«Rundschau» über den «Kampf um Männlichkeit»: wichtig und korrekt
Sechs Personen beanstanden die «Rundschau» vom 17. September 2023: «Ich bin der Boss! Der Kampf um Männlichkeit». Sie monieren, die «Rundschau» habe zu wenig kritische Gegenfragen gestellt und ungenügende Einordnung geliefert. Zudem habe man toxischen Männlichkeitsbildern eine Plattform geboten und zu wenig auf die Gefahren einer solchen Denkweise hingewiesen. Die Ombudsleute kommen zu einem anderen Schluss und unterstützen die Beanstandungen nicht.
Darum geht es in der beanstandeten Sendung
Die «Rundschau» vom 17. September 2025 beschäftigt sich mit dem Comeback von frauenfeindlichen Meinungen und patriarchalen Rollenbildern bei jungen Männern weltweit. «Rundschau»-Journalist:innen gehen dem Phänomen in der Schweiz nach. Sie treffen Anhänger des umstrittenen Andrew Tate in ihrer Villa. Zudem thematisieren sie die «Manosphere», die digitale Gemeinschaft der Maskulinisten. Gemeinsam mit einer forensischen Psychologin geht die «Rundschau» der Frage nach, wann diese neue Männlichkeit gefährlich wird.
Am Beispiel eines Schweizer Rappers und seiner Fans zeigt die «Rundschau» aber auch, wie sich Widerstand gegen diese Form der «Männlichkeit» formiert.
«Rundschau» vom 17. September 2025:
«Rundschau» vom 17. September 2025:
Was wird beanstandet?
Der «Rundschau»-Beitrag hat viele Zuschauer:innen betroffen gemacht. Nicht von ungefähr erfolgt in der Anmoderation eine Triggerwarnung, dass Aussagen und Bilder im Beitrag verstören können. Auch die drei Beanstander und drei Beanstanderinnen zeigen sich schockiert bis ohnmächtig. Ihre Kritik lautet, SRF habe den jungen Männern und ihren «misogynen, toxischen Männlichkeitsbildern» eine Plattform geboten. Dabei habe die «Rundschau» zu wenig kritische Gegenfragen gestellt und Einordnung geboten. Die Gefahren für Gewalt und Femizide seien zu wenig klar aufgezeigt worden. Zwei Beanstanderinnen sehen im Beitrag die Verherrlichung von Gewalt und der «Manosphere».
Was ist «Manosphere»?
Was ist «Manosphere»?
«Manosphere» ist ein Sammelbegriff für die virtuellen Diskursräume (Internetforen, Blogs) jener Männer, die sich selbst als Emanzipationsverlierer sehen und den Frauen und/oder dem Feminismus die Schuld daran geben. Innerhalb der Manosphere gibt es unterschiedliche Strömungen. Sie pflegen Weltbilder, die sich teilweise auch widersprechen. Verbindend ist der Glaube an eine naturgegebene Höherwertigkeit des Männlichen und der Wunsch nach Wiederherstellung einer hierarchischen, undurchlässigen Geschlechterordnung sowie das Beherrschen weiblicher Sexualität.
Gemeinsam ist der Manosphere eine frauenfeindliche Einstellung, von relativ mildem Sexismus bis zu extremem Hass.
Je nach Strömung stehen andere Antworten auf die aktuellen Umbrüche der Geschlechterverhältnisse im Vordergrund:
- Ein Muster ist die Forderung nach (alpha-)männlicher Dominanz und Resouveränisierung, wie sie beispielsweise von Influencern wie Andrew Tate propagiert werden.
- Ein Muster ist die Forderung nach männlicher Souveränität und Unabhängigkeit von Frauen, wie sie beispielsweise von den Men Go Their Own Way propagiert werden.
- Ein Muster ist das Kultivieren von Enttäuschung, Rückzug und Hoffnungslosigkeit, wie sie beispielsweise Incel-Foren dominiert.
Quellen: männer.ch und Wikipedia
Was sagt die Redaktion?
Ziel des Beitrags sei gewesen, ein gesellschaftlich relevantes Phänomen sichtbar zu machen und zur öffentlichen Debatte beizutragen, hält die Redaktion in ihrer Stellungnahme fest. Man habe aufzeigen wollen, welche Attraktivität diese Ideologien für gewisse Kreise hätten, welche Vorbilder dabei eine Rolle spielten und welche Gefahren damit verbunden seien. Die Redaktion weist die Vorwürfe von sich, die Inhalte unkritisch reproduziert und den Protagonisten eine «Werbeplattform» geboten zu haben.
So seien die Aussagen der Protagonisten regelmässig durch gezielte, kritische Reporterfragen eingeordnet worden. Auch eine fachliche Einschätzung sei erfolgt. Eine forensische Psychologin habe die Verbreitung von Frauenfeindlichkeit und die Normalisierung von Gewalt im Netz thematisiert und als gefährlich eingestuft. Zudem verweise man im Beitrag explizit auf die Strafverfahren gegen Andrew Tate und seinen Bruder sowie auf die Gewaltverherrlichung in einschlägigen Foren. Weiter kämen Gegenstimmen zu Wort durch den Rapper Mimiks und junge Konzertbesucher:innen. Am Schluss des Beitrags folge ein vertiefendes und kritisches Interview mit einem der Protagonisten, der sich «Männer-Coach» nennt. Die Moderatorin hinterfrage seine Ansichten kritisch und stelle stereotype Rollenzuschreibungen wiederholt in Frage.
Betreffend Gefährdungspotential und Gewalt dokumentiere der Beitrag explizit den Übergang von harmloseren Männlichkeitsidealen (etwa beim Brauchtum «Banntag» im Baselbiet) hin zu gewaltverherrlichenden Incel-Foren. Es sei für das Publikum klar erkennbar, dass in dieser Szene ein gefährlicher Nährboden für Gewalt gegen Frauen existiere, so die Redaktion.
Was sagt die Ombudsstelle?
Der beanstandete Beitrag zeige ein gesellschaftliches Phänomen auf, das einen Teil seiner Wurzeln im Internet habe, jedoch auch in der realen schweizerischen Gesellschaft existiere, schreiben die Ombudsleute in ihrem Schlussbericht. Es werde vor allem aufgezeigt, dass sich – getrieben von extremen Strömungen im Internet – auch bei jungen Männern in der Schweiz Widerstände gegen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern entwickelt hätten. Diese reichten von diskriminierenden Grundhaltungen und machohaftem Getue bis hin zu Gewaltfantasien und Gewalttaten.
Nach Ansicht der Ombudsleute sei der Bericht weder unkritisch noch verharmlose er frauenverachtende Denkweisen. Der ganze Beitrag strahle mit seiner Dramaturgie und den Hintergrundkommentaren eine kritische Grundhaltung aus. Die gezeigten frauenfeindlichen Anschauungen würden unmissverständlich kritisiert. Zudem würde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gegen Andrew Tate und seinen Bruder Strafverfahren wegen schweren strafrechtlichen Delikten – Vergewaltigung und Menschenhandel – liefen. Es werde von Anfang an klar, dass sich die im Beitrag beschriebene Szene in einem ausgesprochen problematischen Umfeld bewege.
Zwar könne die porträtierte Gruppe junger Männer ausgiebig ihr Weltbild erläutern und sich selbst inszenieren. Es werde jedoch in keiner Art und Weise Verständnis oder Sympathie für deren Ansichten und Handlungen erweckt. Vielmehr würde die Denkweise der porträtierten Personen für die Zuschauer:innen erst fass- und durchschaubar. Es werde das Bild einer Szene gezeigt, die zuweilen sogar einen karikierenden Eindruck abgebe, stellen die Ombudsleute fest.
Die problematischen Seiten und Gefahren solcher Denkweisen werde im Beitrag aufgezeigt und thematisiert, nicht zuletzt durch die Befragung einer forensischen Psychologin des Universitätsspitals Zürich. Den Beizug weiterer Expert:innen erachten die Ombudsleute als nicht erforderlich.
Die Ombudsleute kommen zum Schluss, dass die «Rundschau» weder gegen die Grundrechte und den Jugendschutz noch gegen die Sachgerechtigkeit und die Vielfalt verstossen hat.