SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Serie «Grand Hotel» (3. Staffel, Folge 16) beanstandet (II)

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Mit Ihrer e-Mail vom 1. Oktober 2016 haben Sie die Ausstrahlung des Films „Ein Zimmer für Mario Santos“ (16. Folge der 3. Staffel aus der Serie „Grand Hotel“), der am Nachmittag des 1. Oktobers 2016 gezeigt wurde, beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die Anforderungen, die an eine Beanstandung gestellt werden. Ich kann folglich darauf eintreten. Neben der Ihren ging noch eine zweite Beanstandung mit gleicher Stoßrichtung ein.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Gerade habe ich meinen Fernseher angeschaltet und per Zufall in den letzten Minuten der Folge Grand Hotel (Ep. 16) die Hinrichtung eines Menschen und danach in der Folge Grand Hotel (Ep. 17) die retrospektive Wiederholung der Hinrichtung eines Menschen gesehen. Dieses geschieht mittels Erwürgen mit einer Garotte.

Ich schreibe wirklich nicht so schnell ein Mail wie dieses: Aber ist es wirklich notwendig so etwas überhaupt im TV zu zeigen und das auch noch zu einer Zeit, bei der Kinder vor dem Fernseher sitzen ? Zudem glaube ich, dass man so etwas eigentlich gar nicht oder zumindest nur im Nachtprogramm mit entsprechender Warnung zeigen sollte.

Die Episoden werden auch noch im Internet-Portal zur Verfügung gestellt.

Wer überprüft eigentlich den Inhalt von eingekauften Sendungen?“

B. Wie üblich, konnte die zuständige Redaktion zu Ihrer Beanstandung Stellung nehmen. Herr Heinz Schweizer, Redaktionsleiter Einkauf Fiktion, Factual und Einsatzprogramme von Fernsehen SRF, schrieb darauf:

„Ich beziehe mich auf die beiden Beanstandungen, die sich auf die Ausstrahlung der Folge 58 (Folge 16 der 3. Staffel) der Serie ‚Grand Hotel‘ am Samstag 1. Oktober 2016 zwischen 15.05 und 16.00 Uhr im Programm von SRF 1 beziehen. Beide Beanstander erwähnen, dass sie zufällig die letzten Minuten dieser einen Folge (und die Zusammenfassung dieser Folge zu Beginn der Folge 59) gesehen hätten und nicht verstehen könnten, warum SRF im Nachmittagsprogramm eine Hinrichtung zeigt.

Die Redaktion Einkauf Fiktion, Factual und Einsatzprogramme nimmt dazu wie folgt Stellung:

Die spanische Fernsehserie ‚Grand Hotel‘ (2011-2013) schildert über 66 Folgen eine spannende Geschichte um Liebe und Intrigen in einem Luxushotel zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Sie wird von Produzenten und Presse gerne als das spanische Pendant zur britischen Erfolgsserie ‚Downton Abbey‘ bezeichnet. SRF hat am Samstag 5. September 2015 mit der Ausstrahlung in Doppelfolgen begonnen. Aktuell laufen bis zum Ende der Serie sogar drei Folgen hintereinander. Folge 58 (3/16) war die mittlere Folge am 1. Oktober.

Da es sich um eine stark erzählte Fortsetzungsgeschichte handelt, gehen wir nicht davon aus, dass Zuschauer so fortgeschritten noch in die Serie ‚einsteigen‘. ‚Grand Hotel‘ ist von der Anlage her sicher kein Kinderprogramm, aber die Programmschiene am Samstagnachmittag ist auch explizit nicht in ein Kinderprogramm eingebettet oder als solches gekennzeichnet. Vor der Serie laufen die Tagesschau und die Polit-Talksendung ‚Standpunkte‘ der ‚Basler Zeitung‘, im Anschluss an die Serie wiederholt SRF sein Promimagazin ‚Glanz & Gloria‘, gefolgt von der rätoromanischen Sendung ‚Cuntrasts‘.

In einer über 66 Folgen laufenden Drama-Serie, die für ein erwachsenes Publikum konzipiert ist, gibt es sicher ab und zu einzelne ‚härtere‘ Szenen, die von zufälligen Betrachtern – z.B. beim Hineinzappen – nicht eingeordnet werden können. Die beanstandete Szene einer eher ungewöhnlichen Hinrichtung mittels einer Halskrause gehört sicher dazu. Sie wurde aber dem Programm entsprechend zurückhaltend inszeniert und ins Bild gesetzt, ohne die dramatische Bedeutung zu verleugnen.

Wir verstehen, dass eine solche Szene unvorbereitete Zuschauer irritieren kann, sind aber auch überzeugt, dass wir mit dieser Ausstrahlung die Vorgaben für den Jugendschutz nicht verletzt haben.

Ich zitiere dazu aus dem Dokument ‚SRF Kinder- und Jugendmedienschutzrichtlinien‘, das im Internet unter www.srf.ch abrufbar ist: [1]

<Sendungen vor 20 Uhr können ausnahmsweise Darstellungen von Sex, Gewalt oder anderen heiklen Inhalten enthalten. Dies ist insbesondere im Rahmen von Informationssendungen, welche über Aktualitäten berichten, möglich. Ebenso ist es möglich, dass Sendungen, Serien oder Reihen, welche im Normalfall unbedenklich sind, ausnahmsweise Sex- oder Gewaltdarstellungen oder andere für Kinder und Jugendliche ungeeignete Inhalte enthalten. SRF verzichtet soweit möglich darauf, solche Sendungen im direkten Umfeld eines ausgewiesenen Kinderprogramms zu platzieren.>

Unsere Kollegen vom öffentlich-rechtlichen Sender ORF beurteilen die Serie wohl gleich. Auch sie haben ‚Grand Hotel‘ in den vergangenen zwei Jahren im Nachmittagsprogramm von ORF2 ausgestrahlt.“

C. Soweit die Ausführungen von Herrn Schweizer. Damit komme ich zu meiner eigenen Beurteilung des Films und der Hinrichtungsszene. Ich stimme Herrn Schweizer zu, dass es problematisch ist, bestimmte Szenen einer einzelnen Folge einer Serie ohne Kenntnis des Kontextes richtig einzuordnen. Auch ich habe dieses Problem, da ich die Serie „Grand Hotel“ nicht verfolgte und aufgrund Ihrer Beanstandung jetzt nur die 16. Folge der 3. Staffel anschaute. Man hat dabei ein zu wenig ausgeprägtes Gefühl für die Entwicklungen und Verwicklungen der Geschichte, und man kann die dramatischen Momente nicht so gut verstehen.

In dieser Folge werden wir Zeugen einer blutigen Schlägerei, einer gewalttätigen Rauferei, eines Boxkampfes, eines mutmasslichen Giftmordes und einer Hinrichtung. Man muss den Film situieren: Er spielt in Spanien, in einem Luxushotel und zur Zeit der „Belle Époque“, also vor etwa 120 Jahren – in einer Zeit und in einer Gesellschaft also, in der viele Konflikte noch direkter, brutaler, grausamer „bereinigt“ wurden. Damals wurden in Spanien alle Todesurteile mit der Garotte vollzogen, und man muss daran erinnern, dass diese Hinrichtungsart auch unter dem Franco-Regime weiter galt – bis 1974. Franco starb 1975. Wer die ganze Serie verfolgt, lässt sich auf die Umstände der Zeit an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert ein. Zieht man dies in Betracht, so ist der Film für Erwachsene ohne weiteres zumutbar. Selbst die Hinrichtung ist relativ dezent ins Bild gesetzt: Man sieht vor allem den Henker, der an der Winde dreht. Auch wenn ich solche Szenen nicht wünsche: Sie gehören zur historischen Wahrheit und charakterisieren auch im Spielfilm die Prägungen einer bestimmten Epoche.

Anders sieht es hingegen in Bezug auf Kinder aus. Der 1. Oktober, als der Film am Nachmittag gezeigt wurde, war ein Samstag. Am Samstag sind die Kinder nicht in der Schule, sondern zu Hause (soweit sie nicht an Freizeitaktivitäten wie Pfadfinderübungen und Ähnliches teilnehmen). Zwar sind in der Regel auch die Eltern zu Hause und können auf die Kinder aufpassen, doch es dürfte nicht allzu selten sein, dass die Eltern noch beim Einkaufen unterwegs sind, während die Kinder zu Hause mit ihren i-Phones beschäftigt sind oder auch fernsehen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Kinder „Grand Hotel“ guckten. Kinder aber müssten von Sex- und Gewaltszenen, wie sie im Film vorkommen (blutige Schlägerei, Beischlafszene, Hinrichtung) verschont werden.

Herr Schweizer zitiert den Punkt 4.1.2 der SRF Kinder- und Jugendmedienschutzrichtlinien, der erlaubt, dass in Ausnahmefällen auch Sendungen vor 20 Uhr Sex- und Gewaltdarstellungen enthalten, aber er zitiert ihn nicht ganz, denn im 4. Abschnitt steht:

„Zudem kann es in begründeten Ausnahmefällen vorkommen, dass bereits vor 20 Uhr eine Sendung mit einer von den SRF-Verantwortlichen festgelegten Altersfreigabe ausgestrahlt wird. In diesen Fällen gibt SRF die Altersfreigabe vor der Sendung schriftlich und/oder akustisch bekannt und/oder unterlegt während der Dauer der gesamten Sendung als Warnsymbol dem Senderlogo einen roten Balken (sog. ‚Logo Rouge‘). SRF verzichtet soweit möglich darauf, solche Sendungen im direkten Umfeld eines ausgewiesenen Kinderprogramms zu platzieren.“[2]

Herr Schweizer hat diesen Abschnitt mit gutem Grund nicht zitiert, denn für die Serie „Grand Hotel“ wurde keine Altersfreigabe festgelegt, d.h. sie galt zum Vorneherein als jugendfrei. Ich meine aber, dass man bei jenen Folgen, die explizite Sex- und Gewaltszenen enthalten, eine Alterslimite hätte festlegen und dann die Ausstrahlung mit den entsprechenden akustischen und optischen Warnungen hätte begleiten müssen. Dies entspräche auch Artikel 4 Absatz 1 der Radio- und Fernsehverordnung, die verlangt: „Veranstalter von frei empfangbaren Fernsehprogrammen haben jugendgefährdende Sendungen akustisch anzukündigen oder während ihrer gesamten Sendedauer mit optischen Mitteln zu kennzeichnen.“[3]

Ich komme daher zum Schluss, dass die 16. Folge der 3. Staffel der Serie „Grand Hotel“ für Erwachsene unbedenklich war, nicht aber für Kinder. Ich kann daher ihre Beanstandung teilweise unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] http://www.srf.ch/kultur/film-serien/film-tipp-des-tages-a-perdre-la-raison-unsere-kinder ; Link auf der rechten Seite anklicken

[2] http://www.srf.ch/kultur/film-serien/film-tipp-des-tages-a-perdre-la-raison-unsere-kinder ; Link auf der rechten Seite anklicken

[3] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20063007/index.html

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