Resonanzradar #10: UEFA Women’s EURO 2025: Steigt durch die mediale Präsenz die Akzeptanz des Frauenfussballs?

Im Rahmen des Dialogfensters zu Grossevents wurde im Resonanzraum eine Online-Umfrage zum Thema Frauenfussball durchgeführt – und zwar unter jenen, die genau wissen, worum es geht: fussballspielende Frauen und Mädchen ab 14 Jahren. Christof Thurnherr, Mitglied des Leitungsteams, gibt Einblicke in die Ergebnisse und erklärt, was als nächstes mit diesen passiert.
Über den Resonanzradar
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Der «Resonanzradar» ist der Blog des Leitungsteams des Publikumsrats der SRG Deutschschweiz. In regelmässigen Abständen informiert es so zu Neuigkeiten und Erkenntnissen aus dem Resonanzraum.
Nun hat sie begonnen, die lange erwartete Fussball-Party. Die Stadien sind bereit, die Public-Viewing-Locations eingerichtet, die Spielpläne studiert und die Tickets organisiert. Auch in den Medien ist der Frauenfussball omnipräsent. Als Leitungsteam interessiert uns, welche Auswirkungen die breite mediale Berichterstattung über die UEFA Women's EURO 2025 auf die gesellschaftliche Wahrnehmung des Frauenfussballs hat – und, ob dadurch die gesellschaftliche Akzeptanz steigt. Verbessern sich die Rahmenbedingungen für Mädchen und Frauen in den Fussballclubs? Führt die zunehmende mediale Präsenz des Frauenfussballs zu mehr Live-Zuschauenden und besseren strukturellen Bedingungen für die fussballspielenden Frauen? Oder ebbt das Interesse der breiten Öffentlichkeit nach dem Grossevent rasch wieder ab, ohne nachhaltige Veränderungen zu bewirken?
«Der Frauenfussball ist noch immer ein Nebenschauplatz»
Die Antworten der Fussballerinnen in unserer Umfrage haben unsere Erwartungen teilweise bestätigt, teilweise aber auch Überraschendes hervorgebracht. Wenig überraschend waren die Rückmeldungen zum Thema Wertschätzung: Der Frauenfussball wird im sozialen Umfeld der Umfrageteilnehmerinnen noch immer oft als «Nebensache» betrachtet: Die Hauptaufmerksamkeit gilt nach wie vor dem Fussball der Jungen und Männer, der in der Gesellschaft einen höheren Stellenwert geniesst.
Die Umfrage «UEFA Women’s EURO 2025: Eine Sommerparty – was bleibt?»
Die nicht repräsentative Online-Umfrage wurde im Zeitraum 28. Mai bis 18. Juni 2025 durchgeführt, mit der Zielgruppe «fussballspielende Frauen ab 14 Jahren (Amateur und Profi)». Insgesamt nahmen 104 Frauen teil; davon waren 80% unter 35 Jahren. Die Teilnehmerinnen sind «überdurchschnittlich fussballinteressiert», bzw. sie spielen nicht nur selbst, sondern informieren sich auch häufig in den Medien (inkl. Soziale Medien) zum Thema Frauenfussball
Überrascht haben uns hingegen die Antworten in Bezug auf das Ausmass und Vielfalt der faktischen Ungleichheiten, mit denen fussballspielende Mädchen und Frauen im Alltag konfrontiert sind. Die Ungleichheiten zeigen sich nicht nur in allgemein bekannten Dingen wie der Entlöhnung von Profi-Spielerinnen, sondern ziehen sich durch fast alle Bereiche des Sportalltags.
Viele Teilnehmerinnen der Umfrage wiesen auf unzureichende oder gar fehlende Infrastrukturen für Frauen hin – etwa schlecht gelegene oder zu wenige Fussballplätze, zu denen Frauen Zugang haben, ohne dabei den Männern etwas streitig zu machen. Auch Garderoben und Trainingsmöglichkeiten auf Kunstrasen sind teils Mangelware. Nach Ansicht der Befragten ist dies nicht nur eine Folge der geringeren Wertschätzung des Frauenfussballs, sondern verstärkt umgekehrt auch die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung des Sports.
«Ist nach der EM der Hype rasch weg?»
Das Leitungsteam wollte wissen: Kann vermehrte Medienpräsenz Abhilfe schaffen? Die Einschätzungen unserer Befragten fallen ambivalent aus. Einige sind der Meinung, dass die Medien – insbesondere die SRG mit nationaler Reichweite und öffentlichem Auftrag – die Funktion eines «Katalysators» haben können. Sie hoffen, dass die verstärkte mediale Präsenz eine Aufwärtsspirale in Gang setzen könnte: mehr Live-Zuschauende, mehr finanzielle Mittel und Sponsoring, eine professionellere Begleitung der Fussballerinnen, und in der Folge wiederum mehr Interesse am und eine positivere Wahrnehmung des Frauenfussballs. In den Worten einer Teilnehmerin: «You can't be what you can't see».
Andere Teilnehmerinnen befürchten, dass das Prinzip Hoffnung nicht reicht. Es bestehen Bedenken, dass «nach der EM der Hype rasch weg ist», oder dass «die Euphorie verpufft und nicht für die Weiterentwicklung des Frauensports genutzt wird». Sie sind überzeugt, dass die mediale Berichterstattung auch ausserhalb von grossen Turnieren konstant intensiviert werden muss, damit die erwähnte Aufwärtsspirale überhaupt in Gang kommen kann.
Und schliesslich stellt sich für die Fussballerinnen die grundsätzliche Frage, ob das «Grösserwerden» des Frauenfussballs – also die Tatsache, dass er vom Nebenschauplatz in den Mainstream des Sports rückt – überwiegend positiv zu bewerten ist. Sie weisen auf mögliche Nebeneffekte hin, die diese Entwicklung mit sich bringen könnte: etwa den Verlust von Authentizität und das Gefühl, dass es beim Frauenfussball vor allem um das Spiel selbst sowie um die damit verbundenen Emotionen und sozialen Erfahrungen geht.
Diese wichtigen Überlegungen der Fussballerinnen, die durch unsere Umfrage sichtbar wurden, werden uns im Resonanzraum weiterhin beschäftigen. Sie fliessen als Diskussionsgrundlage in die weiteren Aktivitäten rund um die Women’s EURO ein. Wir bleiben gespannt, ob sich die Wertschätzung für den Frauenfussball und dessen strukturelle Rahmenbedingungen durch den Grossanlass – insbesondere durch deren mediale Vermittlung – in die gewünschte Richtung lenken lässt.
Zur Person
Christof Thurnherr ist Ombudsmann und Friedensrichter und Mitglied des Leitungsteams Publikumsrat SRG.D.