«Jobtausch» der Reiter Schweiz-Mexiko beanstandet

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Mit Ihrem Brief vom 9. November 2017 beanstandeten Sie die Sendung „Jobtausch“ Staffel 6, Folge 6 mit dem Tausch der Reiter Schweiz-Mexiko (Fernsehen SRF) vom 3. November 2017.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Entsetzlich was da mit den Pferden und den armen Tieren, die am Schwanz durch die Arena geschleift wurden, am Fernsehen gezeigt wurde – einfach abscheulich.
Wieso haben die Schweizer das mitgemacht? Ich schäme mich für die beiden.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Abteilung Unterhaltung äußerte sich Frau Karen Ballmer, Senior Producerin Show, wie folgt:

„Besten Dank für Ihr Schreiben vom 16.11.2017 zur Beanstandung von Frau X bezüglich der Sendung ‚Jobtausch‘ vom 3. November 2017. Frau X beanstandet in ihrer Beschwerde die Darstellung der mexikanischen ‚Charreria‘. Gerne nehmen wir dazu wie folgt Stellung:

In der Sendung ‚Jobtausch‘ geht es grundsätzlich darum, dass zwei Schweizerinnen und Schweizer ihren Job für eine Woche mit zwei Kolleginnen und Kollegen aus einem anderen Land tauschen. Die Berufsgattungen sind ähnlich, doch Land, Leute, Betrieb und Umgang sind komplett verschieden. Es ist ein Eintauchen in eine neue fremde Welt. In dieses Abenteuer haben sich auch eine Bereiterin und ein Reitlehrer des NPZ (Nationales Pferdezentrum Bern) begeben und sind in ihrem ‚Jobtausch‘ nach Mexiko zu den ‚Charros‘, den mexikanischen Cowboys, geflogen. Die ‚Charreada‘ ist eine alte Tradition in Mexiko und gehört seit 2016 zum UNESCO Weltkulturerbe. Die ‚Charros‘ sind Berufs-Cowboys und messen sich in Wettkämpfen, ähnlich den amerikanischen Rodeo-Veranstaltungen, in neun Disziplinen. Diese sind:

1. Cala de Caballo: Hierbei handelt sich um eine Demonstration der Talente des Pferdes bei der Ausführung verschiedener Manöver.

2. Piales en Lienzo: Der Reiter wirft ein Lasso, das Pferd muss durch die Schlinge laufen und das Seil mit seinen Hinterbeinen erfassen.

3. Colas en el Lienzo: Der Reiter reitet neben dem Stier her und versucht dessen Schwanz um sein rechtes Bein zu wickeln, um ihn zu Fall zu bringen. Punkte gibt es für die Technik, die Zeit und das Rollen des Bullens.

4. Jineteo de Toro: Ähnlich dem Rodeo, die Bullen sind allerdings kleiner und werden geritten, bis sie aufhören zu bocken.

5. Terna en el Ruedo: Teamdisziplin, bei dem ein Charro den Bullen am Nacken einfängt, der Zweite die Hinterbeine und der Dritte die Füße zusammenbindet.

6. Jineteo de Yegua: Ein untrainiertes Pferd wird mit einem Bull Rope geritten. Es dürfen beide Hände benutzt werden und die Beine müssen horizontal zum Boden gehalten werden.

7. Manganas a Pie: Der Charro hat drei Versuche, vom Boden aus zu versuchen, ein Pferd durch das Zusammenbinden der Vorderbeine zu Fall zu bringen. Punkte gibt es für die Zeit und die Kniffe beim Zusammenbinden.

8. Manganas a Caballo: Identisch mit Manganas a Pie, nur wird die Disziplin vom Pferd aus ausgeführt.

9. El Paso de la Muerte: Der Charro reitet ohne Sattel mit Zügeln und versucht von seinem Pferd aus auf ein anderes, ungesatteltes Pferd ohne Zügel zu springen und reitet es, bis es aufhört zu bocken.

Bei den beiden Tauschreitern aus der Schweiz ging es in der Sendung darum, in drei dieser Disziplinen anzutreten: beim ‚Cala de Caballo‘, beim ‚Paso del la Muerte‘ und auch bei den ‚Colas en el Lienzo‘. Da ging es, wie oben beschrieben darum, vom Pferd aus den jungen Stier durch das Festhalten am Schwanz zu Fall zu bringen.

Generell bilden wir in der Sendung ‚Jobtausch‘ eine Realität ab (wenn auch verdichtet erzählt). Wir beschönigen nicht und wir verändern die Bedingungen nicht. So auch bei dieser Szene. Dies ist eine Tradition, welche bei einigen auf Unverständnis stossen mag, aber sie ist Teil dieser fremden Welt, in welche die Tauscharbeiter eintauchen. Im Film ist zudem klar herausgekommen, dass auch die Schweizer Bereiterin mit dieser Disziplin am meisten gehadert hat. Auch dies hat sich so zugetragen, ihre Emotionen waren echt. Dass sie sich letztendlich entschlossen hat, es zu probieren – wenn auch nur halbherzig – war ihr ganz persönlicher Entscheid.

Zusammengefasst kann man sagen: ‚Jobtausch‘ lebt von neuen und ungewohnten Erfahrungen, welche die Protagonisten erleben. Im Format werden die Geschehnisse so eingefangen, wie sie sich zugetragen haben. Andere Länder pflegen andere Bräuche und Traditionen – einige gefallen, andere missfallen. Aber es geht nicht darum, eine heile Welt zu zeigen, sondern die Realität abzubilden.

Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen gedient zu haben und stehen für weitere Rückmeldungen zu Verfügung.“

C. Soweit die Stellungnahme der Redaktion. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich kann Ihre Reaktion sehr gut verstehen: Wir haben in der Schweiz einen anderen Begriff vom Tierschutz. Wir sind entsetzt, wenn in Spanien oder Lateinamerika in der Arena Stiere gereizt, gequält und schliesslich getötet werden. Wir leiden mit, wenn in Mexiko beim Colas en el Lienzo der Stier vom Reiter auf dem parallel galoppierenden Pferd aus am Schwanz gezogen und zu Fall gebracht wird. Wir lehnen es ab, dass Tiere zur Volksbelustigung gequält werden. Die Schweizer Reiterin Manuela bringt diese Grundhaltung sehr schön zum Ausdruck: Sie kann sich eher mit einer Reitdisziplin anfreunden, die gefährlich ist für den Menschen, als mit einer, die gefährlich ist für das Tier.

Aber Hand aufs Herz: Sind wir wirklich total tierfreundlich? Auch bei uns werden Schweine, Rinder, Hühner oder Enten geschlachtet, Hirsche und Rehe geschossen, Wildschweine getötet, Fische gefangen. Hinter jeder Metzgerei verbirgt sich ein Schlachthof. Und wer hat nicht schon Mücken, Fliegen oder Wespen umgebracht? Wir sind eben nicht auf der ganzen Linie freundlich zu den Tieren, wir lassen es nur nicht zu, dass sie öffentlich sichtbar gestresst, gequält, verletzt oder gar getötet werden.

Man kann in guten Treuen der Meinung sein, dass Fernsehen SRF eine Sendung wie „Jobtausch“ nicht braucht. Sie ist finanziell, logistisch und gestalterisch aufwendig. Die SRG würde ihren Service public-Auftrag auch ohne diese Sendung erfüllen. Aber die Sendung „Jobtausch“ vermittelt gute Unterhaltung. Sie gibt Einblick in andere Kulturen, Sitten und Bräuche. Sie transportiert Emotionen. Im konkreten Fall brachte sie verschiedene Spielarten des Reitsports näher. Sie zeigte die schweizerische Tradition des Springreitens und die mexikanische des Rodeo-Reitens. Sie verschaffte ein Bild, wie Reitlehrer hier wie dort ihre Zöglinge trainieren und wie diese ihre Aufgaben meistern. Es stimmt, man sieht bei den Bildern aus Guadalajara auch stürzende Stiere, und man erfährt, dass der Wettkampf abgebrochen wurde, weil die Stiere zu wild waren. Man kann über diesen Umgang mit Tieren empört sein, aber man muss auch anerkennen, dass diese Reitdisziplin in Mexiko eine Realität ist und zur dortigen Kultur gehört.

Die Frage ist, ob Fernsehen SRF einen Fehler gemacht und gegen die Grundsätze des Radio- und Fernsehgesetzes verstoßen hat, als beschlossen wurde, im Rahmen der Sendung „Jobtausch“ schweizerische und mexikanische Reiter den Platz tauschen zu lassen. Es gibt sicher Grenzen für eine solche Sendung. Es wäre beispielsweise nicht so eine gute Idee, wenn zwei Berufskiller oder zwei Geheimdienstagenten den Job tauschten. Man könnte sich auch nicht vorstellen, dass gezeigt würde, wie ein amerikanischer Wärter des elektrischen Stuhls und ein saudiarabischer Henker, der jeden Freitag Verurteilte köpft, den Job tauschen. Es gibt Grenzen, und es gibt Unzeigbares. Diese Grenze wurde im konkreten Fall aber nicht überschritten, und aus rechtlicher Sicht kann ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen, auch wenn ich Ihre Empörung sehr gut nachvollziehen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

[1] https://www.srf.ch/sendungen/jobtausch/staffel-6/der-jobtausch-in-mexiko-und-der-schweiz-die-reiter; https://www.srf.ch/sendungen/jobtausch

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