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Fernsehen SRF, Sendung «Tagesschau», Beitrag über den Besuch Präsident Erdogans bei Präsident Trump beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 16. Mai 2017 beanstandeten Sie die „Tagesschau“ von Fernsehen SRF vom gleichen Tag, und zwar den Bericht über den Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan beim amerikanischen Präsidenten Trump in Washington.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Frau Bösch sagte zum Besuch des türkischen Präsidenten Erdogans bei bei US-Präsident Trump:

<...Gemeinsamkeiten gibt es vielerlei. Beide Länder sind NATO-Partner, kämpfen in Syrien gegen Machthaber Assad...>

Das ist doch eine glatte Lüge der Tagesschau! Die USA würden doch nie ohne UN-Mandat gegen einen gewählten Präsidenten in einem fremden, autonomen Staat eine Regierung bekämpfen; das wäre ja völkerrechtswidrig und würde dann natürlich den schärfsten Protest der Tagesschau nach sich ziehen! Bisher war ja auch die offizielle Sprachregelung der Tagesschau: die USA bekämpfen in Syrien den IS. Wie kommt die Tagesschau also zu so einer verheerenden Behauptung bzw. Verläumdung der USA?

Ich bitte um eine Stellungnahme der SRF-Tagesschau-Redaktion zu dieser eklatanten Falschmeldung.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die „Tagesschau“ antwortete Herr Franz Lustenberger wie folgt:

Mit Mail vom 16. Mai hat Herr X die Berichterstattung in der Tagesschau-Hauptausgabe vom gleichen Tag zum Antrittsbesuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Weissen Haus bei US-Präsident Donald Trump beanstandet. Konkret beanstandet Herr X einen Satz in der Anmoderation, beide Länder würden in Syrien gegen Machthaber Assad kämpfen.

Front gegen Präsident Assad

Seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges haben sich sowohl die Vereinigten Staaten wie auch die Türkei gegen den Verbleib von Präsident Bashar al-Assad an der Spitze des Landes ausgesprochen.

So etwa Präsident Barack Obama im August 2011: <For the sake of the Syrian people, the time has come for President Assad to step aside.> (Washington Post, 18. August 2011). Die Administration Obama hat Sanktionen gegen Syrien verhängt, und die Opposition in ihrem Kampf gegen Assad militärisch und logistisch unterstützt.

Anlässlich eines Besuches des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Washington bei Präsident Barack Obama im Mai 2013 haben die Beiden den Rücktritt von Präsident Assad gefordert. Präsident Obama hat dabei bekannt gemacht, dass die USA ihre Unterstützung für die syrischen Rebellen hochfahren wollten, mit Waffen und geheimdienstlicher Hilfe.

Präsident Obama hat diese Position im November 2015 bekräftigt; <... held firm that Syrian President Bashar al-Assad must be removed from office...> (Wall Street Journal, November 2015).

An dieser Strategie hat auch der Wechsel im Weissen Haus nichts geändert. Nach einigem Zögern hat die Administration Trump diese Position übernommen und bekräftigt. Auslöser war der Einsatz von Giftgas in Khan Sheikhoun; die USA reagierten mit einem Raketenangriff auf eine syrische Luftwaffenbasis.

Die Türkei hat seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges die sunnitischen Rebellen unterstützt und später auch selber militärisch in den Krieg eingegriffen.

Die beiden Staaten verfolgen dabei – neben dem Kampf gegen die Terrormiliz IS – auch unterschiedliche Interessen. Der Türkei geht es auch darum, einen kurdischen Staat, eine staatsähnliche kurdische Autonomie in Syrien und im Irak zu verhindern. Dies geschieht aus türkischer Sicht am besten, wenn die sunnitischen Rebellen in Syrien die Macht übernehmen; dann ist der türkische Einfluss auf das Nachbarland am grössten. Den USA geht es auch darum, den Einfluss Russlands und des Irans zu begrenzen; diese beiden Staaten sind die engsten Verbündeten von Präsident Baschar al-Assad.

Fakt ist also, dass beide Staaten, die USA und die Türkei, in den Bürgerkrieg in Syrien involviert sind und Gruppierungen direkt und indirekt unterstützen, mit Ausbildung, mit militärischen Waffenlieferungen oder mit direkten Militärschlägen. Die Formulierung ‚beide Länder kämpfen in Syrien gegen Machthaber Assad‘ ist eine Verkürzung der Intentionen beider Staaten, die aber seit Anbeginn auf einen Sturz von Präsident Assad, respektive auf eine Neuordnung Syriens ohne Präsident Assad hinzielen. Sie unterstützen die Gegner von Präsident Assad, und bekämpfen damit Präsident Assad.

Völkerrecht und Empörung

Es gibt in der Tat kein UNO-Mandat für das ausländische Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg. Das hat die Tagesschau auch nie behauptet; die Tagesschau hat aber auch nie gesagt, die USA würden in Syrien ‚nur‘ den IS bekämpfen. Im Gegenteil, die Tagesschau hat in vielen Berichten und live-Gesprächen mit Experten und mit Nahost-Korrespondent Pascal Weber immer klar gemacht, dass in diesem Krieg verschiedenste Interessen von den verschiedenen in den Krieg involvierten Parteien verfolgt werden.

Herr X geht von einer ‚offiziellen Sprachregelung der Tagesschau‘ aus. Es gibt in der Redaktion der Tagesschau keine diesbezüglichen Weisungen oder Sprachregelungen. Die Tagesschau bemüht sich, Ereignisse möglichst sachgerecht darzustellen, die Positionen aller am Syrienkonflikt beteiligten Parteien und Staaten dazustellen sowie die Hintergründe und Zusammenhänge vertieft zu analysieren. Die Tagesschau protestiert also auch nicht ‚schärfstens‘ gegen irgendwelche Entscheide von Regierungen; dies ist nicht Aufgabe der Sendung.

Im Syrien-Konflikt werden völkerrechtliche Regeln missachtet. Dies liegt auch daran, dass im Völkerrecht ein zentrales Gesetzgebungsorgan, eine umfassende Gerichtsbarkeit und eine Exekutivgewalt zur Durchsetzung völkerrechtlicher Grundsätze fehlen. Es werden humanitäre Grundsätze des Kriegsvölkerrechts missachtet. Immer dort, wo sich die Grossmächte (mit ihrem Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat) gegenüber stehen, erweist sich das Völkerrecht als schwach, als nicht durchsetzbar.

Aus diesen Überlegungen heraus hat die Redaktion der Tagesschau eine gewisse Mühe mit der zynisch zu verstehenden Begründung der Beanstandung. Die Tagesschau informiert nach bestem Wissen und Gewissen, damit sich die Zuschauerinnen und Zuschauern eine eigene Meinung zum Geschehen bilden können.

Ich bitte Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich kann mich den Ausführungen von Herrn Lustenberger voll anschließen. Die „Tagesschau“ hat sich keiner Lüge schuldig gemacht. Man kann einen Machthaber nicht nur mit kriegerischen Mitteln bekämpfen, sondern auch mit diplomatischen und ökonomischen. Die USA wandten sich bis zum April 2017 verbal, diplomatisch und ökonomisch gegen die baathistische Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Mit dem Raketenangriff auf eine syrische Flugwaffenbasis bei Homs griffen sie erstmals auch zu militärischen Mitteln. Vorher galten ihre Militärschläge lediglich dem „Islamischen Staat“. Völkerrechtswidrig sind alle militärischen Angriffe, auch die der Türken. Aber die „Tagesschau“ hat sich in ihrer Berichterstattung nicht nach dem Völkerrecht zu richten, sondern nach den Fakten. Und die Fakten liegen genauso, wie die „Tagesschau“ sie zusammengefasst hat. Ich kann daher Ihre – in der Tat überaus zynisch begründete – Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] http://www.srf.ch/play/tv/tagesschau/video/antrittsbesuch-von-erdogan-bei-trump?id=8a5eae7e-8ad2-41d1-8560-e37a81a998be

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