SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Fernsehen SRF, Sendung «Arena» («Ist die Schweiz rassistisch?») beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 1. Juli 2017 beanstandeten Sie die Sendung „Arena“ des Schweizer Fernsehens SRF („Ist die Schweiz rassistisch?“) vom 30. Juni 2017.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Es ist mir vollkommen unklar, was ein Titel ‚sind wir Rassisten?‘, gemeint ist damit wir Schweizer, in einem politischen Diskurs verloren hat. Wollen Sie der Bevölkerung damit Schuldkomplexe einreden und strafbare Handlungen unterstellen? Dann kommt aus dem Publikum eine Muslima zu Wort, welche als Erzeugerin des Schuldkomplexes dienen soll und sich als Schweizerin aufspielen darf, obschon sie diese wertvolle Kultur in keinster Weise repräsentiert. Die Frage müsste in dem Zusammenhang sein, wie rassistisch ist sie und Leute, welche ihre Lebenseinstellung teilen? Wie freiheitsfeindlich ist ihre Denkweise? Das wären interessante, aber aktuell auch sehr wichtige Fragen. Dass man eine solche Frau mit dem Zeigefinger auf die Schweizer Kultur zeigen lässt, ist lächerlich und einfach nicht ernst zu nehmen. Nicht sie hat zu definieren, wie wir hier zu leben haben! Das ist nicht ihre Befugnis, es ist eine Frechheit, solchen fremden Leuten diese Polit-Plattform für ihre freiheitsfeindliche Ideologie zur Verfügung zu stellen. Der Glaubwürdigkeit der Sendung wird dadurch massiv geschadet.

Die entscheidende Frage ist doch die: Wie viel Überfremdung erträgt ein kleines Land wie die Schweiz? Wie viel Rassismus entsteht aus Überfremdung, besonders von den Fremden aus? Das wären die zentralen Fragen, wovor sich SRF scheut. Die Politische Korrektheit ist eine Krankheit, wovon die meisten Sendungen des SRF mittlerweile betroffen sind. Das macht mich als Patriot traurig.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung „Arena“ antwortete deren Redaktionsleiter, Herr Jonas Projer:

„Vielen Dank für die Zustellung der Beanstandung von Herrn X zu unserer Sendung vom 30.6.2017, Geschäftsnummer 5121. Gerne nehmen wir dazu wie folgt Stellung:

Die Redaktion der ‚Arena‘ weist alle Unterstellungen zurück. Weder beabsichtigte die Sendung, der Bevölkerung ‚Schuldkomplexe‘ einzureden oder ‚strafbare Handlungen‘ zu unterstellen, noch erhielt eine ‚freiheitsfeindliche Ideologie‘ eine ‚Polit-Plattform‘, usw. Wir bitten Sie, die Beanstandung in diesem Sinne zu beantworten.

Als Redaktionsleiter und Moderator der ‚Arena‘ erlaube ich mir ausserdem die Anmerkung, dass ich einzelne Passagen aus der Beanstandung von Herrn X in der ‚Arena‘ nicht tolerieren bzw. unverzüglich korrigieren würde. So etwa diese:

<Dann kommt aus dem Publikum eine Muslima zu Wort, welche als Erzeugerin des Schuldkomplexes dienen soll und sich als Schweizerin aufspielen darf, obschon sie diese wertvolle Kultur in keinster Weise repräsentiert.>

Dazu ist festzuhalten: Fathima Ifthikar ist Schweizerin. Die Schweiz ist keine Kultur, sondern ein Staat. Wäre sie es, dann wäre sie viele Kulturen (und Sprachregionen). Allgemein und schöner formuliert, meiner Erinnerung nach von Lukas Bärfuss:

<Kultur gibt es immer nur im Plural. Kultur im Singular ist Barbarei.>

Dies bedeutet keinesfalls, dass z.B. die erhebliche Zuwanderung in der ‚Arena‘ nicht diskutiert werden sollte – ganz im Gegenteil. Die Zuwanderung in die Schweiz aus EU- und Drittstaaten, die Ausgestaltung des Schweizer Asylrechts (im Rahmen des zwingenden Völkerrechts) oder das Verhältnis zwischen Staat und Religion werden in der ‚Arena‘ regelmässig thematisiert und kontrovers debattiert.

Fast jede Woche suchen wir dabei auch Zuschauerinnen und Zuschauer, die Ihre Meinung im Studio in die Debatte einbringen möchten. Ich würde mich freuen, bei einer dieser Gelegenheiten auch den Beanstander, Herrn X, begrüssen zu dürfen.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es scheint, dass Sie bei der Beurteilung dieser „Arena“-Sendung über Rassismus in der Schweiz von falschen Annahmen ausgingen. Sowohl vorne an den Pulten, an denen die Schriftstellerin Melinda Nadj Abonji, die Gymnasiallehrerin Jasmin El-Sonbati, der emeritierte Geschichtsprofessor Georg Kreis und Nationalrat Andreas Glarner standen, als auch in der Reihe dahinter – unter anderem mit Fathima Ifthikar – sprachen ausschließlich Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Sie sind dem Irrtum erlegen, dass man von der Kleidung oder vom Namen automatisch auf eine ausländische Staatsbürgerschaft schließen muss. Frau Nadj Abonji stammt aus Serbien und gehörte dort zur ungarischen Minderheit. Ungarisch würde ihr Name Nagy Abonyi geschrieben. Frau El-Sonbati wuchs in Ägypten auf und vertritt als Muslima die fortschrittliche Richtung.[2] Die Marketing-Spezialistin Fathima Ifthikar, die aus Sri Lanka stammt, trägt als Muslima das Kopftuch, plädiert aber für Toleranz.[3] Alle drei Frauen sind hundertprozentige Schweizerinnen und könnten mit ihrem Wissen und ihrem Engagement für die Schweiz vielen alteingesessenen Eidgenossen noch was vormachen. Ihre Empörung stößt daher ins Leere.

Es handelte sich um eine untypische „Arena“-Diskussion. Die Runde tastete sich suchend, explorativ vor und blieb in Vielem vage. Zwar wurden die unterschiedlichen Positionen schon klar. Nationalrat Glarner findet, die Schweiz löse sich langsam auf, man bürgere Zuzüger zu schnell ein, mit „gewissen Volksgruppen“ mache man schlechte Erfahrungen. Die andern drei bekannten sich – bei allen Differenzierungen und Relativierungen – zu den Grundrechten und zur systematischen Integration der Immigranten. Jedenfalls gewann ich nicht den Eindruck, dass jemand die „Arena“ benutzte, um „seine freiheitsfeindliche Ideologie“ zu verbreiten, wie Sie es nennen.

Das Problem ist, dass wir uns zu schnell verwirren lassen durch Äusserlichkeiten – wie Kleidung, Namen, Hautfarbe – und dadurch die Qualitäten der einzelnen Menschen gar nicht mehr sehen. Und wir vergessen, wieviel die Schweiz den Immigranten verdankt.

Die Schweiz war seit jeher ein Auswanderungs- und Einwanderungsland. 107 vor Christi wanderten die keltischen Helvetier zusammen mit zwei germanischen Stämmen nach Süden, mussten aber zurückkehren, nachdem sie sich definitiv nicht gegen die Römer durchsetzen hatten können. Rund 70 Jahre später siedelten Römer im heutigen Gebiet der Schweiz. Dies bedeutete: eine andere Sprache, eine andere Kultur, eine andere Religion. Zur Zeit der Völkerwanderung verdrängten die Alemannen, die Burgunder und die Langobarden die Römer in Helvetien. Statt Jupiter, Juno und Mars betete das Volk jetzt Wotan, Freya und Thor an. Bald folgten die Christen: Unter dem Einfluss irischer Glaubensboten entstanden Klöster und Bistümer. Im Laufe der Jahrhunderte litten einzelne Regionen der Schweiz an Übervölkerung: Dadurch, dass die jungen Männer als Söldner fremden Fürsten dienten und daher immer wieder neue Jahrgänge abwesend waren, konnte die Bevölkerung im Gleichgewicht gehalten werden. Im 17. Jahrhundert strömten die hugenottischen Flüchtlinge ins Land. Im 19. Jahrhundert kamen Polen, Deutsche, Italiener, während viele Schweizer nach Amerika oder nach Nordafrika auswanderten. Im 20. Jahrhundert war die Schweiz Zielland vieler Arbeitskräfte aus Italien, Spanien, Jugoslawien, Portugal und Griechenland sowie vieler Flüchtlinge vor dem Nationalsozialismus und aus Ungarn, Chile, der Tschechoslowakei, aus Sri Lanka, Vietnam und Jugoslawien. Im 21. Jahrhundert folgten Zuwanderer aus Afghanistan, Irak, Syrien und Eritrea. So gesehen, war die Schweiz stets ein Völkergemisch. Nur wenige Familien können ihren Stammbaum bis zu den alten Bünden zurückverfolgen. Viele hatten ihre Wurzeln noch hundert Jahre zuvor in Deutschland, Italien oder Frankreich. Ohne Hugenotten gäbe es in der Schweiz wahrscheinlich keine Uhrenindustrie, ohne Italiener keine Bahntunnel und Strassen und keine Pizzerien. Die Schweiz hat von der Zuwanderung immer profitiert.

Nur freundlich empfangen wurden die wenigsten. Die jeweils Neuen waren jene, die man als fremd empfand, und die Art und Weise, wie sie ausgegrenzt und diskriminiert wurden, erfüllte ohne jeden Zweifel den Tatbestand des Rassismus. In den sechziger und siebziger Jahren traf es die Italiener, später waren die Ex-Jugoslawen die Betroffenen. Auch längst integrierte Familien, deren Familiennamen auf –ić endeten, hatten es schwer, eingebürgert zu werden. Da gab es jenen Fall in Einsiedeln, als die Stimmberechtigten an der Urne einer ganzen Anzahl von Personen mit –ić die Einbürgerung verweigerten. Martin Beglinger schrieb in der „Weltwoche“ über die betroffene Daniela Kisić aus Sarajevo, die seit ihrem 9. Lebensjahr in der Schweiz aufgewachsen und bestens integriert, politisch interessiert und der SVP zugeneigt war:

<Daniela erzählt von jenem Abend des 3. März 2002, an dem sie, kurz nach der Abstimmung, einen flüchtigen Bekannten im Dorf traf. «Ich habe nein gestimmt bei den Einbürgerungen. Und du?», wollte der Bekannte wissen. «Ich durfte nicht abstimmen. Ich war eine der fünf -ić, die du abgelehnt hast.»>[4]

Auch hier wieder: Die Fixierung auf die Namen statt auf die Qualitäten der Menschen. Wir sollten unsere Blickrichtung ändern. In diesem Sinne möchte ich abschließend festhalten, dass ich Ihre Beanstandung in keiner Weise unterstützen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] http://www.srf.ch/play/tv/arena/video/ist-die-schweiz-rassist-ic?id=60ff70ef-a0e2-417d-820a-b5ab7609ab33

[2] http://www.forum-islam.ch/de/index.php

[3] https://www.bernerzeitung.ch/region/Der-Islam-ist-fuer-mich-eine-Art-zu-leben/story/29022980

[4] http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2003-38/artikel/wundermunition-fuer-die-wahlen-die-weltwoche-ausgabe-382003.html

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