«Rundschau»-Beitrag über den Therme-Verkauf in Vals beanstandet

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Sie haben durch Ihren Anwalt Dr. X mit Brief vom 29. März 2016 den Beitrag „Eskalation in Vals“ samt dem Interview mit Ihnen in der Sendung „Rundschau“ des Fernsehens SRF vom 9. März 2016 beanstandet. Die Beanstandung erfüllt alle formalen Bedingungen. Ich kann daher auf sie eintreten.

Es ist eher unüblich, dass man sich im vorwiegend formlosen Verfahren vor der Ombudsstelle anwaltlich vertreten lässt. Wenn Anwälte im Spiel sind, werden eigentliche Rechtsschriften eingereicht, die von vielen Beweismitteln begleitet sind. Dies ist auch hier der Fall: Die Beanstandung Ihres Anwalts umfasst 13 Seiten, ergänzt durch 39 Seiten Beilagen. Die Stellungnahme der zuständigen Redaktion wiederum umfasst sieben engbeschriebene Seiten, ergänzt durch 24 Seiten Beilagen. Ich werde in diesen Schlussbericht nicht das ganze Material integrieren, sondern die Begründung der Beanstandung genau so zusammenfassen wie die Stellungnahme der Redaktion. Selbstverständlich hat die Redaktion die ausführliche Begründung samt Beilagen gesehen. Ebenso werden Sie und Ihr Anwalt als Beilage zu diesem Schlussbericht die vollständige Stellungnahme der Redaktion samt Beilagen erhalten. Aber der zur Veröffentlichung bestimmte Schlussbericht ist gewissermaßen eine Kurzfassung des Ganzen.

Rekapitulieren wir kurz die Fakten: Die Therme Vals, bestehend aus Hotel und Bad (Firma Hoteba), die bisher der Gemeinde Vals gehörte, stand zum Verkauf. An der Gemeindeversammlung vom 9. März 2012 setzte sich Ihr Angebot gegen das des Architekten Peter Zumthor durch. Der mit Ihnen vereinbarte Verkaufspreis belief sich auf 7,8 Millionen Franken; Sie sagten Investitionen zu und planen außerdem einen spektakulären Hotelturm. „Die Gruppe besorgter Valser Bürger“ focht den Verkauf mit rechtlichen Schritten an und mutmasste, dass der Verkaufspreis wegen stiller Reserven viel zu niedrig gewesen sei. Dem widmete sich die Sendung „Rundschau“ in ihrem Beitrag vom 9. März 2016. Im Beitrag kamen verschiedene Valser zu Wort, von denen sich die meisten kritisch zur jüngsten Entwicklung äußerten. Zur Sprache kam ein neues Gutachten einer „renommierten Treuhandgesellschaft“, das die „Gruppe besorgter Valser Bürger“ in Auftrag gegeben habe und das auf eine große Summe stiller Reserven hindeute, die im Verkaufspreis nicht abgebildet worden seien. Der Buchwert der Therme habe bei 17,8 Millionen Franken, der Versicherungswert bei 73 Millionen Franken gelegen. Zwei Hochschulprofessoren, Peter Ilg von der Zürcher Hochschule für Wirtschaft, und Hato Schmeiser von der Universität St. Gallen, erläuterten die Problematik von stillen Reserven, und der Versicherungswirtschaftler Schmeiser ging im konkreten Fall davon aus, dass in der Therme Vals tatsächlich stille Reserven liegen. Im Interview konnten Sie zu all diesen Fragen ausführlich Stellung nehmen.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung im Wesentlichen wie folgt: Die „Rundschau“ habe „das Sachgerechtigkeitsgebot gleich in mehrfacher Weise verletzt“, denn

  • das erwähnte „,Gutachten‘ stammt nicht von einer ‚renommierten‘ Treuhandgesellschaft“;
  • Sie seien von der „Rundschau“ „bewusst über die Herkunft des ‚Gutachtens‘ getäuscht“ worden und somit nicht in der Lage gewesen, „das ‚Gutachten‘ richtig einzuordnen und im Interview angemessen dazu Stellung zu nehmen“;
  • „Dem Publikum wurde ein ‚Gutachten‘ gezeigt, das nicht dem Originaldokument entsprach“;
  • „Das ‚Gutachten‘ wurde nicht im Auftrag der ‚Gruppe besorgter Valser Bürger‘ erstellt“, sondern von einer Person, die dieser Gruppe zwar nahestehe, ihr aber nicht angehöre. „Das Publikum erfuhr nichts davon und wurde falsch informiert“;
  • „Das ‚Gutachten‘ stammt nicht von einer neutralen Treuhandgesellschaft und ist nicht objektiv“. Es sei von einem Professor, gegen den eine von Ihnen angestrengte Strafuntersuchung laufe, als Entlastungs-Argumentationshilfe bestellt worden. Der Auftraggeber sei also nicht neutral gewesen. „Das Publikum erfuhr auch davon nichts und war deshalb, wie der Beanstandende, nicht in der Lage, das ‚Gutachten‘ richtig einzuordnen“;
  • Das ‚Gutachten‘ sei für den Auftraggeber „persönlich/vertraulich“ erstellt worden „und nicht für die Veröffentlichung bestimmt.“ Dass es der „Rundschau“ trotzdem zugespielt worden sei, „weist deutlich auf einen Instrumentalisierungsversuch hin. Das Publikum erfuhr nichts davon und konnte sich deshalb auch über diesen Umstand kein eigenes Bild machen“;
  • „Das ‚Gutachten‘ genügt professionellen Standards, die von einer renommierten Treuhandgesellschaft für ein fundiertes Treuhand-Gutachten angewendet werden, nicht. Die Verfasser selbst bezeichnen es richtigerweise lediglich als ‚Stellungnahme‘“;
  • Das ‚Gutachten‘ ist nicht veri- oder falsifizierbar, da die Grundlagen, auf die seine Aussagen gestützt werden, nicht offengelegt werden“;
  • Das ‚Gutachten‘ gelangt weder in Bezug auf das Vorliegen stiller Reserven noch in Bezug auf den Marktpreis (Verkehrswert) zu konkreten Aussagen, sondern spricht nur von ‚Indizien‘ und stellt lediglich Spekulationen darüber an“;
  • Es sei keinesfalls zulässig gewesen, „dem Publikum zu suggerieren, es würden tatsächlich stille Reserven in der Höhe bis zu CHF 15 Mio. bestehen, der von der Stoffelpart bezahlte Kaufpreis sei um diesen Betrag zu tief , der Beanstandende habe die Gemeinde Vals ‚über den Tisch gezogen‘ und habe ihr diesen Betrag zurückzuzahlen. Es gibt ferner auch keine Experten, die solche stillen Reserven ‚auf 15 Millionen‘ schätzen, wie Frau Wille im Interview mit dem Beanstandenden behauptet“;
  • Bestehende Gutachten des Kantons Graubünden und der Gemeinde Vals würden ignoriert, ebenso die Tatsache, dass die Gemeinde Vals während zehn Jahren einen Investor gesucht habe, der bereit gewesen wäre, in die Erneuerung der Therme mindestens 50 Millionen Franken zu investieren. „Das Publikum erhält so den unzutreffenden Eindruck, das ‚Gutachten‘ sei in Bezug auf angebliche stille Reserven und einen angeblich höheren Verkehrswert solide und seriös“. Es gebe aber mehrere Gutachten, die im Jahre 2011 festgestellt hätten, dass das Unternehmen aus der Substanz lebe und den längerfristigen Erneuerungsbedarf nicht aus eigener Kraft finanzieren kann, dass es ohne Investitionen von mindestens 50 Millionen Franken nicht möglich sei, langfristige Perspektiven für den Betrieb und die Gemeinde zu schaffen, dass der jährlich erwirtschaftete Cashflow nicht ausreiche, um den markanten Investitionsbedarf in die Beherbergungsinfrastruktur innert nützlicher Frist zu realisieren, dass der Hoteba schon lange die Mittel fehlten, um wichtige bauliche Massnahmen tätigen zu können, und dass in der Hoteba substanzielle Risiken für die Gemeinde lagern;
  • „Im Interview wurde die mit dem Beanstandenden vor der Sendung getroffene Vereinbarung verletzt, ‚nicht über diese Altlasten zu reden‘“, nämlich über eine 2011 stattgefundene Razzia der Eidgenössischen Steuerverwaltung wegen Verdachts auf Steuerbetrug, über Strafuntersuchungen wegen Vermögensdelikten und über eine zweitinstanzliche Verurteilung wegen Gläubigerschädigung.

Sie beantragten, es sei eine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebotes (Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetzes) festzustellen und es seien dem Programmveranstalter zur Erledigung dieser Beanstandung die geeigneten Empfehlungen abzugeben, darunter, den „Rundschau“-Beitrag auf der Website zu löschen.

B. Für die zuständige Redaktion nahm der Redaktionsleiter der Sendung „Rundschau“, Herr Mario Poletti, zur Beanstandung Stellung. Er argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

„Wir weisen den Vorwurf vollumfänglich zurück, das Sachgerechtigkeitsgebot in der Sendung vom 9.3.2016 verletzt zu haben. Sowohl der Beitrag zur Therme Vals wie auch das Studio-Gespräch waren sachgerecht und ausgewogen, sodass sich das Publikum eine eigene Meinung hat bilden können. Die von der ‚Gruppe besorgter Valser Bürger‘ erhobenen Vorwürfe wurden klar dargelegt und konnten sowohl im Beitrag selber, wie auch im anschliessenden Studiogespräch entgegnet werden.

  • Das Gutachten zu ‚stillen Reserven der Hoteba AG‘ stammt von der Real Treuhand- und Revisions-Aktiengesellschaft in Mels.[1] Die Real ist eine seriöse, angesehene ostschweizerische Treuhandfirma, die über bestqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügt, wie unsere Recherchen in der Branche ergeben haben. Die Real Treuhand ist in erster Linie aber auch eine Tochtergesellschaft der Treuhand- und Revisionsaktiengesellschaft Confida in Vaduz (FL), wie auf der Confida-Homepage leicht zu erkennen ist.[2] Die Confida Treuhand ist eines der wichtigen Treuhandunternehmen im Fürstentum Liechtenstein und zählt 58 Mitarbeiter. Das Kompetenzspektrum des Unternehmens ist breit. Zu den Kunden gehören regional tätige KMU, wie auch internationale Gesellschaften. Sascha Bonderer, der das Vals-Gutachten mitverfasst hat, ist - sowohl bei Confida wie auch bei Real - in leitender Funktion tätig. Im Dokument zu ‚stillen Reserven der Hoteba AG‘ figuriert darum nicht zufällig ‚Vaduz‘ als Ortsbezeichnung des Verfassers. (...) Die Rundschau hat transparent gemacht, wer die Vorwürfe erhoben hat. Das ist die ‚Gruppe besorgter Valser Bürger‘ und dies wird im Beitrag klar erwähnt.
  • Absolut unhaltbar und gar verletzend ist der Vorwurf, die Rundschau-Verantwortlichen hätten ‚bewusst‘ den Beanstandenden über die Herkunft des Gutachtens ‚getäuscht‘. Niemand hat Remo Stoffel ‚getäuscht‘. Ausserdem: nicht die Rundschau, sondern die ‚Gruppe besorgter Valser‘ stellte dem Beanstandenden und seinem PR-Berater Peter Hartmeier den Gutachtenauszug zur Verfügung. Und selbstverständlich nicht die Rundschau, sondern die ‚besorgten Valser‘ kürzten das Gutachten und setzten den Hinweis: ‚Verfasst von einer international renommierten Treuhandgesellschaft‘. Wider besseren Wissens behaupten Stoffels Rechtsanwalt und Stoffels PR-Berater seit Wochen, die Rundschau habe diese Bezeichnung im Beitrag verwendet. Tatsache ist, die Rundschau hat die Bezeichnung ‚international‘ nie verwendet.
  • Dem Rundschau-Publikum wurde im Beitrag das Originaldokument gezeigt. Richtig ist, auf dem Original-Papier fehlten der Verfasser, das Datum und der Auftraggeber. (...) Die ‚Gruppe besorgter Valser‘ stellte der Rundschau das Gutachten nur unter der Bedingung zur Verfügung, den Namen des Verfassers nicht zu veröffentlichen. Gegen die Veröffentlichung des Namens des Verfassers stellte sich auch die Real Treuhand selbst. ‚Besorgte Valser‘ und Real Treuhand befürchteten, die Verfasser der Studie könnten zur Zielscheibe von Remo Stoffels Rechtsanwälten werden (was nun offenbar heute der Fall ist). Die Rundschau stand vor der Wahl: Verzicht auf Berichterstattung oder Quelle anonymisieren. Wir haben uns im öffentlichen Interesse und angesichts der Relevanz und der Brisanz des Themas für die Nichtnennung der Verfasser entschieden.(...) In der beanstandeten Rundschau-Sendung konnte sich das Publikum aber trotzdem eine eigene Meinung bilden. Denn, es kam im Beitrag und im Gespräch klar zum Ausdruck:
    - das Gutachten wurde von der stoffelkritischen ‚Gruppe besorgter Valser‘ in Auftrag gegeben
    - das Gutachten wurde von einer renommierten und respektablen Treuhandfirma verfasst
    - das Gutachten wurde von Professoren als seriöse Arbeit taxiert
    - das Gutachten wurde in der Sendung in einem breiteren Kontext eingebettet und eingeordnet.“
  • Der Professor, „der seit Jahren in der ‚Gruppe besorgter Valser‘ als Rechtsexperte tätig ist, (...) berät (...) die ‚besorgten Valser‘ in Rechtsfragen und ist zu einem vehementen Kritiker des Thermeverkaufs an R.Stoffel geworden. Er hat im Namen der ‚besorgten Valser‘ das Gutachten bei der Real Treuhand/Confida in Auftrag gegeben. Das Gutachten wurde vom Vereins-Konto ‚Therme Vals‘ bezahlt, hinter dem die ‚Gruppe besorgter Valser‘ steht. Gemäss Kontoauszug hat das Gutachten 8'569.80 Franken gekostet. Es zeigt sich klar, auch in diesem Punkt wurde das Publikum richtig informiert.
  • Den Vorwurf, die Rundschau sei instrumentalisiert worden, weisen wir mit Nachdruck zurück. Das Gutachten ist der Rundschau nicht ‚zugespielt‘ worden. Fakt ist, im Hinblick zur wichtigen Gemeindeversammlung vom 18. März in Vals sind wir bei Recherchen für ein Update über Verkauf und Zukunft der Hoteba auf Hinweise über ein neues Treuhand-Gutachten zum Thema stille Reserven gestossen. Nach Gesprächen hat sich die ‚Gruppe besorgter Valser‘ bereit erklärt, das Gutachten unter den bereits genannten Bedingungen herauszugeben. (...)
  • Das Gutachten genügt sehr wohl professionellen Standards, die von Treuhandgesellschaften für fundierte Gutachten angewendet werden. Mehrere Universitäts- und Hochschulprofessoren, denen die Rundschau das Dokument vorgelegt hat, haben die Solidität und Professionalität des Gutachtens bestätigt. (...)
  • Die Frage, ob das Gutachten auf Unterlagen und Dokumente zurückgreift, die durch Geheimhaltungspflichten und Amtsgeheimnis geschützt sind, ist für das Publikum nicht relevant. Publizistisch relevant ist, dass ein neues Gutachten vorliegt, welches versucht, Antworten auf eine in Vals heiss diskutierte Frage zu geben: verfügte die Hoteba zum Zeitpunkt des Verkaufs über stille Reserven oder nicht? Um diese Frage zu beantworten, analysiert das Gutachten vor allem allgemein bekannte Zahlen der beiden Kaufofferten Stoffelpart und IG Therme sowie historisches Zahlenmaterial der Hoteba. (...).
  • Dass das Gutachten keine harten Aussagen macht, spricht für die Professionalität der Verfasser. Das Gutachten ist mit Vorsicht verfasst und verzichtet auf abenteuerliche Mutmassungen. Dass es von ‚Indizien‘ spricht und keine konkreten Schlüsse zieht, wurde dem Publikum transparent gemacht. Zum Inhalt des Gutachtens heisst es im Beitragstext:
  • Die stillen Reserven der Hoteba wurden im Beitrag vom ‚besorgten Valser‘ Marcel Meyer auf 15 Mio. Franken geschätzt. Obschon sehr fachkundig, kann er nicht als neutraler Experte bezeichnet werden. In der Emotionalität des Interviews kam es zugegeben zu dieser Unschärfe im Gesprächsteil. Es handelt sich aber in unseren Augen um einen nicht relevanten Versprecher der Moderatorin, der die Meinungsbildung des Publikums nicht beeinflusst hat.
  • Der Beanstandende wirft der Rundschau vor, ‚bestehende Gutachten, die vom Kanton Graubünden und der Gemeinde Vals im Hinblick auf den Verkauf der Hoteba in Auftrag gegeben worden sind‘, ignoriert zu haben. Diese Gutachten seien im Gegensatz zum Gutachten der Real Treuhand ‚zu ganz anderen Resultaten‘ gelangt, nämlich, dass bei der Hoteba ein grosser Sanierungsnachholbedarf herrsche und ein potenter Käufer die Probleme lösen könne. Der Beanstandende erwähnt aber nicht, dass kein einziges der zitierten Gutachten die Frage der stillen Reserven richtig erforscht hat. Auftrag der in der Beanstandung aufgelisteten Gutachten war, den Strategie- und Businessplan von Remo Stoffel für Hotel und Thermalbad zu beurteilen. Diese Gutachten gegen das Dokument der Real Treuhand ausspielen zu wollen, wirkt unseriös und dient offenbar alleine dem Zweck, das Gutachten der Real Treuhand zu diskreditieren. Weil die in der Beanstandung zitierten Gutachten die Frage der stillen Reserven nicht behandeln, waren sie für den Rundschau-Beitrag und das Publikum irrelevant. (...)
  • Die Rundschau hatte mit Stoffels PR-Berater Peter Hartmeier vereinbart, vergangene Rechtsfälle von Remo Stoffel im Studiogespräch nicht zu diskutieren. Daran hat sich die Rundschau gehalten. Moderatorin Susanne Wille hat die Fälle lediglich erwähnt, ohne dabei Remo Stoffel Fragen zu stellen, (die beim Publikum sicher auf Interesse gestossen wären). Die Verfahren zu erwähnen, war aus publizistischer Sicht richtig. Es wäre unredlich und nicht sachgerecht gewesen, diese Faktenlage dem Publikum zu verschweigen: eine für die Rundschau inakzeptable Selbstzensur. (...) Gesamthaft sind wir überzeugt, dass Susanne Wille das Studiogespräch fair und ausgewogen geführt hat. Die Fragen waren bewusst hart, kritisch und legitim, so wie man es von einem Investigativmagazin wie die Rundschau erwartet. Remo Stoffel konnte zu allen Fragen und kritischen Punkten Stellung nehmen.

(...) Die Rundschau hat mit dem Verkauf der Hoteltherme ein relevantes und hochbrisantes Thema aufgegriffen, das seit Jahren das Dorf Vals entzweit und bis heute Fragen aufwirft. Das Gutachten über stille Reserven hat neuen Diskussionsstoff in die Kontroverse gebracht. Das ist von öffentlichem Interesse und es war deshalb angebracht, über das Thema zu berichten. Der Kritisierte konnte an der Rundschautheke ausführlich Stellung nehmen. (...)“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Einschätzung des Falls. Es war absolut legitim, dass die „Rundschau“ sich den Problemen rund um die Therme Vals widmete, hält doch die Unruhe unter der lokalen Bevölkerung an, zumal viele Bürgerinnen und Bürger überzeugt sind, es sei beim Verkauf der Therme nicht mit rechten Dingen zugegangen. Die Redaktion ist auch grundsätzlich korrekt vorgegangen: Sie hat die Stimmung im Dorf erkundet, mit früheren und jetzigen politischen Verantwortlichen geredet und einen Repräsentanten der „Gruppe besorgter Valser Bürger“ zu Wort kommen lassen. Kernstück des Berichts war ein neues Gutachten, das aufgrund von Indizien annimmt, es gäbe in der Therme Vals stille Reserven und der Kaufpreis sei zu niedrig gewesen. Dieses Gutachten wiederum wurde mit neutralen Experten zweier Hochschulen diskutiert. Die Redaktion versuchte auch, die Spitzen des einstigen Verwaltungsrates zu befragen, allerdings erfolglos. Der damalige Präsident und der damalige Vizepräsident teilten bloß schriftlich mit, es sei alles korrekt verlaufen. Die Diskrepanz zwischen der im Zusammenhang mit dem Verkauf getroffenen Einschätzung, der Therme Vals gehe es nicht gut und es seien markante Investitionen nötig, und dem neuen Befund, es seien stille Reserven vorhanden, führte dann zum ausführlichen Interview mit Ihnen. Die Redaktion gab Ihnen die Chance, sich mit den besten Argumenten zu wehren. Ob Sie das wirklich getan haben, das zu beurteilen überlasse ich Ihnen.

In der Regel kann man es bei der „Rundschau“ dabei bewenden lassen: Ein kritischer Bericht zu einem bestimmten Thema läuft auf Anschuldigungen hinaus. Die angeschuldigte Person kann sich an der Theke mit den besten ihr zur Verfügung stehenden Argumenten wehren. So konnte beispielsweise Professor Christoph Mörgeli seine Dissertations-Betreuungspraxis rechtfertigen. Bundesrat Ueli Maurer parierte mit Bravour die Kritik an der Gripen-Beschaffung. Nationalrat Fabio Regazzi konnte ruhig und sachkundig begründen, warum er die Rasergesetzgebung flexibilisieren will. Das Prinzip bewährt sich: Wer angeschossen wird, erhält ausführlich Gelegenheit zur Replik. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat deshalb gerade in den drei erwähnten Fällen Beschwerden abgelehnt, die behaupteten, die „Rundschau“ sei einseitig gewesen.[3]

In diesem Fall ist es etwas komplizierter. Denn es gibt drei Stellen, an denen die Redaktion nicht ganz sorgfältig gearbeitet hat. Und diese drei Stellen müssen vor dem Hintergrund der Frage beleuchtet werden, ob dem Publikum alle Fakten vorgelegt worden sind oder ob es hinters Licht geführt wurde:

  • Die erste Stelle betrifft den Auftrag für das Gutachten der Real-Treuhand- und Revisions-AG. Es ist zumindest merkwürdig, wenn die „Gruppe besorgter Valser Bürger“ Auftraggeber des Gutachtens gewesen sein soll, die Gutachten-Verfasser aber an den das Gutachten erhaltenden Professor schreiben: „Anlässlich unserer Besprechung vom 8. Oktober 2015 in Chur haben Sie mich gebeten, für Sie in einem schriftlichen Kurzbericht festzuhalten, ob zum Zeitpunkt des Verkaufs der Hoteba AG an die Stoffelpart AG stille Reserven vorhanden waren. Dieser Bericht soll Ihnen als persönliche Argumentationsgrundlage in laufenden oder zukünftigen Verfahren oder zur Kenntnis der Behörden, nicht jedoch zur Verfügung von privaten Parteien dienen.“ Der Verfasser des Gutachtens sprach eindeutig den Professor als Auftraggeber und Nutzer an. Umgekehrt zahlte die „Gruppe besorgter Valser Bürger“, für die der Professor als Berater tätig ist, das Gutachten. Hat hier die „Rundschau“ das Publikum getäuscht? Medienbeiträge müssen Komplexität reduzieren. Sie sollen dem Publikum jene Fakten vermitteln, die wichtig sind, damit es sich über das Thema frei eine eigene Meinung bilden kann. Bei der Frage, wer faktisch das Gespräch mit dem Gutachter geführt hat und wer das Gutachten primär nutzte, war es nicht wichtig, dass das Publikum um dieses Detail wusste, denn diese Kenntnis hätte am Faktum, dass es dieses Gutachten gibt, nichts geändert, und nur darum ging es. Es handelte sich also um die mangelnde Präzision in einem Nebenpunkt, der den Gesamteindruck des Publikums nicht verfälschte.
  • Die zweite Stelle betrifft die Einschätzung der wirtschaftlichen Situation der Hoteba zum Zeitpunkt des Verkaufs. Hier wäre es redlich gewesen, wenn die Redaktion erwähnt hätte, dass es andere Berichte und Gutachten gab, die zu weitaus pessimistischen Schlüssen kamen. Es hätte gereicht, dies festzustellen, ergänzt um den Hinweis, dass sie indes die stillen Reserven nicht untersuchten. Auch dies ist hingegen ein Fehler in einem Nebenpunkt.
  • Die dritte Stelle betrifft das Interview. Einerseits sagt Susanne Wille, Experten sprächen von stillen Reserven im Umfang von 15 Millionen; sie meint aber den Repräsentanten der „Gruppe besorgter Valser Bürger“, der kein neutraler Experte ist. Dies ist eine Ungenauigkeit, die aber als weiterer Fehler in einem Nebenpunkt den Gesamteindruck des Beitrags und der Interviewführung nicht beeinträchtigt. Anderseits spricht sie die Altlasten in straf- und steuerrechtlicher Hinsicht doch an, obwohl abgemacht war, dass diese nicht Gegenstand des Interviews sein sollen. Die Interviewerin sagt aber, man halte sich an die Abmachung und rede nicht darüber. Das heißt: Sie thematisiert die Fälle, aber diskutiert sie nicht. Das ist vermutlich aus Ihrer Sicht doppelt unfair: Frau Wille hat nicht geschwiegen, und Sie konnten nichts dazu sagen. Aus journalistischer Perspektive war es sicher richtig, die Fälle zu erwähnen, denn sie gehören zu den Fakten, die das Publikum zur Meinungsbildung unbedingt kennen muss. Aber die Redaktion hätte die Fälle wohl klüger im Beitrag erwähnt statt im Interview. Da dies aber die journalistische Gestaltung betrifft, verbietet es sich dem Ombudsmann, hier die Redaktion zu belehren.

Der Hauptvorwurf aber, dass die Real-Treuhand- und Revisions-AG keine renommierte Treuhandgesellschaft und ihr Bericht kein Gutachten sei, ist wohl durch die Argumente der Redaktion widerlegt. Die Treuhandgesellschaft in Mels ist eine Tochtergesellschaft der Confida in Vaduz. Das Fürstentum Liechtenstein wird oft übersehen oder unterschätzt: Hier gibt es viel rechtliche, ökonomische und diplomatische Kompetenz und eben auch renommierte Kanzleien, Agenturen und Firmen. Und ob man das Dokument „Bericht“ oder „Gutachten“ nennt: Es handelt sich auf jeden Fall um eine seriöse Abklärung der Frage, ob in der Therme Vals stille Reserven liegen, durch außenstehende, also neutrale, fachkompetente Personen.

Alles in allem sehe ich in dem Beitrag und im Interview ein paar heikle Stellen, aber ich vermag nicht nachzuvollziehen, dass das Publikum um Fakten betrogen worden sei.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] http://www.real-treuhand.ch/de/ueber-uns/team/

[2] http://www.confida-wirtschaftspruefung.li/de/ueber-uns/zahlen-und-fakten/

[3] http://www.ubi.admin.ch/x/b_677.pdf; http://www.ubi.admin.ch/x/b_691.pdf; http://www.ubi.admin.ch/x/b_716.pdf

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