde – die Arbeit der Redaktionen ist sachkundig, vielfältig und überaus beeindruckend.

Zahlenmaterial, Grafiken und den vollständigen Jahresbericht der Ombudsstelle finden sich hier.

Über die Ombudsstelle SRG.D

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Die Ombudsstelle als Institution gibt es im Rundfunkbereich seit 1992. Sie dient erstens dazu, dem Publikum direkt und unkompliziert zu kontaktierende Ansprechpartner:innen zur Verfügung zu stellen. Zweitens fungiert sie als Vermittlungsinstanz vor dem Begehen des Rechtswegs. Und drittens entlastet sie die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). So war und ist auch die Ombudsstelle der SRG.D gleichzeitig offenes Ohr für die Anliegen des Publikums und Verteidigerin der Pressefreiheit.


Text: Ombudsstelle SRG Deutschschweiz

Bild: Gian Vaitl/SRG.D

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