SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Beitrag «No-Billag-Initiative beschäftigt nun auch die Tessiner» von «Echo der Zeit» beanstandet

5243
Mit Ihrer E-Mail und Ihrem Brief vom 24. November 2017 beanstandeten Sie die Sendung „Echo der Zeit“ (Radio SRF) vom 8. November 2017 und dort den Beitrag „‘No Billag‘-Initiative beschäftigt nun auch die Tessiner“.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Das von der SRG betriebene Radio SRF 1 hat am 8. November 2017 in der Sendung ‚Echo der Zeit‘ einen Beitrag über die No-Billag-Initiative im Kanton Tessin ausgestrahlt. Zum Zeitpunkt der Ausstrahlung der beanstandeten Sendung war der Abstimmungskampf bereits in vollem Gange. Als mehrheitliche Empfängerin von Rundfunkgebühren ist die SRG bei der redaktionellen Bearbeitung dieses Themas in höchstem Ausmass befangen, weshalb die Redaktion bei der Behandlung sehr sorgfältig arbeiten muss. Ein besonderes Augenmerk gilt der Meinungsbildung und Ausgewogenheit, welche in Art. 4 Abs. 2 und Abs. 4 Radio und Fernsehgesetz in Form des Sachgerechtigkeitsgebots bzw. Vielfaltsgebots verankert sind.

Insbesondere das Vielfaltsgebot will einseitige Tendenzen in der Meinungsbildung verhindern. Sendungen, die bevorstehende Wahlen thematisieren, sind ausgewogen, unparteiisch und fair zu gestalten. Es herrschen hohe Anforderungen an die Ausgewogenheit und die Chancengleichheit der sich gegenüberstehenden Meinungen (vgl. statt vieler: UBI-Entscheid vom 17. Juni 2016, b. 730, E. 4.4, mit weiteren Hinweisen).

In dieser speziellen Situation, in welcher die SRG nachweislich eine Interessensgruppe darstellt, ist eine absolute Ausgewogenheit zu erwarten. Es müssen in einem Beitrag gleich viele Gegner und Befürworter auftreten und sie müssen gleich viel Redezeit erhalten. Die Journalisten müssen zudem beide Seiten genau gleich kritisch befragen (vgl. Interview der NZZ am Sonntag vom 11. November 2017 mit Roger Blum[2]).

Im vorliegend beanstandeten Beitrag kommt gerade einmal ein (!) Befürworter der No­Billag-Initiative zu Wort. Er wird überdies als Einzelkämpfer dargestellt, der im Tessin von den bürgerlichen Parteien keinen Rückhalt geniessen soll. Gleich mehrere Personen gelangen hingegen zu Wort bzw. werden zitiert, welche die Initiative deutlich ablehnen. Das Verhältnis der Befürworter (1) gegenüber Kritikern bzw. angeblichen Skeptikern (5) schafft ein völliges Ungleichgewicht. Der Beitrag ist daher per se schon handwerklich und formal betrachtet nicht ausgewogen.

Auch inhaltlich weist der Beitrag Mängel auf. Bei Ständerat Filippo Lombardi, der als Gegner der Initiative zu Wort kommt, wird verschwiegen, dass seine Sender in erheblichem Ausmass ebenfalls von den Rundfunkgebühren profitieren und er deshalb als Unternehmer Eigeninteressen verfolgt. Auch er ist, wie die SRG, persönlich betroffen, involvierte Partei und somit befangen. Der Zuhörer kann sich darüber jedoch kein eigenes Bild machen. Auch wird die Rolle von Herrn Lombardi in diesem Zusammenhang nicht kritisch hinterfragt. Vielmehr erscheint der Eindruck, dass Herr Lombardi ausschliesslich deshalb gegen die Initiative ist, weil er einem privaten Sender die Produktion grosser, nationaler Sendungen nicht zutraut. Das ist nur die halbe Wahrheit, weil Herr Lombardi bzw. seine Sender im Falle der Annahme der No-Billag-Initiative auf mehrere Millionen Einnahmen verzichten müssten. Ein nicht unwesentliches Motiv, welches der Beitrag verschweigt und daher die Motivation von Herrn Lombardi nicht näher hinterfragt. Ebenso die Aussage, private Sender wären nicht in der Lage, nationale Sendungen zu produzieren. Dazu existieren andere Meinungen.

Tendenziös ist auch die Verknüpfung der Initiative mit dem Felssturz in Gondo. Aus dem beanstandeten Beitrag geht zu wenig deutlich hervor, dass es sich beim Votum der Gemeindepräsidentin um eine Einzelmeinung handelt. Im Gegenteil: Es wird vielmehr die Behördenstellung hervorgehoben, womit ein ‚offizieller‘ Eindruck erweckt wird. Es wird ferner verschwiegen, dass in Gondo auch Personen existieren, welche die mediale Berichterstattung kritisieren und sich allgemein gewünscht hätten, dass die Medien zurückhaltender berichtet hätten. Zudem ist es falsch, dass sich alle privaten Medien zurückgezogen hätten.

Mit Ausstrahlung der vorliegenden Sendung missbraucht die SRG ihr gebührenfinanziertes Programmangebot für politische Propaganda. Der Beitrag ist offensichtlich unausgewogen. Der Zuhörer kann sich vor diesem Hintergrund keine eigene Meinung bilden. Im Ergebnis wird deutlich, dass der beanstandete Beitrag gegen Art. 4 Abs. 2 und 4 Radio- und Fernsehgesetz verstösst. Höflich ersuche ich Sie daher, eine entsprechende Beanstandung festzustellen.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für Radio SRF äusserte sich Frau Elisabeth Pestalozzi, stellvertretende Chefredaktorin:

„Besten Dank für die Möglichkeit, zur Beanstandung Nr. 5243 von Frau X Stellung nehmen zu können.

Die Beanstandung

Frau X beanstandet einen Beitrag in der Sendung ‚Echo der Zeit‘ vom 8. November 2017 zum Thema ‚Der Kanton Tessin und die No-Billag-Initiative‘. In ihrem Schreiben erinnert uns Frau X an die besondere Situation der SRG in diesem Abstimmungskampf, weshalb von der Berichterstattung eine ‚absolute Ausgewogenheit‘ zu erwarten sei. In der vorliegenden Sendung missbrauche die SRG ihr gebührenfinanziertes Programmangebot für ‚politische Propaganda‘.

Im beanstandeten Beitrag kritisiert Frau X folgende konkreten Punkte:

Kritikpunkt 1: Im Beitrag komme nur einmal ein Befürworter der No-Billag-Initiative zu Wort.

Kritikpunkt 2: Das Verhältnis von Befürwortern und Kritikern/Skeptikern der Initiative betrage 1:5, was ein ‚völliges Ungleichgewicht‘ schaffe.

Kritikpunkt 3: Der Befürworter der Initiative werde als Einzelkämpfer dargestellt, der im Tessin bei den bürgerlichen Parteien keinen Rückhalt geniesse.

Kritikpunkt 4: Der Beitrag verschweige, dass Ständerat Filippo Lombardi, Gegner der Initiative, auch Präsident der Media Ticino Holding SA ist, deren Sender Gebühren erhalten.

Kritikpunkt 5: Die Verknüpfung der Initiative mit dem Felssturz in Gondo (gemeint ist wohl Bondo, Anm. der Stellungnehmenden) sei tendenziös. Das Statement der Gemeindepräsidentin suggeriere eine ‚Behördenstellung‘, dabei handle es sich um eine Einzelmeinung.

Der beanstandete Beitrag

Am 8. November 2017 brachte die Sendung ‚Echo der Zeit‘ einen Beitrag zur Frage, wie die Initiative zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren (No-Billag-Initiative) im Kanton Tessin diskutiert werde. Das Thema ist relevant, weil kein anderer Landesteil so stark von den Gebühreneinnahmen aus anderen Sprachregionen profitiert wie die italienische Schweiz. Anlass für die Berichterstattung an diesem Tag war eine Veranstaltung, bei der sich in Bellinzona das Komitee ‚No Billag No Svizzera‘ der Öffentlichkeit vorstellte.

Unsere Stellungnahme

Frau X wirft uns vor, im Beitrag zur Diskussion über die No-Billag-Initiative im Kanton Tessin nicht sachgerecht berichtet zu haben, schlimmer noch, unser Programmangebot für ‚politische Propaganda‘ missbraucht zu haben.

Im Folgenden werden wir aufzeigen, dass dieser massive Vorwurf nicht gerechtfertigt ist und jeglicher Grundlage entbehrt. Unsere Berichterstattung war vielmehr sach-gerecht und fair.

Zu Kritikpunkt 1:

Die Beanstanderin behauptet, dass <gerade einmal ein (!) Befürworter der No-Billag-Initiative zu Wort> komme.

Das ist nicht richtig. Befürworter Alain Bühler kommt drei Mal zu Kernfragen der Initiative zu Wort, die InitiativgegnerInnen Filippo Lombardi, Anna Giacometti und Fabio Abate je einmal, also ingesamt ebenfalls mit drei Zitaten. Die Argumente beider Seiten werden mit der gleichen Anzahl Quotes wieder-gegeben.

Dass die gegenerischen Argumente auf drei Köpfe verteilt werden und die befürwortenden auf einen, hat einen Grund: In der parlamentarischen Debatte haben sich nur VertreterInnen der SVP für die Initiative ausgesprochen, alle anderen Parteien waren dagegen. Auf nationaler Ebene wird – ausser von der SVP - von allen grossen Parteien die Nein-Parole erwartet.

Wichtig erscheint uns, dass die Interviewten die besten Argumente für Ihre Haltung äussern konnten.

Zu Kritikpunkt 2:

Dieser besagt, dass im Beitrag das Verhältnis von Befürwortern und Gegnern 5:1 betrage und deshalb ein ‚völliges Ungleichgewicht‘ entstehe.

Das ist nicht richtig. Die Gleichbehandlung des Befürworters und der GegnerInnen schlägt sich nachweislich in der Redezeit nieder, welche beide Seiten zur Verfügung haben. Der Befürworter der Initiative wird während 1 Minute 08 Sekunden zitiert, die GegnerInnen kommen auf 1 Minute 02 Sekunden. 47% des Textes enthalten neutrale Informationen, Angaben zur Person, oder Überleitungen, etc. 28% des Raums gehört den Gegnern der Initiative, 25% den Befürwortern.

(In der Beilage ist der Beitrag transkribiert, die verschiedenen Passagen sind farblich ausgewiesen: gelb=neutral, rot=Gegner, grün=Befürworter.)

Der Befürworter hat im Beitrag das erste und das letzte Wort und somit diejenigen Statements, die beim Zuhörer, der Zuhörerin erfahrungsgemäss besonders haften bleiben. Der Beitrag ist somit sachgerecht.

Zu Kritikpunkt 3:

Hier wird kritisiert, der Befürworter werde <als Einzelkämpfer dargestellt, der im Tessin von den bürgerlichen Parteien keinen Rückhhalt geniessen soll>.

Alain Bühler wird im Beitrag als Erstunterzeichner der No-Billag-Initiative und als SVP-Mitglied vorgestellt. Von der SVP weiss man, dass sie gespalten ist. Die Zürcher Kantonalpartei unterstützt die Initiative, namhafte Persönlichkeiten wie der ehemalige Nationalratspräsident Jürg Stahl engagieren sich im gegnerischen Komitee. Mit der Bezeichnung ‚SVP-Mitglied‘ ist Alain Bühler also automatisch kein Einzelkämpfer.

Auch im Tessin ist die SVP wie auch die Lega beim Thema ‚No-Billag-Initiative‘ gespalten (die Kantonsregierung ist allerdings in corpore gegen die Initiative). Diese Informationen sind wichtig, damit sich die ZuhörerInnen von der Debatte im Tessin ein Bild machen und sich eine eigene Meinung bilden können.

Wie die Beanstanderin zur Annahme kommt, dass Alain Bühler laut des Beitrags gar keinen Rückhalt geniesse, wo doch im Beitrag explizit aufgezeigt wird, dass die Initiative bei SVP und FDP umstritten sei, ist uns unklar. Ist ein Sachverhalt in einer Partei umstritten, werden von ihren Mitgliedern verschiedene Meinungen vertreten – ergo auch diejenige von Herrn Bühler. Allerdings wird im Beitrag auch klar herausgearbeitet, dass die Initiative im Kanton Tessin bis jetzt wenig Unterstützung findet. Das hat nichts mit Herrn Bühler zu tun, sondern mit den gegenwärtigen politischen Realitäten im Tessin.

Zu Kritikpunkt 4:

Die Beanstanderin stört sich daran, dass im Beitrag unerwähnt bleibe, dass Filippo Lombardi mit seinen Privatsendern ebenfalls in Genuss der Radio- und TV-Gebühren komme.

35 Radio- und TV-Stationen in der Schweiz beziehen Gebühren, 21 beziehen keine. Filippo Lombardi gehört mit Radio 3iii und Tele Ticino zur Mehrheit, zur Regel quasi. Es liegt also in der freien Entscheidung des Journalisten, diesen Sachverhalt zu erwähnen oder wegzulassen. Der Autor hat sich bewusst für letzteres entschieden. Und dies mit gutem Grund:

Die Frage an Ständerat Lombardi war gerade nicht, ob er künftig weiterhin Gebühren beziehen möchte oder nicht. Die Frage an ihn als Branchenkenner war, ob ein privater Veranstalter in jene Lücke springen könne, die mit einem JA zur Initiative entstehen würde. Lombardis Antwort ist NEIN. Herr Alain Bühler bezieht im gleichen Beitrag zur gleichen Frage mit seiner gegenteiligen Meinung Stellung. Auch in diesem Punkt liegt keine einseitige Berichterstattung vor.

Zu Kritikpunkt 5:

Der Einbezug des Felssturzes von ‚Gondo‘ sei tendenziös, wird in der Beanstandung kritisiert. Die Stellung der Gemeindepräsidentin sei zu sehr ‚hervorgehoben‘, dabei handle es sich um eine Einzelmeinung. Diese Kritik können wir nicht verstehen.

Frau Giacometti ist nach der Naturkatastrophe von Bondo schweizweit bekannt geworden, und zwar in ihrer Rolle als Gemeindepräsidentin. Ihre Behördenstellung als Gemeindepräsidentin wird im Beitrag nicht auf besondere Art und Weise ‚hervorgehoben‘. Sie wird ein einziges Mal erwähnt. Auch Filippo Lombardi und Fabio Abate werden in ihren Funktionen als Ständeräte vorgestellt. Es gehört zur journalistischen Berichterstattung, die GesprächspartnerInnen mit ihren Funktionsbezeichnungen einzuführen. Das gilt auch für die Beschreibung von Frau Giacomettis Motivation im Abstimmungskampf.

Anna Giacometti begründet ihr Engagement bei der Kampagne ‚No Billag No Svizzera‘ bei ihren öffentlichen Auftritten mit ihrer Erfahrung mit den Medien beim Felssturz in ihrem Dorf im August 2017. Das ist eine für den Hörer, die Hörerin relevante Information. Ohne diese könnte man nur schwer verstehen, weshalb sich die Gemeindepräsidentin eines 200-Seelen-Dorfes stark gegen die Initiaitve engagiert und prominent zu Wort kommt. Was am Einbezug von Bondo in diesem Beitrag ‚tendenziös‘ sein sollte, können wir nicht nachvollziehen.

Und schliesslich heisst es in der Beanstandung, es sei ‚falsch, dass sich alle privaten Medien zurückgezogen hätten‘. Der Text im Beitrag lautet anders: <Die meisten seien aber bald abgezogen.> Das heisst also eben nicht ‚alle‘, sondern lediglich ‚die meisten‘.

Fazit:

Die Vorwürfe der Beanstanderin sind heftig. Es ist von politischer Propaganda die Rede und von Unausgewogenheit. Auf diesem Hintergrund könne sich der Hörer keine eigene Meinung bilden.

Diese Vorwürfe können wir so nicht stehen lassen. Auch nach eingehender Prüfung können wir nicht erkennen, inwiefern der beanstandete Beitrag unausgewogen sein soll oder damit gar ‚politische Propaganda‘ betrieben werden soll.

Da wir von der ‚No-Billag‘-Initiative betroffen sind, achten wir selbstverständlich darauf, sachgerecht und fair darüber zu berichten. Dies galt auch bereits zum Zeitpunkt des beanstandeten Beitrages, d.h. fast vier Monate vor der Abstimmung, also weit vor der von der UBI definierten sensiblen Periode. Wir sind der Meinung, dass uns das gelungen ist und wir im beanstandeten Beitrag sachgerecht und fair berichtet haben. Anders als die Beanstanderin schreibt, kommen sowohl der Befürworter als auch die GegnerInnen der Initiative gleichgewichtig zu Wort. Eine einseitge, unausgewogene Berichterstattung oder gar ‚politische Propaganda‘ können wir nicht erkennen.

Aus den dargelegten Gründen bitten wir Sie, die Beanstandung nicht zu unterstützen.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es ist sicher richtig, dass das „Echo der Zeit“ die „No Billag“-Debatte im Tessin aufgegriffen und dabei auch gezeigt hat, dass die italienische Schweiz am stärksten von der Gebühren-Quersubventionierung profitiert. Es bot sich überdies an, den Bericht zu jenem Zeitpunkt zu platzieren, als sich das Tessiner Komitee „No Billag No Svizzera“[3] vorstellte, das die Initiative bekämpft.

Grundsätzlich gibt es drei Typen von Abstimmungsberichten zur „No Billag“-Initiative, nämlich

  1. Berichte über Ereignisse des Abstimmungskampfes (Medienkonferenz des Bundesrates, Medienkonferenzen der Befürworter und Gegner, Parolenfassungen von Parteien und Verbänden, Kundgebungen, auffällige, außerordentliche Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern wie Gehässigkeiten, Shitstorms, Gerichtsverfahren, Eclats in Rundfunksendungen, Meinungsumfragen, Berichterstattung am Abstimmungssonntag);
  2. Hintergründe zum Abstimmungsthema (Interpretation und Bedeutung des Textes, Vergleiche mit dem Ausland, historische Entwicklung, Folgen für bestimmte Branchen, Regionen, Bevölkerungsschichten, Finanzierung der Kampagne, Probleme der Umsetzung);
  3. Argumente der Befürworter und Gegner (Pro- und Contra-Positionen, Streitgespräche).

Beim Typus a müssen Radio und Fernsehen die Realität spiegeln. Wenn es beispielsweise einen Kanton gäbe, in dem sämtliche Parteien die Ja-Parole zur „No Billag“-Initiative beschließen, dann kann in einer Sendung nicht behauptet werden, die Hälfte der relevanten politischen Akteure sagten ja und die Hälfte nein, denn das wäre gelogen. Es ist die Aufgabe von Radio und Fernsehen in der Schweiz, nicht zu lügen.

Beim Typus b geht es darum, Fakten zusammenzutragen und sie durch Befürworter und Gegner kommentieren zu lassen. Auch hier können nicht immer beide Lager ausgewogen berücksichtigt werden. Nehmen wir ein Beispiel aus einem anderen Bereich: Wenn die Gegner eines Bahntunnels behaupten, er koste 600 Millionen, wissenschaftliche Gutachten aber zeigen, dass er auf 185 Millionen zu stehen kommt, dann kann man nicht sagen, dass beide Seiten gleichermaßen Recht hätten, denn dann würde man lügen.

Beim Typus c hingegen ist strikte Parität verlangt. Darauf schaue ich als Ombudsmann mit Argusaugen. Bei einem Thema wie der „No Billag“-Initiative, bei der die SRG selber das Thema ist, erwarte ich, dass die besondere Sorgfalt und die strikte Parität nicht nur im Zeitraum der sechs Wochen vor der Abstimmung, sondern generell beachtet werden.

Zu welchem Typus gehört nun der Beitrag im „Echo der Zeit“ über die Debatte im Tessin? Er gehört zum Typus a. Der Korrespondent hätte sogar die Möglichkeit gehabt, nur die Gegner zum Wort kommen zu lassen, denn Anlass des Berichts war die Medienkonferenz des gegnerischen Komitees für die italienische Schweiz. Aber es war klug, es nicht zu tun. Denn es handelte sich ja nicht um ein nationales Komitee, dessen Auftritt für ein nationales Programm quasi Pflichtstoff ist, sondern um ein sprachregionales Komitee. Also bot sich an, bei dieser Gelegenheit die Debatte im Tessin und in den italienischsprachigen Valli Graubündens zu spiegeln.

Wie er das getan hat, lässt sich gut anhand der von Frau Pestalozzi herausdestillierten fünf Kritikpunkte überprüfen:

Kritikpunkt 1: Es stimmt, dass nur ein Befürworter auftritt, aber er kommt drei Mal zu Wort. Das Gleichgewicht zu den drei befragten Gegnern ist somit hergestellt.

Kritikpunkt 2: Das Rede-Verhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern beträgt nicht 1:5, sondern 1:1. Die befürwortende Seite kann sogar 4 Sekunden länger reden.

Kritikpunkt 3: Alain Bühler wird klar der SVP zugeordnet, außerdem wird deutlich gemacht, dass die Initiative in der SVP, in der FDP und in der Lega über Anhang verfügt. Bühler wird keineswegs zum Einzelkämpfer gestempelt.

Kritikpunkt 4: Hier haben Sie Recht. Es hätte erwähnt werden müssen, dass Ständerat Filippo Lombardi als Medienunternehmer mit seinen Privatsendern ebenfalls von den Gebühren profitiert. Auch das im Allgemeinen gut informierte Publikum des „Echos der Zeit“ kann dies nicht unbedingt wissen. Der fehlende Satz wäre eine weitere Information zur Einordnung der Fakten gewesen.

Kritikpunkt 5: Dass Anna Giacometti als Gemeindepräsidentin von Bregaglia vorgestellt wurde, hat einen doppelten Grund: Sie gehört erstens der Spitze des gegnerischen Komitees als Repräsentantin von Italienisch-Bünden an, einer Minderheit in der Minderheit. Damit sollte gezeigt werden, dass die italienische Schweiz nicht an den Grenzen des Tessins endet. Und zweitens ist Frau Giacometti der SRG besonders dankbar, weil deren kontinuierliche Berichterstattung die Hilfeleistung nach dem Bergsturz von Bondo befördert hat. Auch hier also war die Berichterstattung korrekt.

Fazit: Ich kann Ihre Beanstandung in einem von fünf Kritikpunkten, also zu 20 Prozent, unterstützen, in den anderen Punkten nicht.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/no-billag-initiative-beschaeftigt-nun-auch-die-tessiner?id=114f7e01-6b37-4f06-b62d-1e563e48afde&station=dd0fa1ba-4ff6-4e1a-ab74-d7e49057d96f

[2] https://nzzas.nzz.ch/schweiz/srg-ombudsmann-roger-blum-es-gibt-kein-redeverbot-no-billag-ld.1327926

[3] http://nobillag-nosvizzera.ch/

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