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SRG Deutschschweiz

Symbiose zwischen Trump und den Medien

Beat Soltermann hat während sechs Jahren für SRF aus den USA berichtet und leitet neu das «Echo der Zeit». Sein Vorgänger Casper Selg sprach mit ihm über die Veränderungen in der Medienwelt in den USA und bei uns.

Casper Selg: Was ist die Voraussetzung für guten Journalismus. Was braucht es dazu?
Beat Soltermann: Zunächst braucht es Unabhängigkeit. Man muss frei sein von Beeinflussung. Es braucht Ressourcen, finanziell und personell, man braucht gut ausgebildete, kompetente Leute. Und es braucht Glaubwürdigkeit, damit der Empfänger der Informationen auch glauben kann, was berichtet wird.

Grundlage sind ausreichende Ressourcen; bei den traditionellen Medien fehlen die immer mehr, das Werbegeld fliesst ab ins Internet, ins Ausland. Was ist die Folge, wie sehen Sie die künftige Entwicklung?
Ich bin sehr skeptisch. Man muss zwar sehen, dass früher nicht alles besser war: Wir haben technische Fortschritte erlebt, die vieles möglich machten, was früher nicht denkbar war. Aber umgekehrt steht heute viel weniger Zeit zur Verfügung, und es muss deutlich mehr gemacht werden. Der Zeitdruck ist enorm gestiegen, man muss mehr Kanäle bedienen, und das geht – gerade angesichts reduzierter Ressourcen in den meisten Bereichen – oft zulasten der Qualität. Wir vom öffentlichen Rundfunk spüren das auch deutlich, sind aber natürlich dank der Gebühreneinnahmen in einer privilegierten Lage verglichen mit den Privaten.

Die Gegner der SRG sagen, der Markt mache alles besser als der Staat. Sie haben sechs Jahre lang die Medien in den USA verfolgt, wo es keine öffentlich-rechtlichen Medien gibt wie bei uns. Wird alles besser?
Nein, es wird dort nicht besser, denn die wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen sind ja gleich, ich würde sagen sogar noch krasser als hier. Geld ist kaum mehr vorhanden, es hat ein Konzentrationsprozess stattgefunden. Es gibt noch einige qualitativ hochstehende Medienerzeugnisse, wie «New York Times», «Wall Street Journal» und «Washington Post», die sich knapp in die neue Welt des Internets, der sozialen Netzwerke, der Podcasts und all das, was heute halt auch dazugehört, hinübergerettet haben.

Das sind sozusagen Elite-Medien, wie sieht das in der Breite aus?
Die Regionalpresse ist so gut wie verschwunden. Und die lokalen Fernsehsender bringen an Information praktisch nur Kriminalfälle, Skandale, People- Geschichten, Sport, Wetter, aber keine politische Information in unserem Sinne. Es ist für die Einzelnen recht schwierig, sich verlässlich zu informieren.

«Die Regionalpresse ist so gut wie verschwunden. Und die lokalen Fernsehsender bringen an Information praktisch nur Kriminalfälle, Skandale, People- Geschichten, Sport, Wetter, aber keine politische Information in unserem Sinne.»

Inwieweit war Trump, seine Wahl, auch ein Medienproblem?
Sehr. Das war eine richtiggehende Symbiose zwischen diesem Kandidaten und den Medien. Er lieferte eine stete Reihe von Skandalen; das half den Medien, ihren Umsatz, ihre Quoten, ihre Click-Rates hoch zu halten. Ich behaupte: Die Medien hatten einen grossen Anteil an Trumps Erfolg.

Was erfährt denn der amerikanische Wähler, die Wählerin über die inhaltlichen Positionen, über ­politische Programme, die zur Diskussion stehen?
Immer weniger. Ein Beispiel: Die Abendnachrichten der drei grossen Fernsehketten ABC, NBC und CBS haben im Wahlkampf 2008 noch insgesamt 220 Sendeminuten über eigentliche Politikinhalte berichtet.

Das ist extrem wenig.
Halten Sie sich fest: Im Jahr 2016 waren es 32 Minuten! Insgesamt! Alles andere waren Nebenschauplätze. Aufregungen über einen Tweet, die immer gleichen Zahlen über die Meinungsumfragen usw., aber nichts über Inhalte. Und dann gibt es die ­Kabelfernsehsender, CNN, MSNBC, FOX: Das sind die grossen Staubsauger, die bringen sozusagen nur Wahlkampf, aber vom Inhalt her praktisch nur das ständige Umfragerennen und die Skandale. Alles billig aufbereitet, es wird immer nur getalkt – je extremer, desto besser.

Nun gibt es ja das Internet, die «sozialen» Medien, wo der Nutzer, die Nutzerin nicht mehr konsumieren muss, was Journalisten zuvor ausgewählt und für wichtig befunden haben. Jeder sucht seine Inhalte selbst aus. Was fraglos eine Qualität sein kann, was aber auch wieder eine Kehrseite hat, wie der US-Wahlkampf zeigte.
Zum einen haben wir das Problem der «Atomisierung» des Publikums: Durch die Algorithmensteuerung beispielsweise in Facebook bekommen die meisten vor allem das zu sehen, was ihnen am meisten entspricht, was sie eh schon wissen oder denken. Es entsteht ein Austausch unter Gleichgesinnten und keine wirkliche Diskussion, wie wir sie hier in unserer direkten Demokratie noch haben. Es bilden sich einzelne Bereiche – «Bubbles» oder Blasen –, in welchen sich Leute gegenseitig bestärken. Man trifft deswegen ständig auf Leute, die keine Ahnung haben, was die andere Partei denkt, wie dort argumentiert wird, und das führt zur faktischen Spaltung des Landes, der Gesellschaft ...

... und es führt auch dazu, dass man die Diskussion relativ einfach ­manipulieren kann, indem
man ­vermeintliche Fakten, Erfundenes, in diese Bubbles einspeist.

Man kann es heute als erwiesen betrachten, dass Russland sich mit solchen erfundenen Geschichten in den US-Wahlkampf eingemischt hat. Ein Beispiel: In Texas heizten russische Hacker die Atmosphäre auf, indem sie eine Website lancierten, welche die Sezession von Texas verlangte. Die hat erheblichen Anklang gefunden, Leute schlossen sich dem Postulat an, das zeigte Wirkung. Reiner Unsinn. Aber wer nicht geschult ist, merkt den Unterschied nicht. Wenn die «Gatekeeper», die Journalisten und Journalistinnen, nicht mehr da sind und mit entsprechender Ausbildung nach bestem Wissen und Gewissen zu gewichten helfen, was glaubwürdig und berichtenswert ist, dann übernehmen andere diese Aufgabe und nutzen das für ihre Zwecke.

Wenn man das alles jetzt zu einem Bild zusammennimmt und mit Europa vergleicht – Sie sind jetzt seit August wieder in Europa, in der Schweiz –, wie gross ist der Unterschied? Wenn überhaupt?
Es ist ja so, dass Entwicklungen im Medienbereich, im IT-Bereich, in der Unterhaltung immer mit zwei, drei Jahren Verzögerung auch bei uns wirksam werden. Das ist hier nicht anders. Die Rahmenbedingungen sind ja dieselben.

Alles gleich wie in den USA, nur drei Jahre ­ver­schoben?
Ja und dann doch wieder nicht ganz. Denn einerseits sind die USA ein einziger Markt mit 330 Millionen Einwohnern mit praktisch einer einzigen Sprache. Die Märkte in Europa sind natürlich alle wesentlich kleiner, nicht homogen. Da ist weniger möglich. Und andererseits sind die demokratischen Prozesse sehr verschieden. Durch unsere vier Abstimmungen pro Jahr haben wir natürlich einen grundsätzlich anderen Diskurs in der Gesellschaft als in den USA, wo alle zwei Jahre Wahlen stattfinden, aber nur selten Sachabstimmungen.

Die Berlusconisierung in Italien, Murdochisierung in Grossbritannien, Blocherisierung hierzulande, also Milliardäre, die sich eine dominierende Stellung in der geschwächten Medienlandschaft zusammenkaufen: Ist das letztlich auch ein übernommenes amerikanisches Phänomen?
Rupert Murdoch hat ja den amerikanischen TV-Kabelsender FOX-News nicht als rein kommerzielles Unterfangen lanciert, sondern er hat es zusammen mit dem konservativen Roger Ailes bewusst zum einflussreichen Sprachrohr des rechten politischen Randes gemacht. Den lautstarken Rechten um Stephen Bannon ist FOX allerdings wieder zu «links». Sie versuchen jetzt ein neues TV-Netzwerk zusammenzubauen, das noch radikaler rechts stehen wird. Anderes Beispiel: Amazon-Gründer Jeff Bezos hat die «Washington Post» gekauft. Damit ist ein liberales Blatt in den Händen eines Grossindustriellen. Es besteht ein grosses Interesse, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

«Amazon-Gründer Jeff Bezos hat die «Washington Post» gekauft. Damit ist ein liberales Blatt in den Händen eines Grossindustriellen. Es besteht ein grosses Interesse, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.»

Nun bringt das Internet neben Problemen ja auch Chancen, neue journalistische Projekte, neue Plattformen: Entstehen hier tragfähige Alternativen?
Es gibt in den USA tatsächlich eine ganze Reihe von neuen Medien. Die Internetplattform «Politico» ist heute eine der führenden Stimmen im politischen Journalismus. Oder «Vox»: Eine Website, die versucht, aktuelle Ereignisse zu erklären. Aber auch die traditionellen Medien nutzen das Internet heute zum Teil vorbildlich, etwa die «New York Times», die eine grosse Fülle von Material internetspezifisch aufbereitet. Man muss aber sehen, dass sich die meisten US-Projekte wegen der unterschiedlichen Marktbeschaffenheit nicht eins zu eins als Modelle auf die Schweiz übertragen lassen.

Wenn wir all die Bilder der ­Medienlandschaften in den USA und Europa zusammennehmen:
Wo passen da die ­Öffentlich-Rechtlichen hin?

In meinen Augen sind die öffentlichen Radio- und Fernsehhäuser immer mehr eine Art Korrektiv in dieser ganzen Entwicklung. Die müssen zwar auch um ihre Publika kämpfen, bisweilen auch gewisse Kompromisse in dieser Hinsicht eingehen, aber weil sie halt die öffentlichen Gebühren als Einnahmequelle auf sicher haben, sind sie all diesen Entwicklungen nicht im gleichen Masse ausgesetzt wie die privaten Medien.

Sie müssen sich nicht primär an Click-Rates und Einschaltquoten orientieren. Können sie sich dem Druck wirklich ent­ziehen?
Sie sind gegen diese Entwicklungen nicht vollkommen gefeit, weil sie ja auch in dieser Welt leben und sich dem nicht einfach entziehen können. Man kann immer wieder fragen: Ist dieses oder jenes Angebot wirklich das, was Öffentliche machen sollen, sollte man das nicht den Privaten überlassen? Aber grundsätzlich besteht ein erheblicher Unterschied. Das geht von Spielfilmen, die Private nie finanzieren könnten, bis hin zu Informationssendungen, die wir mit einem ganz anderen Aufwand erarbeiten können, als das den Privaten möglich ist. Wir senden im «Echo» Beiträge zu den Themen, die wir von öffentlichem Interesse halten. Und nicht, was als Story am ehesten geklickt werden wird. Ich verurteile Letzteres nicht, ich weise nur auf den Unterschied hin. Eine Sendung wie «Echo der Zeit» mit dem Netz an Korrespondenten und Fachredaktorinnen, die dahinterstehen, wäre über den Markt niemals zu finanzieren.

Wir sprachen von Unabhängigkeit als wichtiger ­Voraussetzung für guten Journalismus: Idealisieren wir hier möglicherweise? Sie haben sich in Ihrer Dissertation mit verschiedenen öffentlich-recht­lichen Sendeanstalten in Europa auseinander­gesetzt: Sind die alle wirklich so unabhängig?
Die Systeme sind nicht alle gleich. Und es gibt natürlich immer wieder Versuche seitens der Politik, über den Staat Einfluss auf die Programme zu nehmen. Das geht dann jeweils über die Finanzkontrolle oder über die Bestellung von Spitzenfunktionen. Das Schweizer Modell ist da in der Tat vergleichsweise unabhängig.

Was wäre, wenn es das «Echo» Ende nächsten ­Jahres nicht mehr gäbe?
(zögert...) Ich fände das schlimm. Nicht primär für uns selber, das natürlich auch, aber vor allem für die Hörerschaft, die an guter Radioinformation interessiert ist. Es wäre auch ein trauriges Zeichen dafür, wie die Medienwelt sich verändert hat. Es würde eine wichtige Informationsquelle in der öffentlichen Debatte fehlen: das Medium, das in Untersuchungen mit der höchsten Glaubwürdigkeit überhaupt bewertet wird. Wie gesagt: Glaubwürdigkeit ist zentral, wenn es um die Wirkung von Information geht. Und die SRG als nationale Plattform wäre eigentlich immer wichtiger in einer sich zusehends fragmentierenden Öffentlichkeit.

Text: Casper Selg

Bild: Peter Mosimann

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