SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Sendung «Kontext» auf Radio SRF über «Israel und die Radikalisierung» beanstandet

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Mit E-Mail vom 9. Juli 2015 beanstanden Sie den Beitrag zu „Breaking the Silence“ in der Sendung Kontext „Israel und die Radikalisierung“ vom 19. Juni auf Radio SRF 2. Den Erhalt Ihrer Eingabe habe ich mit meinem Brief vom 13. Juli bereits bestätigt.

Wie üblich, habe ich die Verantwortlichen von Radio SRF gebeten, zu Ihren Kritiken Stellung zu beziehen. Dies ist erfolgt und in der Zwischenzeit habe ich die von Ihnen kritisierte Sendung analysieren können. Ich bin somit in der Lage, Ihnen heute meinen Schlussbericht zu senden.

1. Sie begründen Ihre Eingabe wie folgt:

„Breaking the Silence ist eine israelische NGO, die kürzlich in der Helferei Zürich in Form einer Ausstellung mit Begleitprogramm präsent war.

Ja, was erzählen denn Dana Golan, Yehuda Shaul und die anonymisierten Stimmen von Soldaten schwerpunktmässig? – Da ist die Rede von einer Veteranenorganisa­tion, die Rede von wir und nochmals wir etc., als wäre BtS repräsentativ und zah­lenmässig bedeutend. Wir hören eine Menge unschöner, hässlicher Stories über die israelische Armee. Es wird diffamiert, angeklagt, – endlose Geschichten, wirkungs­voll begleitet von Kampflärm. Behauptung reiht sich an Behauptung, – es liegen ja keine Beweise vor. Ich höre, dass die IDF keine defensive Aufgabe habe, sondern in der Offensive gegen die palästinensische Unabhängigkeit sei. Es gehe um eine kollektive Bestrafung der Palästinenser.

Die Armee behaupte, sie untersuche Fälle. In der Regel untersuche sie aber nur Ein­zelfälle von untergeordneten Soldaten, die zum Beispiel ein Haus geplündert, daraus Geld gestohlen und palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilder ge­braucht hätten. Angesichts solcher Einsatzregeln und Verhaltensweisen glaube man nicht, dass interne Ermittlungen ausreichen, dafür solle eine unabhängige Instanz in Israel zuständig sein...(auch hier bleibt man jegliche Beweise schuldig..).

Die Armee habe auf den Bericht reagiert. BtS habe sich geweigert, ihr Beweise vor­zulegen, es sei ihr (sagt die Armee) daher nicht möglich, den Fällen nachzugehen. Dazu kommt die Anonymität der Zeugen.

...Zum Glück prüfe man alles nach, was im Geringsten ungewöhnlich erscheine...!l (erstaunlich, diese militärische Fachkompetenz!)

Yehuda Shaul sagt u.a., das Militär solle ein Mittel der Verteidigung sein, nicht ein Mittel der Unterdrückung und Besatzung.

Dana Golan: Es gäbe keinen Friedensprozess, alle 2 Jahre führe man eine Opera­tion im Gazastreifen durch, viele Soldaten kehrten nicht zurück, sie töten Palästinen­ser und zerstören deren Häuser...

Meine Kritik:

Erstaunlich, was so einige Aktivisten alles zu wissen glauben..., aber es ist offenbar Manna für viele, die auf solche Botschaften geradezu warten, nicht zuletzt, um ihrem modernen Antisemitismus sprich Antiisraelismus ein Stück Rechtfertigung aufsetzen zu können. Und SRF hilft wacker und einseitig bei der Verbreitung der bewusst anonym gehaltenen und damit verlogenen Botschaft dieser Leute mit.

Was ist in dieser Sendung falsch gelaufen? Da darf eine linke NGO reisserische und empörende Geschichten über die eigene Armee erzählen.... und niemand sei­tens Armee und Staat Israel kann dazu in der Sendung Stellung nehmen – eine buchstäblich einseitige und damit irreführende Sendung! Sie ist nicht nur einseitig, sondern dämonisiert auf heuchlerische Art Israel und dessen Armee. Die hetzerische Botschaft von BtS erinnert geradezu an antijüdische Geschichten in den Medien des Dritten Reichs. Sendungen dieser Art sind sehr wohl geeignet, Antisemitismus und Hass gegen Israel zu schüren.

Prof. G. Steinberg von NGO-Watch hat sich intensiv mit BtS befasst. Wieso kann er sich nicht äussern? Wo ist der Vertreter der Armee, um eine Stellung­nahme abzugeben? Wo bleiben die Stimmen der gegen BtS protestierenden israelischen Soldaten?

Welche meinungsbildenden Informationen wurden der Hörerschaft vorenthal­ten?

Sogar die linke ‚Haaretz‘ schreibt, dass Breaking the Silence klare politische Ziele verfolge und daher nicht länger als Menschenrechtsorganisation klassifiziert werden könne.

Keine Armee ist perfekt, einige Vorfälle sind vielleicht geschehen, viele nicht oder nicht wie beschrieben...Zentral ist, dass BtS sich auf unglaubwürdige Art und Weise weigert, sich an die zuständige Stelle der Armee zu wenden, damit diese die Vor­würfe prüfen kann, sie – falls zutreffend – ahndet und Massnahmen trifft. Aber so können die anonymen Berichte, die Details, Ort und Zeit verschweigen, nicht untersucht – und was wohl die Absicht ist – auch nicht widerlegt werden. Andere NGO’s arbeiten mit der Armee zusammen.

So spielt BtS Ankläger und Richter und schliesst dabei bewusst den Angeklagten, Untersuchungsrichter, Verteidiger und Entlastungszeugen aus. Das erinnert an die sogenannten Schauprozesse unter Stalin und anderen...BtS missachtet jegliche Rechtsordnung!

BtS vermittelt Gerüchte, Spekulationen – eben nicht Überprüfbares, arbeitet mit Suggestivfragen, ignoriert Kampf- und Gefahrensituationen. Es gibt Spender, die von BtS ausdrücklich möglichst viele, sogar eine Mindestanzahl Negativberichte verlan­gen...

BtS verschweigt die Massnahmen der israelischen Armee zur Vermeidung ziviler Opfer auf palästinensischer Seite.

Oberst Kemp (ehem. brit. Kommandant in Afghanistan): ‚Während der Operation Cast Lead (2009) hat die israelische Armee mehr getan, um die Interessen von Zivi­listen in einer Kampfzone zu wahren, als jede andere Armee in der Geschichte der Kriegsführung.‘ (Aussage vom 16.10.2009 vor dem UNO-Menschenrechtsrat)

US-Generalstabschef Dempsey am 06.11.2014 zum Gazakrieg 2014: ‚Ich denke, dass Israel ausserordentlich viel getan hat, um Kollateralschäden und zivile Opfer einzuschränken.‘

BtS verschweigt bewusst Kriegsverbrechen und Terror von palästinensischer Seite.

  • Hamas bringt der eigenen Bevölkerung bewusst Leid und Tod – frohlockend darüber, dass die antiisraelischen Medien nicht sie, sondern Israel anklagen!
  • Hamas wählte Stützpunkte in Wohnquartieren, in Spitälern, in Schulen.
  • Tausende Hamas-Raketen sind seit Jahren auf Israel abgeschossen worden. Die Bewohner Südisraels – Kinder und Erwachsene – sind davon traumatisiert.
  • Die Hamas baut erneut Tunnel nach Israel als Ausgangsbasen für Anschläge.
  • Beim Bau von Tunnel starben über 150 Kinder.
  • Die Satzungen von PLO/Fatah und Hamas rufen zur Vernichtung Israels auf!

Breaking the Silence hat mehr den Charakter einer Fünften Kolonne. In der Sendung ist keine Rede vom Recht Israels auf Selbstverteidigung und darauf, dass seine Be­wohner ein Recht auf Sicherheit und Schutz vor Terror, Raketen und Attentätern haben. Dass es israelhasserische Israelis gibt, ist nicht neu. Als ich einen Rabbiner in Israel darüber befragte, meinte dieser, es gäbe eben in jeder Kiste Äpfel einige faule Exemplare...

Zum von BtS mantramässig benutzten bad word ‚Occupation, Besetzung‘: 1967 hat Israel Judäa/Samaria (sog. Westjordanland) zurückerobert (nach 19 Jahren illegaler Besetzung durch Jordanien). Gemäss internat. Kriegsrecht gilt für dieses Territorium bis zu einer rechtsgültigen Regelung der Status ‚besetzt‘. Uebrigens bestimmt das Ausmass palästinensischer Gewalt- und Terrorakte den Umfang der Armeepräsenz. Im Jahr 2013 waren es in der sogenannten Westbank über 5'000.

Ich habe mich während Wochen intensiv mit dem Thema BtS resp. deren Ausstel­lung befasst, weshalb es dazu einiges zu sagen gibt. In Bern nahm ich an einem Gespräch mit Yehuda Shaul teil. Der Mann wusste oft nicht, was antworten. Ich beanstande, dass SRF sich hier in die völlig einseitige und hetzerische Strategie einer israelischen NGO hat einbinden lassen. Was ist wohl der Grund – oder war die Versuchung einfach zu gross...?“

2. Wie bereits erwähnt, haben die Verantwortlichen von Radio SRF zu Ihren Kritiken Stellung bezogen. Ich möchte Ihnen das Schreiben von Frau Franziska Baetcke, Programmleiterin Radio SRF 2 Kultur, nicht vorenthalten. Sie schreibt Folgendes:

1. Zur Beanstandung an sich:
a) Herr X richtet sich in seiner Beanstandung gegen einen ‚Beitrag‘ in der Sen­dung KONTEXT vom 19. Juni 2015 und beanstandet dabei eine Verletzung der Konzession, insbesondere (wenn auch nicht explizit) die Verletzung des Gebots der Sachlichkeit und der Ausgewogenheit. Der inkriminierte ‚Beitrag‘ allerdings war nur eines von insgesamt vier Elementen einer Sendung unter dem Titel ‚Israel und die Radikalisierung‘, die sich dem Radikalisierungsmoment in Israel insgesamt widmete.

b) Folglich darf der beanstandete ‚Beitrag‘ auch nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Rahmen der Gesamtsendung, die, wie noch darzulegen sein wird, auf den Beitrag ‚Breaking the Silence – mehr als eine Bewegung‘ Bezug nimmt und reagiert. Das Gebot der Sachlichkeit und der Ausgewogenheit bezieht sich denn auch nach gängiger Rechtsprechung nicht auf einzelne Elemente einer Sendung (diese können bewusst provokativ, einseitig, auch zugespitzt sein); ausschlaggebend ist vielmehr die Gesamtaussage im Beitrag oder auch der Gesamtausdruck.

2. Einleitend

Aus Sicht der Programmleitung von SRF 2 Kultur liegt in dieser Sendung keine Verletzung der Konzession vor. Die Sendung argumentiert sachgerecht und ist in ihrer Gesamtheit transparent und nachvollziehbar.

3. Im Einzelnen

a.) Herr X rügt unter ‚Meine Kritik‘, es habe ‚niemand seitens Armee und Staat Israel in der Sendung Stellung nehmen‘ können, die Sendung sei ‚irreführend‘ gewesen.

Diese Aussage ist unzutreffend.

> Im Gespräch mit Yves Kugelmann, Chefredakteur der Zeitschrift Tachles, kommt die Sicht Israels zur vollen Geltung – unter Bezugnahme auf das eigent­liche Thema der Sendung, nämlich ‚Israel und die Radikalisierung‘. Hier wird kontextualisiert, die Rolle Israels im Fernen Osten erläutert, die Spaltungen innerhalb der israelischen Gesellschaft aufgezeigt und es wird erklärt, wie es zu einer Zunahme des Hasses in Israel kommen konnte; im Interview wird ins­besondere auf die politische Entwicklung in Israel und auf die Frage nach der Zweistaatenlösung eingegangen. Das Gespräch mit Yves Kugelmann nimmt in der Sendung viel Platz ein, die Sendung eröffnet mit diesem Experten und Vermittler, dem aus Sicht der Programmleitung eine differenzierte Einschätzung in ‚Israel-Fragen‘ allgemein zugetraut werden darf.

> Darüber hinaus wird der Beitrag zu ‚Breaking the Silence‘ in den folgenden Beiträgen kommentiert, vertieft und durchaus auch kritisch reflektiert. So nimmt die Politologin Muriel Asseburg in ihrem Interview fundiert und differenziert Stellung zum israelisch-palästinensischen Konflikt, zu den gescheiterten Frie­densbemühungen und zur Politik Israels; die Hörerinnen und Hörer konnten sich anhand dieses zweiten Beitrags in der Sendung durchaus ein differenziertes Bild darüber machen, inwiefern die Bewegung ‚Breaking the Silence‘ ein Produkt ist einer Verhärtung der Fronten innerhalb Israels.

> Auch im dritten Beitrag der Sendung, in dem der Politikwissenschaftler Nae’em Nasheed zu Wort kommt, wird erklärt, inwiefern Israel mit einer Politik des ‚ethno­kratischen Staates‘ in seinem Fundament auf eine Spaltung zwischen Palästi­nensern und Israelis abzielt. Wie schon im zweiten Beitrag ist auch dieser geeig­net, dem Hörer und der Hörerin die tiefen Strukturen des israelischen Staats­wesens zu verdeutlichen und klar zu machen, vor welcher Folie die heute sich abspielenden Radikalisierungen stattfinden; das ist Vertiefung, Klärung und Ver­mittlung von Verständnis.

b.) Herr X rügt weiter, Sendungen dieser Art seien ‚sehr wohl geeignet, Antisemitismus und Hass gegen Israel zu schüren‘.

Auch diese Aussage ist unzutreffend.

> Die Grundaussage der Sendung, bei der es um Radikalisierungstendenzen in der israelischen Gesellschaft und Politik geht, ist in der Anlage bereits darauf angelegt, die Lage in Israel einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Diese Haltung ist journalistisch und auch von der Konzession der SRF gedeckt, wenn diese Haltung transparent gemacht wird und wenn innerhalb der Sendung auch Stimmen zur Sprache kommen, die eine andere Sicht der Dinge einbringen. Dies war in dieser Sendung zweifellos der Fall (siehe oben 3.a.).

> Zum anderen kann Herr X seine Aussage nicht belegen, wonach die Sen­dung ‚Antisemitismus und Hass‘ zu schüren vermöchte. Ein journalistisches Pro­dukt nach der Wirkung bei der Hörerschaft beurteilen zu wollen, ist nicht nur methodisch ein schwieriges und aufwendiges Unterfangen; es lässt sich denn auch nicht vorab, im Sinne einer Vorabklärung vor Ausstrahlung realisieren und würde in letzter Konsequenz jedwelche Sendung nur schon wegen ihrer mögli­chen Wirkung bei einem einzelnen verhindern (eine Sendung zum Suchtverhal­ten Jugendlicher durchaus einzelne Jugendliche zum Rauchen animieren, eine Sendung zu Gewalt kann tatsächlich einen Einzelnen zur Gewalt anstiften und so weiter)

Weiter rügt Herr X, es seien der Hörerschaft ‚meinungsbil­dende Informationen‘ vorenthalten worden.

Diese Aussage ist unrichtig

> Einerseits weist die ganze Sendung, wie oben dargelegt, ein breites, durchaus vielfältiges und vielstimmiges Meinungsspektrum zum Thema (‚Radikalisierung‘) auf.

> Andererseits zielt die Argumentation von Herrn X am eigentlichen Thema der Sendung vorbei; denn es geht in dieser ja nicht exklusiv um die Bewegung ‚Breaking the Silence‘, sondern (wie bereits dargelegt) eben um die ‚Radikalisie­rung‘. Und innerhalb dieses Themas wird ‚Breaking the Silence‘ als Phäno­men unter anderen dargestellt, aus aktuellen Gründen (Ausstellung in Zürich, geplante Ausstellung in Köln).

> Zum Dritten äussert sich Herr X in einer polemischen Art und Weise zur Bewegung ‚Breaking the Silence‘. Diese Meinung zu vertreten, ist sein persönli­ches Recht, und es verbietet sich an dieser Stelle, diese Meinungsäusserungen zu kommentieren.

Obwohl nicht explizit, so rügt Herr X doch implizit, die Sendung habe sich nicht mit den ‚Kriegsverbrechen und Terror von palästinensischer Seite‘ auseinandergesetzt.

> Wie bereits mehrfach dargelegt, war diese Frage nicht Thema der Sendung.
> Aber selbst wenn man der Argumentation in der Rüge von Herrn X folgen möchte, sei abermals auf das Interview mit Muriel Asseburg verwiesen, in der auf die inneren Widersprüche der palästinensischen Führung, auf die Raketenan­griffe auf Israel, auf das israelische Recht zur Verteidigung und auf die Einhal­tung des humanitären Völkerrechts verwiesen wird. Insofern wird auch unter diesem Aspekt das Gebot der Sachgerechtigkeit und der Ausgewogenheit res­pektiert; und es sei auch nochmals auf das rahmende Gespräch mit Yves Kugel­mann hingewiesen, der ebenfalls die Sicht Israels in wesentlichen Punkten erläutert.

4. Zusammenfassend:

Herr X hat sich in seiner Beanstandung nur auf ein Element der Sendung fokussiert; damit greift seine Argumentation zu kurz. In der Sache selbst äussert er seine persönliche Meinung zur Bewegung ‚Breaking the Silence‘; dass er diese für eine Bewegung hält, die an die ‚Medien des Dritten Reichs‘ erinnert, ist ihm unbenommen. Aber die eigene Meinung zum Massstab für die inkriminierte Sendung zu machen, ist nicht zielführend – umso weniger, als seine Kritik, wie dargelegt, nur auf einen Teilaspekt der Sendung fokussiert.“

3. So lautet die umfassende Stellungnahme von Frau Franziska Baetke, Programm­leiterin Radio SRF 2 Kultur. Nachdem ich die Angelegenheit analysieren konnte, scheinen mir die Argumente von Frau Baetke sehr überzeugend zu sein. In meiner eigenen Beurteilung kann ich mich deshalb kurz halten.

Ich stelle zuerst fest, dass wie mit dem Titel „Israel und die Radikalisierung“ deutlich ankündigt wurde, es in der Sendung „Kontext“ vom 19. Juni nicht lediglich um die Organisation „Breaking the Silence“ ging, sondern vielmehr um die Frage der Verhärtung der politischen Lage in und um Israel. Diese wichtige und hochaktuelle Frage wurde in vier Beiträgen behandeln: „Aussichtslose Perspektiven – Israel und die besetzten Gebiete“ (ein Gespräch mit Muriel Asseburg, Forscherin bei der Stiftung Politik und Wissenschaft in Berlin), „Israel, ein ethnokratischer Staat?“ (die Meinung des südafrikanischen Autors Na’eem Jeenah), „Zwischen den Fronten – das Gespräch mit Yves Kugelmann“ sowie „Breaking the Silence – mehr als eine Bewegung“. Ich teile deshalb die Auffassung von Frau Baetke, wonach der Beitrag „Breaking the Silence – mehr als eine Bewegung“ nicht isoliert, sondern im Rahmen der ganzen Sendung angesehen und beurteilt werden muss. Ich gehe davon aus, dass auch Sie diese eindeutige Ausgangslage teilen können.

In Ihrer Beanstandung kritisieren Sie nicht die ganze Sendung an sich, sondern lediglich den Teilbeitrag betreffend die Organisation „Breaking the Silence“, welche durch regierungskritische israelische Soldaten und Reservisten im Jahr 2004 gegründet wurde.

Sie monieren, dass sich SRF „in die völlig einseitige und hetzerische Strategie einer israelischen NGO“ einbinden lassen habe. Sie werfen der Sendung vor, dass eine linke NGO reisserische und empörende Geschichten über die eigene Armee erzählen dürfte, und niemand seitens Armee und Staat Israel dazu Stellung nehmen konnte. Dabei hätte BtS mehr den Charakter einer Fünften Kolonne und ihre hetzerische Botschaft erinnere geradezu an antijüdische Geschichten in den Medien des Dritten Reichs. Solche Sendungen – so Ihre Argumentation – „sind sehr wohl geeignet, Antisemitismus und Hass gegen Israel zu schüren“.

Soweit die wesentlichen Elemente Ihrer Kritik. Ich nehme Ihre deutliche Meinung zu dieser Organisation zur Kenntnis, muss aber klar unterstreichen, dass es nicht Aufgabe der Ombudsstelle sein kann, „Breaking the Silence“ und ihre Tätigkeit zu beurteilen. Viel mehr hat sie folgende zwei Hauptfragen zu beantworten. War es zulässig, dass im „Kontext“ die zwei aktiven Träger der Bewegung „Breaking the Silence“, Dana Golan und Jehuda Shaul, im Gespräch mit Rebecca Hillauer derart ausführlich über die Organisation und ihre ablehnende Auffassung über Kriegseinsätze Israels und den Alltag in den palästinensischen Gebieten berichten durften? wurde das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt, weil kein Vertreter der israelischen Regierung oder Armee dazu Stellung nehmen konnte?

Nachdem ich die Sendung sehr genau studieren konnte, gelange ich zu einer anderen Auffassung als Sie. Dabei hat sich die Ombudsstelle nach der Praxis der Unabhängigen Beschwerdeinstanz UBI sowie des Bundesgerichtes zu richten. Sie kennen die wesentlichen Elemente dieser Praxis aus Ihren früheren abgewiesenen Beschwerden (ich beziehe mich insbesondere auf die UBI-Entscheide vom 12. September 2013 betreffend die Sendung „Perspektiven“ sowie vom 6. Dezember 2013 betreffend „Sternstunde Religion“). Ich brauche deshalb nicht allzu ausführlich über die gewährleistete Programmautonomie von Radio und Fernsehen zu argumentieren sowie über die Praxis, wonach das Gebot der Sachgerechtigkeit für die einzelne Sendung keine Ausgewogenheit im Sinne einer möglichst gleichwertigen Darstellung aller Standpunkt erfordert.

In einer Sendung, welche die Radikalisierung der Politik im Israel behandelte, ist es deshalb grundsätzlich zulässig, das Thema aus einem bestimmten Blickwinkel zu beleuchten, ohne das Sachgerechtigkeitsgebot nach Art. 4. Abs. 2 RTVG zu verletzen. Voraussetzung dafür ist aber, dass dies in transparenter Weise geschieht und die wesentlichen Fakten korrekt vermittelt werden.

Dies war in der Sendung „Kontext“ vom 19. Juni eindeutig der Fall. Bereits in der An­moderation nimmt Hansjörg Schultz zur Ausstellung im Kulturhaus Helferei in Zürich Bezug, und betont, dass es sich bei „Breaking the Silence“ um eine kritische Ausstel­lung über das Handeln von israelischen Soldatinnen und Soldaten in den besetzten palästinensischen Gebieten handelt. Er erinnerte daran, dass der israelische Bot­schafter in der Schweiz ohne Erfolg dagegen protestiert hatte. „Warum diese Un­sicherheiten, warum diese Angst Israels oder auch hiesiger Politiker vor einer kriti­schen Auseinandersetzung mit der Armee? Dieser Frage gehen wir heute im Kontext nach“: mit diesen Worten kündigte er den Fokus der Sendung transparent an.

Bevor die zwei Vertreter von BtS im Gespräch mit Rebecca Hillauer die kritische Meinung ihrer Organisation zur israelischen Armee ausführen konnten, hatte Yves Kugelmann, Chefredaktor der jüdischen Wochenzeitung „Tachles“, im Studio die Gelegenheit, die Gründe für die diskutierte Verhärtung zu analysieren sowie insbesondere aus der Sicht von Israel zu begründen. Herr Kugelmann hat in einem gewissen Sinn die von Ihnen kritisierte Abwesenheit in der Sendung eines Vertreters der Armee und des Staates Israel ersetzt.

Durch die eindeutige Ankündigung des Moderators sowie die Erklärungen von Herrn Kugelmann war das Publikum somit durchaus in der Lage, von vornherein die Kritiken von „Breaking the Silence“ differenziert zu werten und als „Parteimeinung“ zu relativieren.

Dass „Breaking the Silence“ in Israel sehr kontrovers beurteilt wird und stark polarisierend wirkt, sollte unbestritten sein. Auch wenn linksgerichtete Israeli die Wächterfunktion der Organisation befürworten, scheint die Mehrheit der Bevölkerung die Auffassung von Regierung und Armee zu teilen und zeigt kein Verständnis für diese Form der Kritik an der eigenen Armee. Dies sollte aber kein Grund sein, nicht über diese Organisation und ihre Ansichten zu berichten. „Die Demokratie braucht Kritiker. Was den Freunden Israels zusteht, muss auch jenen Stimmen gestattet sein, die sich auf kritische Weise für Israel einsetzen – wie die Macher der Ausstellung ‚Breaking the Silence‘“, kommentiert der Historiker Georg Kreis.

Denn der Vorwurf, wonach die israelische Militärführung das Völkerrecht verletzen würde, wiegt schwer. Gerade in einem Land, das für sich einen hohen Moralkodex beansprucht, verdient diese Frage, diskutiert zu werden. Dies ist auch der Grund, warum der Bund „Breaking the Silence“ von 2012 bis 2016 mit insgesamt 158.000 Dollar finanziell unterstützt und für die Zürcher Ausstellung einen Beitrag von 15.000 Franken bezahlt hat, was eine Protestnote des israelischen Botschafters in der Schweiz zur Folge hatte. Gemäss EDA ist die Stärkung des humanitären Völkerrechts im Nahen Osten eine strategische Priorität und BtS würde sich nahtlos in diese strategische Priorität einfügen. Anders als Sie erachte ich es deshalb als absolut zulässig, wenn „Kontext“ nebst anderen Aspekten der behandelten Radikalisierung in Israel und im Nahen Osten auch die Auffassung von BfS berücksichtigt.

Auch Ihren Vorwurf, wonach die Sendung geeignet war, Antisemitismus und Hass gegen Israel zu schüren, kann ich nicht nachvollziehen. Gewiss, die Vorwürfe von „Breaking the Silence“ gegenüber der israelischen Armee sind schwerwiegend. Doch sie wurden sachlich begründet und ohne Hetze formuliert. Das Existenzrecht von Israel wurde in keiner Weise in Frage gestellt. Die in der Sendung geäusserte Kritik gegenüber der israelischen Armee steht daher nicht in Widerspruch mit den rechtlichen Bestimmungen gegen Diskriminierung und Rassenhass im Sinne von Art. 4. Abs. 1 RTVG.

Aus all diesen Überlegungen gelange ich zur Auffassung, wonach sich das Publikum über das diskutierte Thema der Radikalisierung in und um Israel insgesamt eine eigene Meinung bilden konnte. Ihre Beanstandung, soweit ich darauf eintreten konnte, kann ich deshalb nicht unterstützen.

4. Ich bitte Sie, das vorliegende Schreiben als meinen Schlussbericht gemäss Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes RTVG entgegenzunehmen. Über die Mög­lichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen UBI (Monbijoustrasse 54A, Postfach 8547, 3001 Bern) orientiert Sie der beiliegende Auszug aus dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen.

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