SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Söhne und Väter» Tatortfolge beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 1. Februar 2017 haben Sie die Tatortfolge vom 29. Januar 2017 («Söhne und Väter») beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraussetzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Ich beanstande die stete Zunahme von Brutalitäten und abstossenden Darstellungen wie sie insbesondere zur ,Einleitung‘ am vergangenen Sonntag gezeigt worden sind. Wenn Fernsehmacher meinen nur noch mit Steigerung der Brutalität Zuschauer anzulocken, ist meines Erachtens der Zeitpunkt gekommen wo die Grenzen zu Widerlichkeiten wieder einmal aufgezeichnet werden müssen.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Frau Lilian Räber, Leitung Fernsehfilm, schrieb:
SRF produziert den Tatort in Produktionsgemeinschaft mit der ARD und den ORF. Von den 36 Tatortfolgen pro Jahr werden zwei Folgen vom Schweizer Radio und Fernsehen produziert. Die restlichen Folgen sind sogenannte Übernahmen und werden von den deutschen, respektive österreichischen Redaktionen verantwortet. Wir haben auf die Inhalte dieser Filme keinen Einfluss. Trotzdem übernehmen wir für die Ausstrahlung dieser Filme die Verantwortung.

Zum Punkt Gewaltdarstellung: Das Publikum erwartet vom Fernsehen, dass es die Komplexität der Wirklichkeit im Programm wiederspiegelt. Dazu gehört auch das Phänomen der Gewalt, das seit jeher in unserer Gesellschaft existiert. Gerade im Kriminalfilm, wie der Tatort einer ist, ist Gewalt von Anfang an ein Thema. Krimis erzählen von Verbrechen und ihren Folgen und sind per Definition keine leichte Unterhaltung. Deshalb zeigen wir sie in der Regel erst im Hauptabendprogramm ab 20 Uhr. Dieses Programm richtet sich grundsätzlich an ein mündiges Publikum, das sich bei der Festlegung seiner Bedürfnisse und Rezeptionsgewohnheiten nicht gerne bevormunden lässt. Die Redaktion achtet aber darauf, dass das Programm einem Publikum ab 12 Jahren zugemutet werden kann. Die Tatorte aus Deutschland werden vom Jugendschutzbeauftragten der Sender geprüft und frei gegeben. So geschehen auch bei der von Herrn X kritisierten Folge.

Die Szenen, die Herrn X empört haben, sind tatsächlich an der Grenze der Geschmacklosigkeit. Drei Schüler begehen an ihrem ehemaligen Lehrer Leichenschändung. Dieser Akt wird im Verlauf der Handlung immer wieder von verschiedenen Personen stark kritisiert. Ja, er ist der eigentliche Grund, warum einer der Schüler danach umgebracht wird. Die Redaktion ist der Meinung, dass die Macher von „Tatort Väter und Söhne“ dadurch klar gemacht haben, dass es nicht um eine blosse Effekthascherei am Anfang eines Films geht. Die Leichenschändung hat eine dramaturgische Funktion und ist deshalb für die Geschichte von entscheidender Bedeutung.

Insgesamt sind wir der Überzeugung, dass die Tatortfolge mit der nötigen Sorgfalt vorgegangen ist, können aber Herrn Xs Kritik zu einem gewissen Teil auch nachvollziehen.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen möchte ich Sie bitten, die Beanstandung abzuweisen.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Beurteilung der Sendung. Ich kann Ihre kritische Reaktion durchaus nachvollziehen, ist die Eingangsszene mit der Leichenschändung doch besonders abstossend. Mit Ihrer Kritik sind Sie nicht alleine; in verschiedenen Online-Foren findet sich zu diesem Tatort entsprechende Kritik. Man kann sich durchaus fragen, ob es notwendig war, die skurrile Szene im Leichenschauhaus in dieser Art zu filmen. Allerdings – und hier gebe ich der Redaktion Recht – wird der Akt im Verlauf des Krimis immer wieder von verschiedensten Seiten heftig kritisiert. Die dargestellte Widerlichkeit der Jugendlichen wird also nicht bagatellisiert oder verharmlost, sondern führt letztlich zu einem Mord. Eindrücklich wurde in diesem Tatort gezeigt, wie Gruppendruck bei Jugendlichen entstehen kann. So nehmen sie die abstossende Handlung vor, die ein Jugendlicher alleine wohl nie gemacht hätte.

Man kann sich nun fragen, ob die gezeigte Handlung den Jugendschutz verletzt hat. Frau Mattle, Projektleiterin Kino SRF (Kultur/Fiction) schreibt in einem anderen Fall, dass es unter dem Blickwinkel des Jugendschutzes zu beachten gilt, wie ausdrücklich beziehungsweise drastisch eine gezeigte Handlung ist und ob sie auf Kinder und Jugendliche ängstigend oder verstörend wirken kann. Die Darstellung eines nackten Menschen ist daher nicht verboten. Erst wenn der nackte Körper so inszeniert wird, dass er offensichtlich auf die sexuelle Stimulanz der Betrachtenden ausgerichtet ist, wird der Jugendschutz notwendig. Eine sexuelle Stimulanz der Zuschauerinnen und Zuschauer ist meiner Meinung nach in der von Ihnen beanstandeten Szene keinesfalls gegeben, da die Kameraeinstellung keine voyeuristische Haltung einnimmt. Die Darstellung war im Kontext des später stattfindenden Mordes indes schlüssig, um den abgrundtiefen Hass der Jugendlichen auf ihren Peiniger zu zeigen. Insofern kann man die von Ihnen kritisierte Szene einem mündigen oder beaufsichtigten Publikum, an das sich das Hauptabendprogramm ab 20.00 Uhr richtet, zumuten. Dies auch deshalb, weil die Schandtat im Verlauf des Krimis immer wieder aufs Schärfste kritisiert wird. Von einer Verharmlosung kann also – wie bereits oben angemerkt – nicht gesprochen werden.

Die Ombudsstelle hat keine Qualitätskontrolle vorzunehmen. Es ist nicht ihre Aufgabe, zu bewerten, ob die Ausstrahlung eines Filmes angebracht ist. Sie hat sie lediglich zu beurteilen, ob die geltenden gesetzlichen Bestimmungen verletzt wurden oder nicht. Vorwiegend geht es – wie im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) geregelt – um das Verbot, Gewalt zu verherrlichen oder zu verharmlosen (Art. 4 Abs. 1 RTVG). Die Ombudsstelle muss zudem bei der Behandlung einer Beanstandung die den Veranstaltern zustehende Programmautonomie gebührend Rechnung tragen (Art. 93 Abs. 3 der Bundesverfassung und Art. 6 Abs. 2 RTVG). Diese beinhaltet explizit auch die Freiheit in der Wahl eines Themas einer Sendung oder eines Beitrags und in der inhaltlichen Bearbeitung. Die Fernsehanstalt ist somit grundsätzlich frei, unabhängig vom reellen Umfeld auch harte Krimis wie der von Ihnen beanstandete Tatort auszustrahlen – immer vorausgesetzt, dass – wie bereits erwähnt – Gewalt nicht verherrlicht oder verharmlost wird. Dies wurde meines Erachtens im beanstandeten Tatort eingehalten. Die Gewalt wurde in keiner Weise verharmlost oder gar verherrlicht.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich zwar für Ihre Reaktion viel Respekt und Verständnis habe, Ihre Beanstandung aber, soweit ich darauf eintreten konnte, nicht unterstützen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

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