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Warum der BeO-Vogel auch im Berner Oberland fliegt

Heftig sind zur Zeit die politischen Diskussionen über den Service public und die Gebühren. Wenig wird dabei über den «Service public Régional» gesprochen. Seit 30 Jahren auf Sendung ist das Radio BeO. Ein untypisches typisches Regionalradio.


Das Wichtigste in Kürze

  • Das Sendegebiet von Radio BeO umfasst 30 Jahre nach seiner Gründung 80 Gemeinden und fungiert dadurch als Klammer für die weitverzweigte Region.
  • Täglich erreicht Radio BeO einen Viertel der regionalen Bevölkerung, oder etwa 50'000 Hörerinnen und Hörer.
  • Mit 23 Prozent ist der Programmanteil Informationsleistung bei Radio BeO im Vergleich mit anderen Privatradios hoch. Dasselbe gilt für den Anteil Schweizer Musik (über 20 Prozent).
  • Der Gesamtetat beträgt bei BeO etwa CHF 4 Millionen. Diese stammen aus Werbung und Sponsoring, aus Beiträgen eines Fördervereins sowie zu 42 Prozent aus Gebührengeldern.
  • Im Falle einer Annahme der No-Billag-Initiative 2018 wäre Radio BeO nicht überlebensfähig.

Was hat denn der Vogel Beo auf dem Signet von Radio BeO mit dem Berner Oberland zu tun? Gar nichts! Der Beo lebt in Tropenwäldern, zum Beispiel in Hinterindien oder Borneo. Im Gebiet zwischen Haslital, Grindelwald, Gstaad, Thun bis unters Brienzer Rothorn fliegen keine Beos – aber hier steht BeO für das private Regionalradio im Berner Oberland. Den Namen hatten die Gründer des Senders erfunden. Schon damals dabei war der heutige BeO-Geschäftsleiter Martin Muerner: «Inzwischen ist der Name ‹BeO› über das Radio hinaus populär und zu einem Brand für das Berner Oberland geworden, viele Institutionen haben ihn übernommen», erzählt Muerner. Tatsächlich spricht man heute vom «BeO-Land».

Die Klammer Oberland
Es war am 6. Juni 1987, als erstmals ein Radio für das Berner Oberland auf Sendung ging. Dass die BeO-Gründer aufs Oberland gesetzt hatten, war gar nicht selbstverständlich. Denn eine Berner-Oberland-Tradition oder -Identität gab es nicht wirklich. Die Bewohner dieser Region beziehen sich eher auf die Gemeinde oder auf das Tal. Im Sendegebiet gibt es 80 Gemeinden, mehrere Talschaften, das Aaretal mit den Seen und der Stadt Thun. 30 Jahre nach der Gründung ist BeO in der Region etabliert. «Das Radio ist der Dorfplatz, der Sender vermittelt ein Familiengefühl, die Hörerinnen und Hörer fühlen sich bei BeO daheim» – so beschreibt Muerner die DNA des Radios. BeO bildet eine Klammer für diese weitverzweigte Region. «Den Jingle von BeO kennt im Berner Oberland jeder» – so erzählt auch der Redaktionsleiter einer regionalen Zeitung.

«Das Radio ist der Dorfplatz, der Sender vermittelt ein Familiengefühl, die Hörerinnen und Hörer fühlen sich bei BeO daheim.»

«Service public Régional».
Die Verankerung von BeO zeigt sich auch in den Zahlen: Das Radio erreicht im engeren Sendegebiet täglich gegen 50‘000 Hörerinnen und Hörer (Tagesreichweite), also etwa einen Viertel der insgesamt 200‘000 Einwohnerinnen und Einwohner. Auch der Marktanteil im Stammland ist mit fast 15 Prozent im Vergleich zu den Werten anderer Regionalradios hoch. Dennoch sind auch im Oberland SRF 1 und SRF 3 deutlich stärker. Die regelmässigen Studien zu den Regionalradios, welche Publicom im Auftrag des BAKOM erstellt, zeigen für BeO sehr gute Werte: So liegt Radio BeO bei der Glaubwürdigkeit der regionalen Radios an dritter Stelle. Der Anteil der Informationsleistung ist mit 23 Prozent bei Radio BeO im Vergleich hoch. Martin Muerner spricht deswegen auch von einem «Service public Régional».

Von Interlaken bis Gstaad
Von Interlaken, dem Sitz des Senders, bis zum Beispiel nach Gstaad ist es weit, etwa 90 Autominuten sind es. Dennoch scheint eine besondere Qualität von BeO die Nähe zur Bevölkerung der Region zu sein: BeO hat ein breites Netzwerk an Kontakten geschaffen, über welches sie auch Informationen aus der Region erhält. Der Sender ist bei sehr vielen regionalen Gewerbeausstellungen und weiteren Veranstaltungen präsent – und kommt dort über Wettbewerbe und Fragebögen ins Gespräch mit Hörerinnen und Hörern. Das werde sehr geschätzt, erzählt Muerner. Auch die rund 70 freien Mitarbeitenden tragen zu dieser lokalen Verankerung bei.

Florian Ast, Shakira, Tanzbode
Ein Begleitradio bindet seine Hörerinnen und Hörer zu einem guten Teil über das Musikprogramm. BeO hatte immer auf eingekaufte Musikformate verzichtet – gegen den Trend bei fast allen Regionalradios. Das Repertoire an Musiktiteln ist deshalb deutlich höher als bei anderen Regionalradios. Etwa 3500 Titel sind es bei BeO, etwa 1000 ist die Norm bei anderen Privatradios. Entsprechend bunt ist der Beo-Mix: Florian Ast, Shakira, Tanzbode, Prince, Francine Jordi. Der Anteil an Schweizer Musik ist mit 20-30 Prozent aussergewöhnlich hoch – im Schnitt liegt er bei den «Privaten» bei rund neun Prozent. Für diese Leistung wird BeO im September mit dem ersten SwissMusicOnAir-Award ausgezeichnet. Die Volksmusik hat ebenso ihren festen Programmplatz – auch das ist untypisch für Regionalradios.

News, Werbung, Strubelimutz
Das Programm beschreibt Martin Muerner für die Zeitspanne zwischen 6 und 19 Uhr als «auf den Mainstream ausgerichtet». Hört man hinein, dann ist das ein Mix aus Musik, Begleitmoderation, kurzen Infos, Werbung und immer wieder mal gesponserten Wettbewerbs-Spielen – die seien sehr beliebt, sagt Muerner. Am Abend bietet BeO, auch das nicht üblich für ein Privatradio, «Specials»: Themengefässe sind hier etwa die Kirche, Volksmusik, Jugendthemen oder stündige Diskussionssendungen zu regionalen Fragestellungen; etwa zu Abstimmungen, zu wirtschaftlichen Ereignissen, zum Thema Tourismus, zur Energie – immer mit dem regionalen Aspekt im Mittelpunkt; oder zu kulturellen Ereignissen wie z.B. dem Menuhin-Festival in Gstaad. Ein ganz spezieller «Special», auf welchen BeO gerne hinweist, ist die Kindersendung «Strubelimutz» am Sonntagmorgen. Diese wird von Kindergärtnerinnen in freier Mitarbeit gestaltet.

Bei den Informationen setzt BeO auf kurze, schnelle News und O-Töne. Eine Stärke seien die Infos aus den Gemeinden. Einordnender Hintergrund oder kritische Einbettung finde man eher selten, allenfalls in einem der Specials. So kommentieren journalistische Konkurrenten, mit welchen die Redaktion gesprochen hat.

«Die 1.7 Millionen, welche die Gebührengelder ausmachen, auch über den Markt zu refinanzieren, ist unrealistisch.»

Die Stärken des Radios
Bei allen Befragten der Konkurrenz stellt man Respekt vor der BeO-Leistung fest. Es sei das einzige Radio, welches sich auf diese Region konzentriere. BeO spiele die Stärken des Radios aus, sei schnell mit News und berücksichtige die einzelnen Dörfer. Die lokalen Akteure kämen auch im O-Ton zu Wort. Die wichtigen Informationen aus der Region würden von BeO vermittelt. Man ergänze sich gegenseitig gut, weil die verschiedenen Medien im Raum des Berner Oberlandes unterschiedliche Rollen spielen: BeO spielt seine Stärke im Bereich Regionalradio aus, die Jungfrau Zeitung bringt mehr Hintergrund und Einordnung mit regionalem Anspruch, die Lokalzeitung, zum Beispiel der Frutigländer oder der Anzeiger von Saanen, berichtet ausführlicher über das Geschehen dieser Gegend; und das SRF-Regionaljournal Bern wählt jene Geschichten aus dem Oberland aus, welche für ihr ganzes Sendegebiet von Biel bis ins Wallis und das Freiburgerland beispielhaft sind. Man sei nicht nur Konkurrent, sondern manchmal auch Partner – so der Tenor der Gespräche.

Der Konkurrent SRF
SRF ist im Radiobereich der direkteste Konkurrent von BeO. BeO ist in seinem Stammgebiet der drittgrösste Sender hinter Radio SRF 1 und Radio SRF 3 – allerdings weisen alle drei Programme andere Profile auf und erreichen entsprechend verschiedene Zielgruppen. Dennoch mache SRF BeO das Leben manchmal schwer, sagt Muerner, und zählt nüchtern auf: «Bei den Verkehrsmeldungen ist SRF mit ihrem grossen Apparat überlegen. Und auch bei Grossveranstaltungen im eigenen Sendegebiet, welche überregionale Ausstrahlung haben, rückt SRF mit derart grossen Equipen an, dass wir mit unserem beschränkten Aufwand trotz Heimspiel an den Rand gedrängt werden.» Das sei etwa beim Greenfield-Festival, beim SwissEconomicForum oder beim Trucker und Country Festival der Fall. «Hier sind die Spiesse ungleich lang», so Muerner.

Ohne Gebühren ist es aus
Der Gesamtetat beträgt bei BeO etwa CHF 4 Millionen. Diese stammen aus Werbung und Sponsoring, aus Beiträgen eines Fördervereins sowie zu 42 Prozent aus Gebührengeldern. «Wir erhalten Gebührengelder, weil das Berner Oberland eine wirtschaftlich relativ schwache Region ist. Die CHF 1.7 Millionen, welche die Gebührengelder ausmachen, auch über den Markt zu refinanzieren, ist unrealistisch.» Würde die No-Billag-Initiative angenommen, dann «gits üs nümm», so Muerner. Er sei aber nicht nur deswegen gegen die Initiative und einen Gegenvorschlag, sondern auch aus grundsätzlichen Überlegungen.

22 Arbeitsplätze bietet BeO, im Moment auf 34 feste Mitarbeitende aufgeteilt. Ihr Arbeitgeber ist kein grosses Medienunternehmen. Radio BeO ist als AG absolut selbständig und hat nicht einmal einen Grossaktionär. «Unser grösster Aktionär ist mit 20 Prozent der Förderverein» stellt Martin Muerner mit hörbarem Stolz fest. Auch das macht BeO in der Privatradioszene zu einem besonderen Sender.

Text: Philipp Cueni

Bild: Radio BeO

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