War Kritik an Tantra-Schule in «Impact» zulässig?
Gegen die Sendung «Impact Reportage» vom 24. September 2025 und den zugehörigen Online-Artikel sind bei der Ombudsstelle 136 Beanstandungen eingegangen. Sie kritisieren die Beiträge als einseitig sowie in einzelnen Punkten («Analfisting») als falsch oder unzulässig. Die Ombudsleute unterstützen die Beanstandungen mehrheitlich nicht, sehen die Sachgerechtigkeit jedoch in zwei Punkten verletzt, wodurch der Gesamteindruck die Meinungsbildung des Publikums beeinträchtige.
Darum geht es in der beanstandeten Sendung
In «Impact Reportage» vom 24. September 2025 und im zugehörigen Online-Artikel vom 27. September 2025 geht es um Grenzen und Grenzverletzungen in der Tantra-Szene. Im Zentrum steht die grösste Schule für Tantra-Massagen in der Schweiz, das Bodywork Center. Mehrere ehemalige Schülerinnen und Schüler der Schule erzählen von Machtmissbrauch, Gruppendruck, Grenzüberschreitungen und «sektenähnlichen Strukturen».
In der Sendung «Impact» kommen vier ehemalige Schülerinnen und Schüler der Schule zu Wort. Expertinnen für sexuelle Gewalt geben Einschätzungen ab oder werden in den Beiträgen zitiert. Zudem wird ein Religionsexperte zu den Vorwürfen bezüglich der «sektenähnlichen Strukturen» befragt.
Beanstandete Beiträge:
Beanstandete Beiträge:
«Impact-Reportage» vom 24. September 2025:
Online-Artikel vom 27. September 2025:
«Vorwürfe an Tantra-Schule – Ex-Schülerinnen berichten von Machtmissbrauch in Tantra-Schule»
Was wird beanstandet?
Zu den beiden Publikationen sind 136 Beanstandungen bei der Ombudsstelle eingegangen, darunter drei Eingaben des in den Beiträgen kritisierten Schulleiters. Die meisten Beanstanderinnen und Beanstander erwähnen, dass sie aktuelle oder ehemalige Schülerinnen und Schüler des Bodyworks Centers seien.
Die Beanstander:innen monieren, das Bodywork Center sowie dessen Leiter seien in den Beiträgen nicht sachgerecht dargestellt worden. Es kämen keine Kursteilnehmer:innen zu Wort, welche an der Schule positive Erfahrungen gemacht hätten. Viele Beanstander:innen schreiben von ihren eigenen, positiven Erfahrungen, die grundlegend von den Darlegungen der im Beitrag gezeigten Personen abweichen würden.
Einzelne Beanstander:innen sowie der Schulleiter bezeichnen die Vorwürfe zum «Analfisting» als falsch. Viele der Beanstandenden empfinden die Machart der «Impact»-Sendung als tendenziös. Es werde auch zu wenig zwischen der Tantra-Szene generell und der Tätigkeit der Schule differenziert.
In seinen Beanstandungen betont der Schulleiter, dass das Bodywork Center nie in gerichtlichen Auseinandersetzungen gestanden sei. Ebenso habe die Schule keine Kenntnis von Beschwerden gegen sie bei relevanten Berufsverbänden. Zudem weist er darauf hin, dass sich alle im Beitrag sichtbaren Personen kennen würden und in einem wirtschaftlichen Wettbewerbsverhältnis zu ihm stünden. Dies sei in den Beiträgen nicht transparent gemacht worden.
Die in den Beiträgen gefallene Bezeichnung «Guru» und den Vorwurf von «sektenähnlichen Strukturen» weist der Schulleiter zurück. Die Strukturen der Schule entsprächen einem normalen Schulbetrieb. Der Schulleiter empfindet solche Aussagen als rufschädigend. Ausserdem kritisiert er die im Video erfolgte Nennung eines Vergewaltigungsfalls an einer Tantra-Schule in Tschechien als unzulässig. Die von der SRF-Journalistin erfolgte Distanzierung zwischen dem Vorfall in Tschechien und dem Bodywork Center genüge nicht, um die durch die Nennung «entstehende Suggestion» zu «neutralisieren», so der Schulleiter.
Was sagt die Redaktion?
«SRF Impact» habe einen Hinweis zu Missständen in der Tantra-Szene erhalten, erklärt die verantwortliche Redaktion in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Nach umfangreichen Recherchen und Gesprächen mit zahlreichen, voneinander unabhängigen Personen hätten sich dann verschiedene Kritikpunkte gegenüber dem Bodywork Center ergeben. Diesen sei die Redaktion weiter nachgegangen. Das Bodywork Center bilde gezielt Menschen aus, um in diesem Berufsfeld tätig zu werden. Daher sei es nachvollziehbar, wenn Absolvent:innen, die in diesem Bereich arbeiteten, als Konkurrent:innen wahrgenommen würden. Die Redaktion betont, sie habe keine Hinweise zu einer Kampagne oder orchestrierten Aktion vonseiten der Auskunftspersonen feststellen können.
Die meisten Personen, die SRF befragt habe, hätten die Ausbildung nicht gleichzeitig absolviert. Zudem hätten zwei Expertinnen aus dem Bereich Sexologie und sexuelle Gesundheit gegenüber SRF bestätigt, dass ihnen Missstände im Bodywork Center bereits bekannt gewesen seien.
SRF Impact habe in der Reportage den Fokus auf kritische Stimmen gelegt, da das Bodywork Center als älteste und eine der grössten Tantramassage-Schulen in der Schweiz eine grosse Verantwortung trage, hält die Redaktion fest. Es sei in journalistischen Formaten durchaus üblich, sich auf kritische Aspekte eines Themas oder einer Institution zu fokussieren. Die kritisierte Schule habe umfassend Stellung nehmen können. Man habe die besten Argumente der Schule gebracht. Weiter sei an zwei Stellen im Beitrag erwähnt worden, dass es auch zufriedene Teilnehmende am Bodywork Center gebe. Ebenfalls hätten die Protagonist:innen, die im Beitrag Kritik üben, auch positive Aspekte der Ausbildung hervorgehoben. Die Redaktion verweist in ihrer Stellungnahme zudem auf zwei SRF-Berichte, in denen in einem anderen Zusammenhang positiv über das Bodywork Center berichtet worden sei.
Betreffend «Analfisting» sei weder im Video noch im Online-Text gesagt worden, dass «Analfisting» im Kurs tatsächlich durchgeführt worden sei. Die im Video gezeigte Protagonistin sowie zwei weitere Teilnehmende desselben Kurses berichteten, es sei zuerst um Analmassagen gegangen. Danach habe der Schulleiter gesagt «Wir machen jetzt Fisting». Im Zentrum der Schilderung sei gestanden, dass das Bodywork Center Grenzüberschreitungen in Kauf genommen und nicht adäquat auf das Unwohlsein von Schüler:innen reagiert habe, so die Redaktion.
Mit dem Hinweis auf den Fall des Schulleiters in Tschechien habe man verdeutlichen wollen, dass auch im Ausland Fälle von Grenzüberschreitungen bekannt seien und welche Folgen bei Ausnutzung von Machtverhältnissen entstehen könnten. Die Schule in Tschechien sei in ihrer Ausrichtung mit jener in Zürich vergleichbar. Die Moderatorin habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Fall in Tschechien nicht im Zusammenhang mit der Schweizer Schule stehe.
Was sagt die Ombudsstelle?
In den beanstandeten Beiträgen betreibe die Redaktion anwaltschaftlichen Journalismus. Dieser sei grundsätzlich zulässig, halten die Ombudsleute fest. Allerdings würden für diese Form des Journalismus qualifizierte Anforderungen bezüglich Transparenz und Einhaltung journalistischer Sorgfaltspflichten gelten, da erhebliches materielles und immaterielles Schadensrisiko für direkt Betroffene und Dritte enthalten sei.
Die Ombudsleute halten es programmrechtlich für zulässig, angebliche Missstände in einer bestimmten Institution aufzuzeigen. Trotzdem hätten sie es begrüsst, wenn die Sendung einen kurzen Überblick über die Tantra-Szene in der Schweiz gegeben hätte. Damit wäre es für das Publikum einfacher gewesen, die erhobenen Vorwürfe gegenüber dem Bodywork Center einzuordnen. Dennoch sehen die Ombudsleute hier keine programmrechtlichen Bestimmungen verletzt.
In vielen der kritisierten Punkte stellen die Ombudsstelle in den Beiträgen keinen Verstoss gegen die Sachgerechtigkeit fest. Es sei zulässig, Kritik gegenüber dem Verhalten des Schulleiters zu üben und die Bereiche Machtmissbrauch sowie Grenzüberschreitungen und deren mangelnde Thematisierung in der Ausbildung aufzunehmen. Die Schulleitung habe sich zu allen Vorwürfen äussern können – ebenso zu den Vorwürfen bezüglich «Guru» und sektenähnlicher Strukturen.
In zwei Punkten sehen die Ombudsleute jedoch einen Verstoss gegen die Sachgerechtigkeit: Beim Thema «Analfisting» und beim Hinweis auf den Vergewaltigungsfall in Tschechien.
In Anbetracht der Art und Schwere der Vorwürfe zum «Analfisting» hätten nach Ansicht der Ombudsleute zwingend weitere Abklärungen im Umfeld von Kursteilnehmenden gemacht werden müssen. Insbesondere, da sich die Aussagen der gezeigten Protagonistin und die Stellungnahme des Schulleiters widersprochen hätten. Der Redaktion seien offenbar Hinweise vorgelegen, wonach andere Kursteilnehmende dies anders sehen würden. Diese hätten in den Beiträgen mit ihrer Sicht ebenfalls zu Wort kommen müssen, so die Ombudsleute.
Weiter als unzulässig und nicht sachgerecht erachten die Ombudsleute die assoziative Verknüpfung des Vergewaltigungsfalls in Tschechien vor sieben Jahren mit der schweizerischen Tantra-Szene. Mit dem Hinweis auf den Fall in Tschechien würde auch die Tantrabranche in der Schweiz – und insbesondere das Bodywork Center – dem Generalverdacht schwerer Straftaten gegen die sexuelle Integrität ausgesetzt.
Zusammenfassend stellen die Ombudsleute bei der «Impact»-Sendung einen teilweisen Verstoss gegen die Sachgerechtigkeit in den vorgenannten beiden Punkten fest. Dieser führe dazu, dass auch der Gesamteindruck die Meinungsbildung des Publikums beeinträchtige. Beim Online-Artikel wird in einem Punkt («Analfisting») ein Verstoss gegen die Sachgerechtigkeit festgestellt.
Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 11857/60/76
Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 11759 fff.