War «Rundschau»-Beitrag über Exorzismus genügend kritisch?

Das Foto zeigt ein Holzkreuz. Die Jesus-Figur darauf ist aus Metall. Das Kreuz liegt auf einem italienischen Gebetsbuch für Exorzismen.

Exorzismus in der römisch-katholischen Kirche war Thema in der «Rundschau» vom 7. Mai 2025. Ein Beanstander moniert, der Beitrag sei zu wenig kritisch gewesen, das Thema nicht von unabhängigen Fachpersonen eingeordnet worden. Die Ombudsleute sehen keine Verletzung des Radio- und Fernsehgesetzes. Darum geht es in der beanstandeten Sendung

Aktueller Anlass des «Rundschau»-Beitrags über Exorzismus in der römisch-katholischen Kirche war die Papstwahl in Rom, welche zum Ausstrahlungszeitpunkt im Gang war. Zudem hatte das Bistum Lugano wenige Monate zuvor einen neuen Exorzisten gewählt.

Exorzismus:

Die religiöse Praxis, Dämonen auszutreiben, die in Menschen, Tieren, Orten oder Dingen vermutet werden, wird als ‹Exorzismus› bezeichnet.

Nach dem Kirchenrecht [römisch-katholische Kirche, Anm. Redaktion] dürfen nur speziell vom Ortsbischof beauftragte Priester Exorzismus-Gebete über mutmasslich besessene Personen sprechen, um sie vom Teufel oder von Dämonen zu befreien. Die vatikanische Liturgie-Kongregation formulierte die Gebetsformulare 1999 neu. Fester Bestandteil ist eine Anrufung Gottes um Hilfe; zusätzlich kann auch ein Befehl an den Teufel ausgesprochen werden, den Betroffenen zu verlassen. Vorbild des Rituals sind die Dämonenaustreibungen Jesu in den Evangelien.

In der Schweiz verfügt derzeit einzig das Bistum Lausanne-Genf-Freiburg über Exorzisten mit bischöflichem Auftrag. In den anderen Bistümern werden von Fall zu Fall speziell damit beauftragte Priester für Exorzismen aufgeboten.

Quelle: Katholische Internationale Presseagentur (kipa) auf www.kath.ch

In der Sendung kommen verschiedene Gläubige und Vertreter der römisch-katholischen Kirche zu Wort. Es wird auch ein kurzer Ausschnitt aus einem Youtube-Video als «Extrembeispiel» gezeigt und auf die umstrittene Praxis des Exorzismus hingewiesen.

Zu Beginn des beanstandeten Beitrags sind Leute zu sehen, welche die Dienste eines Exorzisten in Anspruch nehmen bzw. nehmen möchten. Ein Priester der Diözese Como berichtet über das entsprechende Angebot in seiner Diözese und grenzt dieses gegenüber anderen Angeboten aus den Bereichen Magie und Esoterik ab.

Ein Pater der Erzdiözese Mailand erklärt, was er während einer Exorzismus-Sitzung macht. Weiter gibt ein Vertreter der Diözese Lugano Auskunft über den neu gewählten Exorzisten. Es folgen Informationen zum verstorbenen Chefexorzisten in Rom, Priester Gabriele Amorth. Dieser hatte mehr als 50 000 Exorzismen vorgenommen.

Zum Schluss wird über die Exorzismus-Praxis im Bistum Chur unter dem verstorbenen Bischof Vitus Huonder informiert. Darauf kommt sein Nachfolger, Bischof Joseph Maria Bonnemain, zu Wort, der das Amt des Exorzisten im Bistum Chur gestrichen hat und primär auf eine Begleitung von Experten wie Psychotherapeuten und Seelsorger setzt.

«Rundschau» vom 7. Mai 2025:

Was wird beanstandet?

Die Hauptkritik des Beanstanders lautet, der Exorzismus sei im «Rundschau»-Beitrag zu wenig kritisch dargestellt worden. Es fehlten wesentliche kritische Einordnungen. Zwar sei die Praxis als umstritten bezeichnet worden, die Umstrittenheit werde jedoch weder vertieft noch seitens der Reporter:innen thematisiert. Auch Einordnungen von unabhängigen Fachpersonen hätten gefehlt.

Den kirchlichen Vertretern sei eine Plattform geboten worden, um relativ ungefiltert ihr Weltbild zu verbreiten und durch medizinethisch fragwürdige Argumente zu untermauern. Diese seien zu wenig kritisch hinterfragt worden, gehe es doch teilweise um schwerste psychiatrische Krankheitsbilder, so der Beanstander.

Ausserdem betrachtet der Beanstander den Beitrag für Minderjährige und sonst vulnerable Personengruppen als problematisch, indem die Würdenträger in unausgewogener Art Besserung mittels exorzistischer Interventionen propagierten.

Was sagt die Redaktion?

Der Beitrag dokumentiere ein reales Phänomen, das in Teilen der katholischen Kirche im In- und Ausland praktiziert werde und auf wachsendes Interesse stosse, schreibt die verantwortliche Redaktion in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Die Berichterstattung biete einen authentischen Einblick in diese Praxis, ohne sie zu dramatisieren oder zu trivialisieren.

Die kritische Distanz sei gewahrt worden, indem mehrfach innerkirchliche Kontroversen rund um Exorzismus erwähnt worden seien. Extreme Internetvideos seien als Extrembeispiele und als umstritten bezeichnet worden. Zudem hätten die Reporter:innen gezielt Fragen zur persönlichen Überzeugung der Geistlichen gestellt.

Der Beitrag habe einen dokumentarischen Charakter. Es seien die Perspektiven der direkt Beteiligten wie Betroffene, Exorzisten und kirchliche Vertreter im Vordergrund gestanden. Weder sei das Phänomen verherrlicht noch verurteilt worden. Die Reportage erhebe nicht den Anspruch, eine medizinische Fachdebatte zur führen, sondern beleuchte ein religiöses und kulturelles Phänomen mit gesellschaftlicher Dimension, schreibt die Redaktion.

Die Spannbreite innerhalb der katholischen Kirche selbst sei ein zentraler Bestandteil des Beitrags. Es werde ein breites Spektrum gezeigt: Von überzeugten Exorzisten bis hin zu Bischof Bonnemain, der das Amt des Exorzisten abgeschafft habe und in erster Linie auf psychologische Begleitung setze.

Das Publikum der «Rundschau» sei in der Lage, die gezeigten Inhalte einzuordnen und sich eine eigene Meinung zu bilden, ist die verantwortliche Redaktion überzeugt. Eine pauschale Warnung oder Einschränkung für Minderjährige erachtet die Redaktion in diesem Fall nicht als verhältnismässig.

Was sagt die Ombudsstelle?

Der Beitrag weise auf den von der römisch-katholischen Kirche immer noch praktizierten Exorzismus in der Schweiz und in benachbarten italienischen Bistümern hin – dies vor dem Hintergrund der Ernennung eines neuen Exorzisten im Bistum Lugano. Dass die römisch-katholische Kirche noch heute offiziell Exorzisten ernenne und Teufelsaustreibungen praktiziere, dürfte vielen Zuschauer:innen nicht bekannt gewesen sein, sind die Ombudsleute überzeugt. Sie erachten es als legitim, diese Praxis und die Situation in verschiedenen Diözesen darzustellen. Der Beitrag sei auch im Rahmen der Programmautonomie zulässig.

Es werde eine gesellschaftliche Realität aufgezeigt, die viele überraschen möge. Es werde dem Publikum jedoch klar, dass es sich um eine kirchliche Praxis handle, die in der Schweiz nur noch selten vorkomme. Es sei auch nachvollziehbar, dass es sich um eine umstrittene Praxis handle, die ausschliesslich von besonders traditionell eingestellten Kirchenvertretern ausgeübt werde. Es werde auch klar, dass es sich auch nicht um eine unter naturwissenschaftlich-medizinischen Gesichtspunkten ernsthaft zu vertretende Praxis handle. Mit den Ausführungen von Bischof Bonnemain werde gezeigt, dass Teufelsaustreibungen auch von einem hochrangigen Vertreter der Schweizer Bischofskonferenz explizit nicht als Mittel zur Heilung bei psychischen oder geistigen Erkrankungen gesehen werde. In den Augen der Ombudsleute sei es somit nicht erforderlich gewesen, zusätzlich wissenschaftliche Einwände gegen Teufelsaustreibungen vorzutragen.

Ausserdem sehen die Ombudsleute im Beitrag keine Gefährdung von Minderjährigen. Denn die kurzen, gezeigten exorzistischen Handlungen seien in den Gesamtkontext eingebettet worden. Ebenso seien sowohl das Format als auch der Sendezeitpunkt offenkundig nicht für Kinder im Primarschulalter geeignet.

Die Ombudsleute erkennen keinen Verstoss gegen die Sachgerechtigkeit oder den Jugendschutz.

Text: SRG.D/dl

Bild: Screenshot SRF/bearbeitet von SRG.D

Tags

Weitere Neuigkeiten