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Satire – der unvollständige Nachrichtenersatz

Jon Stewart, Oliver Welke von der «heute-show» oder «Giacobbo/Müller» – Satiriker polarisieren, bringen uns zum Lachen und informieren zugleich über aktuelle und relevante Themen. Wird Satire nun immer mehr zum Nachrichtenersatz?

– Von Olivia Gähwiler

«Sie beisst, lacht, pfeift und trommelt (...) gegen alles, was stockt und träge ist.» Diese Worte als Ansatz einer Definition von Satire waren vor fast hundert Jahren im «Berliner Tagblatt» zu lesen. Geschrieben von Ignaz Wrobel, Pseudonym des Journalisten und Schriftstellers Kurt Tucholsky. Die Satire war für ihn diejenige Kunstgattung, die vieles kann und alles darf. Inwieweit stimmt diese Definition von Satire heute noch? Und wie viel vermag sie wirklich zu bewegen in einer Gesellschaft? Die Macht und Möglichkeiten der Satire wurden im Bildungsseminar der SRG Zürich Schaffhausen «Mehr als nur lustig: Satire als Chance zur Vermittlung journalistischer Inhalte» diskutiert.

«Wie der Journalismus ordnet Satire ein, orientiert über aktuelle oder relevante Themen und kritisiert Missstände auf eine narrative Art», sagte Guido Keel, Journalistik-Dozent und Moderator. Die humoristische Einbettung führe zusätzlich dazu, dass auch komplexe Zusammenhänge für das Publikum leicht verständlich werden. «In den USA bilden sich junge Leute nicht durch die Nachrichten, sondern indem sie die Late Night Show des Satirikers Jon ­Stewart anschauen», sagte Keel. Und das, obwohl sich der US-Komiker vehement dagegen wehrt, seine Arbeit als journalistisch zu betiteln. Auch Kabarettist Viktor Giacobbo, der als Interviewgast am Seminar teilnahm, sieht sich nicht als Journalisten: «‹Giacobbo/Müller› ist eine Late Night Show. Sprich: Unterhaltung, ohne dass der Kopf ausgeschaltet wird.»

Viktor Giacobbo: «‹Giacobbo/Müller› ist Unterhaltung, ohne dass der Kopf ausgeschaltet wird.» Bild: SRF / Oscar Alessio

Zynisch statt informiert

Aber wo liegt der Unterschied zwischen satirischen und journalistischen Inhalten? Ob denn Journalismus einfach geschwätzig sei und Satire es schlicht auf den Punkt bringe, fragte ein Zuschauer. «Wer nur noch Satire anstelle von journalistischen Inhalten konsumiere, würde sehr ­zynisch werden», argumentierte Keel gegen diese These. Es wäre verheerend, wenn eine Gesellschaft nichts und niemanden mehr ernst nehmen könne. Zudem baue Satire auf Journalismus auf. «Wir nehmen oft Themen aus den Medien auf und lassen sie durch den Fleischwolf», ergänzte Giacobbo. Damit die satirischen Sprüche aber auch verstanden würden, brauche das Publikum gewisse Vorkenntnisse. «Wir setzen ein Basiswissen über das Alltagsgeschehen voraus», sagte Giacobbo. Und obwohl Satire bewusst einseitig berichte und überspitze, habe sie Potenzial, eine neue journalistische Form zu werden, sagte Keel: «Satiriker können ebenso zur Meinungsbildung beitragen wie ein Kommentar.»

Guido Keel: «Satiriker können ebenso zur Meinungsbildung beitragen wie ein Kommentar.» Bild: SRF / Oscar Alessio

Der ungewollte Einfluss

Welches Vertrauen das Publikum Satirikern bereits heute entgegenbringt, zeigte sich 2009, als Jon Stewart zum vertrauenswürdigsten Newsman gekrönt wurde. Und als 2011 Italien vier Satireshows zu den Top Five der glaubwürdigsten TV-Sendungen kürte. Auch Deutschland nimmt Satiriker als Journalisten wahr – erhielt doch der Deutsche Satiriker Oliver Welke mit der «heute-show» den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis für Fernsehjournalismus. In der Schweiz sieht man das ein wenig gelassener. Er wolle sich gar nicht zu sehr überlegen, welchen Einfluss «Giacobbo/Müller» auf das Publikum haben könnte, findet Giacobbo selbst. «Unser aller erstes Ziel ist es, zu unterhalten», meinte er. «Wenn wir aber beispielsweise noch jemanden für die Politik begeistern können – umso besser.»

Olivia Gähwiler

THEMENVERWEIS: KABARETTIST MICHAEL ELSENER IM INTERVIEW – «Wenn Satire allen gefällt, läuft etwas schief», LINK 6/2014

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