SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Radio SRF 1, Sendung «Treffpunkt» vom 25. August 2017, Beitrag «Tofu – Buh oder Boom?» beanstandet

5153
Mit Ihrer E-Mail vom 25. August 2017 beanstandeten Sie den Beitrag „Tofu –Buh oder Boom?“ in der Sendung „Treffpunkt“ von Radio SRF 1 vom gleichen Tag.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Im Treffpunkt vom 25.8.17 verwendete die Moderatorin mehrmals das Wort ‚Fleischfresser‘. Diese Geringschätzung finde ich ziemlich deplatziert. Wenn die Frau Vegetarierin oder Veganerin ist, ist das ihre persönliche Einstellung aber sie soll sich in einem staatlichen Organ nicht abwertend über Personen äussern die sich nicht nach ihren Idealen ernähren und die einen Teil ihres Lohns bezahlen (müssen)!“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für Radio SRF 1 antwortete dessen publizistische Leiterin, Frau Heidi Ungerer:

„Mit Mail vom 25. August 2017 beanstandet Christian Ent die Sendung Treffpunkt zum Thema ‚Tofu – Buh oder Boom‘ vom 25. August. Wir nehmen hiermit gerne kurz Stellung:

1

Tatsächlich verwendet die Moderatorin von Radio SRF 1 in der Anmoderation[2] des ersten Beitrags zur Lancierung des Treffpunkt-Themas Tofu das Wort ‚Fleischfresser‘. Sie tut dies allerdings mit einem deutlich hörbaren, intonierten Augenzwinkern und ist in der Formulierung klar nicht aggressiv oder abwertend gehalten. Die rhetorischen Stilmittel der Zuspitzung/Übertreibung des Gegenüberstellens von Vorurteilen zum Tofu verwendet sie, um die Aufmerksamkeit für das Thema zu bekommen. Dies ist sympathisch signalisiert im Tonfall.

Hier im von Mundart auf Hochdeutsch transkribierten Wortlaut:

<Wenn man eine Diskussion anreisst zum Thema Tofu, dann gehen die Meinungen weit auseinander. Am Tofu scheiden sich die Geister. Wobei machen sie das wirklich? Also, wenn ich auf unsere Mails in Studio schaue, bis jetzt haben wir Post bekommen von Tofu-Fans. Was ist es denn, was den Tofu so liebenswert macht? Warum aber verachten ihn so viele Fleischfresser und Fleischfresserinnen. Liegt es am Tofu selber? Was ist denn das für einer? Diesen und andere Fragen hat sich meine Redaktionskollegin Brigitte Wenger gestellt.> Es folgt der Beitrag.

Im ganzen Rest der Sendung wird sachlich über den Streit um den Tofu, Verwendung, Produktion und Vor- und Nachteile dieses Nahrungsmittels berichtet. An keiner Stelle wird irgendeine Geringschätzung gegenüber Fleischessern geäussert. Das Wort ‚Fleischfresser‘ taucht auch nicht mehr auf.

2

In der ganzen Sendung nimmt unsere Moderatorin nirgends eine gegen wen auch immer gerichtete abwertende Haltung ein. Sie ist jederzeit das, was ihre Funktion und Rolle ist; nämlich Anwältin des Publikums, egal welche Präferenzen die Zuhörenden (oder sie selber) in Sachen Ernährung im Allgemeinen oder im Spezifischen zum Tofu haben. Die Sendung Treffpunkt informiert dazu in jedem Bereich sachlich.

Natürlich verstehen wir, wenn sich Herr Ent stösst am inhaltlich provokativen Wort ‚Fleischfresser‘ für Menschen, die gerne Fleisch essen. Es lag nicht in unserer Absicht, hier Hörer vor den Kopf zu stossen. Diese einmalige Provokation wird aber nach unserer Auffassung bereits durch die sympathische Tonalität klar aufgehoben und hörbar gekennzeichnet als rhetorisches Stilmittel zur Aufmerksamkeitssteigerung im Einstieg. Die Sendung selber ist durchwegs sachlich, berichtet rund um das Thema Tofu und verzichtet auf weitere Stilmittel dieser Art. Die Moderatorin selber isst übrigens, dies nur zum Schluss, auch gerne Fleisch.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Sendung dauert insgesamt 56:59 Minuten, allerdings aufgelockert durch viel Musik. Im Laufe der Sendung kommen die Journalistin Brigitte Wenger, die Ernährungsberaterin Anita Gröli[3] sowie der Co-Geschäftsführer der Tofurei Engel, Paul Rippstein[4], zu Wort; außerdem werden viele Hörerkommentare verlesen. Es handelt sich in der Tat um eine sachliche, interessante Sendung, die letztlich das Wissen über Tofu vermehrt.

Und ich kann mich Frau Ungerer im Urteil anschließen, dass die Moderatorin Christine Lang ihrer Rolle als unparteiische, fragende, das Gespräch vorwärtstreibende Moderatorin voll gerecht wird. Sie kippt nie ins Lager der Fleischverehrer oder in das der Fleischverschmäher. Sie hält Kurs.

Doch da ist, ganz am Anfang, dieser Satz mit den “Fleischfressern und Fleischfresserinnen“. Im gleich nachfolgenden Beitrag sagt Christine Wenger permanent „Fleisch-Esser und Fleisch-Esserinnen“, und das ist auch normal, wenn von Menschen die Rede ist: Die Menschen, die Messer und Gabel benützen, essen. Die Tiere, die sich die Nahrung direkt vom Boden, von Bäumen, Sträuchern, durch die Jagd oder aus dem Wasser herholen, fressen. Nur ein Gott wie Kronos in der griechischen bzw. Saturn in der römischen Mythologie frisst seine Kinder. Und nur Menschen, die ihrerseits Menschenfleisch essen, also Kannibalen, nennt man auch Menschenfresser. Menschen fressen zwar vieles in sich hinein, was bedeutet, dass sie sich ihnen zugefügte Erniedrigungen, Beleidigungen oder Niederlagen nicht anmerken lassen, aber sie fressen eben nicht, wenn Essbares auf dem Tisch steht.

Das Argument, dass die Formulierung mit einem ironischen Unterton gebraucht wurde, sticht für mich nicht, denn am Radio sieht man ja nicht, ob die Moderatorin gerade schmunzelt. Für mich ist die Formulierung ein Faux-pas. Und es fragt sich, ob sie einen Verstoß gegen das Radio- und Fernsehgesetz darstellt, denn dort steht in Artikel 4, Absatz 1: „Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten“.[5] Ich meine schon, dass die Menschenwürde verletzt ist, wenn gesagt wird, dass Menschen fressen. Journalistinnen und Journalisten sollten in der Sprache präzise und korrekt sein, egal, ob es sich um die Standardsprache oder um Dialekt handelt.

Nun verlangt allerdings das Bundesgericht, dass in der Programmaufsicht immer die ganze Sendung betrachtet werden muss. Nehme ich die ganze Sendung ins Visier, dann stelle ich eine absolut perfekte Moderatorinnen-Leistung fest, mit dem einen kleinen Faux-pas. Gemessen an der Gesamtsendung nimmt das Gewicht dieses Verstoßes deutlich ab. Es handelt sich um einen Fehler in einem Nebenpunkt, der die freie Meinungsbildung des Publikums nicht zu beeinträchtigen vermag. Ich habe zwar Verständnis für Ihren Ärger und teile die Meinung, dass es ein Faux-pas war, kann aber per saldo Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

Noch etwas: Sie schreiben von Radio und Fernsehen SRF als „einem staatlichen Organ“. Da irren Sie sich gewaltig. Es gibt in der Schweiz kein Staatsradio und kein Staatsfernsehen. Radio und Fernsehen sind vom Staat unabhängig, das hält einerseits die Bundesverfassung in Artikel 93, Absatz 3 [6], anderseits das Radio- und Fernsehgesetz in Artikel 3a fest. Das gilt auch für die SRG und ihre sprachregionalen Unternehmen wie SRF, RTS, RSI oder RTR: Die SRG gehört den Mitgliedern. Sie ist in ihren Programmen unabhängig und frei und hat das Recht, den Staat und seine Organe zu kritisieren – was sie auch tut. Staatsmedien in großem Stil gibt es beispielsweise in China, in Nordkorea, in Kuba, in Ägypten, in Russland, nicht aber in der Schweiz. Die einzigen schweizerischen Staatsmedien sind die Websites des Parlamentes, der Bundesverwaltung und der eidgenössischen Gerichte und das „Bundesbüchlein“, das alle Stimmberechtigten jeweils vor Volksabstimmungen erhalten.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] http://www.srf.ch/sendungen/treffpunkt/tofu-buh-oder-boom

[2] Die Anmoderation folgt 4 Minuten nach Start der Sendung, die mit einem Song nach den Nachrichten gestartet ist.

[3] http://www.die-ernaehrungsberaterin.ch/team/team-praxis-bern/anita-groeli

[4] https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/wie-entsteht-eigentlich-tofu

[5] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20001794/index.html

[6] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995395/index.html#a8

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Bild von Fehlende Wildtiernummern bei SRF erzürnt Zirkusfreunde

Fehlende Wildtiernummern bei SRF erzürnt Zirkusfreunde

Zur Ausstrahlung des Internationalen Zirkusfestivals von Monte Carlo am 19. April 2019 sind bei der Ombudsstelle vier Beanstandungen eingegangen. Ombudsmann Roger Blum kann die Beanstandungen nicht unterstützen.

Weiterlesen

Bild von «DOK» hat Verschleierung arabischer Touristinnen nicht verharmlost

«DOK» hat Verschleierung arabischer Touristinnen nicht verharmlost

Ombudsmann Roger Blum kann eine Beanstandung eines «Dok»-Films über verschleierte arabische Touristinnen nicht unterstützen. Der Beanstander ist der Ansicht, der Film habe die Verschleierung verharmlost und salonfähig gemacht. Ombudsmann Roger Blum kann diese Argumentation nicht teilen.

Weiterlesen

Bild von «DOK»-Film über die «Hüslischweiz» erzeugt Emotionen

«DOK»-Film über die «Hüslischweiz» erzeugt Emotionen

Ombudsmann Roger Blum hatte zwei Beanstandungen des «DOK»-Films «Hüslischweiz ohne Ende» vom 8. Dezember 2016 zu behandeln. Während ein privater Beanstander sich vor allem am Wort «Hüsli» stört, beanstandet der Hauseigentümerverband den ganzen Film als einseitig. Ombudsmann Roger Blum kann beide Beanstandungen nur teilweise unterstützen.

Weiterlesen

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit (bitte beachten Sie die Netiquette und Rechtliches)

Lade Kommentare...
Noch keine Kommentare vorhanden

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht