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Immer wieder Satire – und ein Kaktus

Viele Menschen freuen sich besonders über Satiren in Radio und Fernsehen. Sie bringen sie zum Lachen und sind zugleich ein Mittel der Aufklärung und der Kritik. Aber sie stossen auch auf Widerstand, wenn Leute sagen: «So geht es nicht.»

«Kürzlich erhielt ich von der ‹Schweizer ­Illustrierten› den ‹Kaktus der Woche›, weil ich die Ansicht vertreten hatte, es sei unzulässig, Transmenschen nur deswegen satirisch zu verspotten, weil sie Transmenschen sind. Natürlich nahm ich den Kaktus dankend entgegen und beschloss, ihn ins Wappen der Ombudsstelle aufzunehmen. Denn würden nicht alle, denen der Ombudsmann nicht zustimmt, ihm am liebsten einen Kaktus senden? Mal die Verfasser der jeweiligen Beanstandung, mal die Verantwortlichen der betroffenen Sendung? Der Ombudsmann ist grundsätzlich Kaktus-verdächtig. Er kann es nie allen Leuten Recht machen. Auch den ­Satirikern nicht.

Seit ich die Aufgabe als Ombudsmann übernommen habe, sind in nur zwei Monaten sechs satirische Beiträge beanstandet worden – fünf im Fernsehen, einer im Radio.

«Der Ombudsmann ist grundsätzlich Kaktus-verdächtig. Er kann es nie allen Leuten Recht machen. Auch den Satirikern nicht.»

Betroffen waren drei Mal ­‹Giacobbo/Müller›, einmal ‹Headhunter›, einmal ‹Sonntagnacht mit Peter Walt› und einmal das ‹sportpanorama›. In zwei ­Fällen unterstützte ich die Sicht der Beanstander, in vier Fällen jene der Redaktion.

Lange Tradition

Der Witz, der Spott, die Satire waren schon immer eine Waffe der Schwachen gegen die Mächtigen, der Untertanen gegen die Obrigkeit. Die Bänkelsänger des Mittel­alters und der frühen Neuzeit witzelten über die damaligen Zustände. An der ­Fasnacht übernahmen die maskierten ­Regierten während jeweils drei Tagen die ‹Herrschaft› und schleuderten den Regierenden in Form von Spott die Wahrheit ­entgegen. Diese Tradition lebt fort in den ‹Schnitzelbänken› der Basler und Solothurner Fasnacht und in den ‹Büttenreden› des ­Rheinländer Karnevals. Satire war auch schon immer das Ventil für das Volk in ­totalitären Systemen. Das Kabarett ‹Distel› in Berlin gab es schon zu Zeiten der DDR.

«Der Witz, der Spott, die Satire waren schon immer eine Waffe der Schwachen gegen die Mächtigen.»

Parallel zu diesen besonderen Bühnen verlagerte sich die Satire auch in aktuelle Medien – in der Form der Karikatur in die Presse, in der Form von speziellen Sendungen ins Radio und ins Fernsehen. ­Besonders scharfe Spitzen boten entsprechende Sendungen in Grossbritannien und in Frankreich, etwa ‹Spitting Image› oder ‹Le Bébête Show›. In Deutschland brillierte Dieter Hildebrandt mit dem ‹Scheibenwischer›; gegenwärtig nimmt die ‹heute show› eine ähnliche Stellung ein. In der Schweiz gab es seit den 1960er Jahren eine ganze Reihe von satirischen Sendungen, im Radio von ‹Spalebärg 77a› bis ‹Zweierleier›, im Fernsehen vom ­‹Freitagsmagazin› bis ‹Giacobbo/Müller›. Satire hat ihren festen Platz.

Worauf kommt es denn an bei einer Satire? Die Satire ist eine Form der Kritik und des Kommentars. Sie klärt auf. Sie prangert Missstände an, indem sie durch Spott die Wirklichkeit übertreibt und verfremdet, sie zur Kenntlichkeit entstellt. Sie spitzt die Dinge zu. Sie ist angriffig. Sie hält den Mächtigen, aber auch den Gewöhnlichen einen Spiegel vor. Satiriker sind die Hofnarren der Gegenwart. Sie machen die Mächtigen lächerlich wegen ihrer Arroganz, ihrer Geltungssucht, ihrer Bestechlichkeit – und die Gewöhnlichen wegen ihrer Spiessigkeit oder Intoleranz. Niemand ist vor den Satirikern sicher

Was nicht geht

Und dennoch dürfen auch Satiriker nicht alles. Es gibt ein paar Regeln, gegen die sie nicht verstossen dürfen. Dazu gehören:

  • Die Satire muss von einem wahren Faktum ausgehen. Sie kann einem Minister, der abstinent ist, nicht vorwerfen, dass er jede Nacht an Saufgelagen teilnimmt.
  • Die Satire muss als solche erkennbar sein. Wenn im ‹sportpanorama› unangemeldet plötzlich ein satirischer Beitrag auftaucht, ist das Publikum teilweise verwirrt, teilweise überfordert.
  • Die Satire darf Menschen nicht verspotten wegen vererbter, naturbedingter und unverschuldeter Eigenschaften, sondern nur wegen ihres Verhaltens. Ein Jude darf nicht verspottet werden, nur weil er Jude ist, ein Behinderter nicht, weil er behindert ist, ein Transmensch nicht, weil er Transmensch ist. Wenn aber ein Behinderter Steuern hinterzieht, wenn ein Jude mit harten Drogen handelt, dann sind sie genauso der Kritik und der Satire ausgesetzt wie andere.
  • Die Satire sollte darauf verzichten, Wehrlose aufs Korn zu nehmen, den Kerngehalt von Religionen zum Gespött zu machen und die Intimsphäre von Menschen zu verletzen.

Umgekehrt gilt: Wer ein öffentliches Amt ausübt oder wer in den Bereichen der Wirtschaft, der Kultur oder des Sports an einflussreicher Stelle steht, muss sich von den Satirikern mehr gefallen lassen als gewöhnliche Bürgerinnen und Bürger.

So zog ich denn in den bearbeiteten Fällen folgende Schlüsse:

  • Transmenschen sollten nicht als solche verspottet werden, sondern nur, wenn sie sich etwas haben zuschulden kommen lassen. Spott, der sich allein auf das Äussere von Menschen bezieht, ­diskriminiert.
  • Wenn die Armee auf die Schippe genommen wird, genügt es nicht, allgemeine Sprüche zu machen. Vielmehr sollte sich die Satire auf belegbare Kritik beziehen. Je gesicherter die Fakten sind, umso schärfer kann die Satire sein.
  • Das ‹sportpanorama› ist nicht unbedingt ein Ort für Satire, und wenn, dann müsste sie angekündigt werden. Unerwartete Satire an einem ungewohnten Ort stösst beim Publikum leicht auf Unverständnis.
  • Wenn sich ein Politiker wie Bundespräsident Johann Schneider-Ammann im Reden und Argumentieren ungelenk verhält, dann darf er deswegen satirisch verspottet werden. Er muss es sogar aushalten, wenn er deswegen in satirischen Sendungen zum Dauerbrenner wird.»

Text: Roger Blum

Bild: Kaktus: GS SRG.D/pb, Karikatur: Stephan Lütolf, Roger Blum: SRF/Oscar Alessio


Ombudsmann Roger Blum.

Die Ombudsstelle

Roger Blum ist seit April 2016 Ombudsmann der SRG Deutschschweiz. 2008 bis 2015 präsidierte er die Unabhängige ­Beschwerdeinstanz für Radio und ­Fernsehen (UBI).

Alle Schlussberichte sowie Informationen zur Ombudsstelle sind hier einsehbar

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