SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Club»: «Eine Welt ohne Zufall: Alles nur Verschwörung?» beanstandet (IV)

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Mit Ihrem Brief vom 20. Juni 2018, den Sie fälschlicherweise an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) ging und der von dort an die zuständige Ombudsstelle für die SRG Deutschschweiz weitergeleitet wurde, beanstandeten Sie die Sendung «Club» vom 19. Juni 2018 zum Thema «Eine Welt ohne Zufall: Alles nur Verschwörung?».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

Zu dieser Sendung gingen insgesamt sechs Beanstandungen ein. Die Stoßrichtung der Begründungen war bei allen die gleiche, mit unterschiedlichen Nuancen. Die Redaktion hat daher mit einer pauschalen Stellungnahme geantwortet. Ich versuche in meinem Positionsbezug auch auf die individuellen Argumente einzugehen.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

„Im Ungewissen, ob wir - als „gewöhnliche" TV-Konsumenten - formell beschwerdeberechtigt sind, möchten wir unserer erheblichen Irritation gegenüber der im Titel vermerkten Sendung zum Ausdruck bringen. Folgende Punkte erachten wir als für ein unvoreingenommenes, anspruchsvolles und bildungsorientiertes Publikum (das im Format „CLUB" durch SRF anvisiert wird) geradezu unerträglich:

  • Themenwahl, die zwangsläufig dazu führen musste, dass über einen am Gespräch nicht beteiligten Dritten (Herr Dr. Daniele Ganser) hergezogen wurde. Dies, nachdem vor rel. kurzer Zeit in einer ARENA-Sendung genau das Gleiche passiert ist - mit der Folge einer Beschwerdeflut (in der Presse war von mehr als 500 Beschwerdeeingaben zu lesen). Wie kann, notabene nach einer Rüge der Beschwerdeinstanz an die zuständige Programmstelle, ein solcher Fehler in solcher Plumpheit und nach so geringer Zeit wiederholt werden?
  • Inkompetente, weil zur Differenzierung unfähige, krass einer Seite zuneigende Gesprächsführung. Frau Lüthi bot den Herren Schawinski und Stamm jeden Raum zur Diffamierung eines anderen Gesprächsteilnehmers und einer anderen Gesprächsteilnehmerin, insbesondere aber auch zur Diffamierung des abwesenden Daniele Ganser.
  • Verunglimpfung von Personen bloss aufgrund des Umstandes, dass diese Menschen eine Rudolf-Steiner-Schule besucht haben. Dabei liess die Gesprächsleiterin solche Abqualifizierungen nicht nur zu, sondern beteiligte sich sogar daran.

Es wurde vorgegeben, es solle eine bestimmte Problematik (‘Verschwörungstheorien’) diskutiert werden, und zwar mit ganz klaren Fokus auf den bekannten 9/11-Diskurs. Gleichzeitig wurde aber in der Gesprächsrunde durch die Gesprächsleitung eine inhaltliche Auseinandersetzung dieser Problematik verboten. Dieses unverständliche Konzept unterstützt es, einen gesellschaftlich wichtigen Diskussionsansatz zu diffamieren und die Vertreter dieses Ansatzes der Lächerlichkeit preiszugeben.

In der Summe richten wir an Sie den Antrag, bei der Programmgestaltung SRF darauf hinzuwirken, dass ein geeignetes Sendegefäss geschaffen wird, um der Öffentlichkeit eine 9/11-Diskussion zu unterbreiten, die den kritischen Stimmen in einer fairen Weise Raum gibt. Der Auftrag zur Ausgewogenheit, der mit der SRF-Konzession verbunden ist, erfordert dies - nach allem andern, was uns zugemutet wurde - zwangsläufig.“

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Club» äusserte sich deren Redaktionsleiterin und Moderatorin, Frau Barbara Lüthi:

«Wir sind an einer lebendigen Diskussionskultur nicht nur mit unseren Gästen interessiert, sondern auch mit unseren Zuschauern. Wir finden es wichtig, dass Sendungsinhalte reflektiert und kritisiert werden. Deshalb nehmen wir gerne Stellung zu den vorliegenden Fällen.

Die sechs Beanstander machen uns zusammengefasst folgende Vorwürfe:

1. In der Sendung sei Dr. Daniele Ganser als unseriöser und umstrittener Verschwörungstheoretiker verunglimpft worden, obwohl er nicht anwesend war. Er sei unreflektiert und unkommentiert in den Zusammenhang mit abstrusen Theorien gerückt worden. Gegenstimmen fehlten.

2. Es sei vorgegeben worden, die Diskussion mit klarem Fokus auf den bekannten 9/11-Diskurs zu führen. Stefan Schär sei zu diesem Thema eingeladen worden, aber anstatt, dass man inhaltlich etwas über die Gründe (wieso er sich damit beschäftigt, Anmerkung der Produzentin) hätte erfahren können, habe die Moderatorin den Fokus zu sehr aufs Persönliche gelegt. Er sei zudem kaum zu Wort gekommen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit 9/11 sei verboten worden.

3. Diskussionsteilnehmer seien verunglimpft worden, alleine aufgrund der Tatsache, dass sie eine Rudolf-Steiner-Schule besucht hätten. Generell seien Anwesende, die eine abweichende Meinung gehabt hätten (namentlich abweichend von Roger Schawinski und Hugo Stamm) als Verschwörungstheoretiker, Sektierer oder als weniger intelligent und anderen diskriminierenden Äusserungen bezeichnet worden.

4. Die Moderatorin Barbara Lüthi sei parteiisch gewesen.

Als Verantwortliche der Sendung möchten wir, bevor wir im Detail auf die Punkte eingehen, etwas Grundsätzliches zur Sendung sagen: Der ‘Club’ ist eine Diskussionssendung, die wir unter Livebedingungen aufzeichnen. Wir schreiben weder unseren Gästen vor, was sie sagen sollen, noch schneiden wir im Nachhinein oder bearbeiten wir die Aufzeichnung. Die Sendung geht jeweils dienstags um 22.20 Uhr genauso über den Sender, wie wir sie ein paar Stunden vorher aufgezeichnet haben.

Als Sendungsmacherinnen müssen wir in Kauf nehmen, dass eine Diskussion ihre eigene Dynamik entwickelt. Und nicht immer verläuft es so wie geplant.

Dazu kommt: Das Reden über Verschwörungstheorien ist ein emotionales Thema: Es geht um Glauben, es geht um Werte und letztlich auch darüber, was die Wahrheit ist. Das Wort Verschwörungstheorie bezeichnet laut Wikipedia <im weitesten Sinnen den Versuch, einen Zustand, ein Ereignis oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären, also durch das zielgerichtete, konspirative Wirken einer kleinen Gruppe von Akteuren zu einem meist illegalen oder illegitimen Zweck>. Die allgemeine Definition macht keinen Unterschied, was den Ursprung dieser Akteure betrifft. Es gibt abstruse Verschwörungstheorien, Leute, die glauben, die ‘kleine Gruppe’ Akteuren seien riesige Reptilien (Reptiloide).

Der Kulturwissenschaftler Butter macht aber auch deutlich: Der Begriff ‘Verschwörungstheoretiker’ werde auch als Kampfbegriff verwendet und oft auch einseitig so verstanden.

Wir haben uns in den Vorbereitungen und in der Sendung an die nüchterne Definition des Begriffs gehalten. Es liegt nicht an uns Sendungsmacherinnen, mit Kampfbegriffen zu hantieren. Und wir haben die Haltung von SRF in der Sendung transparent gemacht: SRF hält sich an historisch-wissenschaftliche Fakten. Wissenschaftler wie auch Journalisten prüfen Fakten, ziehen dafür mehrere Quellen hinzu und stützen sich auf belegte Forschungsergebnisse.

Doch nun zu den Vorwürfen:

1. Wir haben im Hinblick auf diese Sendung mit Dr. Daniele Gansel Kontakt aufgenommen. Wir haben ihm mitgeteilt, dass wir in der Sendung über ihn reden werden. Der Grund: Sowohl in Roger Schawinskis Buch ‘Verschwörung’ (2018) [2] als auch im Buch vom Kulturwissenschaftler Michael Butter ‘Nichts ist, wie es scheint’ (2018) [3] wird Dr. Daniele Ganser als einer der grössten und erfolgreichsten Verschwörungstheoretiker im deutschsprachigen Raum bezeichnet. Beide Autoren widmen Daniele Ganser in ihren Büchern ein eigenes Kapitel/Unterkapitel. Wir haben uns dafür entschieden, dass Dr. Daniele Ganser zumindest in einem Einspieler Stellung zu den Vorwürfen nehmen kann. Dr. Daniele Ganser war mit dem Vorgehen einverstanden. Die Kommunikation war gut, einvernehmlich und wir haben ihn auch klar darüber informiert, welchen Teil wir vom Interview ausstrahlen werden.

Es war weder in unserem noch in Dr. Daniele Gansers Sinn, dass er Teil der Sendung ist. Mit Sibylle Birkenmeier hatten wir eine Person in der Sendung, die die Arbeit von Herrn Ganser schätzt und auch mit ihm aufgetreten ist. Eine solche Stimme, finden wir, war für die Sendung wichtig. Sie hat erzählt, wieso sie Leuten wie Dr. Daniele Ganser mehr Glaubwürdigkeit schenkt als den traditionellen Medien und wieso sie an der Wissenschaft zweifelt.

2. Und nun gleich zu Stefan Schär. Wir haben ihn eingeladen, weil er aufgrund seiner Tätigkeiten (Betreiber der Webseite http://911untersuchen.ch/) von verschiedenen Seiten, ähnlich wie Dr. Daniele Ganser, als ‘Verschwörungstheoretiker’ bezeichnet wird. Wir wollten von ihm wissen, wie er damit umgeht, wieso ihn ein Thema so umtreibt und was für Folgen das alles für sein Privatleben hatte. Wir haben die Fragen, auch weil Stefan Schär uns mitteilte, er sei gelegentlicher Stotterer, klar abgesteckt und sind sie mehrmals mit ihm durchgegangen. Sowohl für ihn als auch für Frau Birkenmeier haben wir kurze Einzelinterviews geplant und auch durchgeführt. Uns war wichtig zu erfahren, weshalb es Leute gibt, die an der so genannten ‘offizielle Versionen’ von historischen Ereignissen zweifeln. Was wir nicht wollten und auch nicht getan haben: Eine Diskussion darüber, wie die Ereignisse vom 11. September 2001 auch noch erklärt werden können. Wir sind nicht das Format für diese Fragen. Und wie bereits gesagt: Wir haben eine klare Haltung. Wir halten uns an wissenschaftlich und historisch belegte Fakten. Ändert sich diese Faktenlage, wird auch SRF wieder darüber berichten. Was die Ereignisse vom 11. September 2001 betrifft, interessierte uns die Metaebene: Wieso ist dieses Ereignis Anlass für Verschwörungstheorie? Wir meinen, diese Frage wurde in der Sendung beantwortet. Eine inhaltliche Auseinandersetzung hat die Moderatorin abgeklemmt, das stimmt. Wir haben Stefan Schär bereits im Vorgespräch gesagt, dass wir inhaltlich nicht auf den Untersuchungsbericht zu den Ereignissen vom 11. September 2001 eingehen können und wollen. Stefan Schär hat sich damit einverstanden erklärt. Er konnte dennoch seine Kritikpunkte am Bericht darlegen.

3. Wir sind der Meinung, auch beim erneuten Schauen der Sendung, dass alle beteiligten Personen ihren Standpunkt einbringen konnten. Es stimmt, Roger Schawinski und Hugo Stamm sind geübte Redner und haben einen klaren Standpunkt. Hugo Stamm kam erst in letzter Minute als Gast in die Sendung, weil die Person, die wir auf diesem Platz vorgesehen hatten, krankheitshalber ausgefallen ist. Das tut aber nichts zur Sache, da Sibylle Birkenmeier und Stefan Schär wussten, auf was sie sich einliessen. Sie haben sich damit einverstanden erklärt. Wenn verschiedene Weltbilder aufeinanderprallen, kann es emotional werden. Das gehört zu einer Diskussionssendung. Wir sind eine Plattform, wo sich Menschen begegnen, die sich sonst nicht austauschen. Das halten wir als wichtigen Teil des ‘Service public’. Ganz kurz zum Vorwurf, Steinerschüler seien anfälliger auf Verschwörungstheorien: Wir beziehen uns hier auf eine Sendung von Radio SRF vom 5. April 2018 [4]. Die Frage, ob die Anthroposophie eine besondere Affinität zur Verschwörungstheorie hat, beantwortet der Religionsexperte Georg Schmid von ‘relinfo’ in der Radiosendung mit ‘eher Ja’. Auch Michael Butter, den unsere Moderatorin zitiert, bestätigt uns, dass das ganzheitliche Menschenbild, das Anthroposophen vertreten, empfänglich macht für Verschwörungstheorien. Wir haben Sibylle Birkenmeier mit dieser Meinung direkt konfrontiert. Das halten wir für legitim. Die Frage wurde zudem mit Frau Birkenmeier vorbesprochen.

4. Wie bereits erwähnt: Wir zeichnen unsere Sendung unter Livebedingungen auf. Die Moderatorin kann Emotionen der Teilnehmer nicht steuern. Sie kann eingreifen, abklemmen, für Ausgleich sorgen. Uns ist es wichtig, dass jeder Teilnehmer zu Wort kommt. Das haben wir auch in der Sendung vom 19. Juni 2018 versucht. Ob uns das gelungen ist, müssen die Zuschauer entscheiden. Wir lernen jedes Mal dazu.

In dieser Sendung haben wir zudem die Haltung von SRF transparent gemacht. Wir müssen damit leben, dass gewisse Personen, die diese Haltung nicht teilen, dies als parteiisch empfinden.

Wir hoffen, Herr Ombudsmann, Ihnen mit unseren Ausführungen genügend Gründe geliefert zu haben, die Beanstandung abzulehnen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich verstehe gut, dass eine solche Sendung für Emotionen sorgt, nicht nur bei den Gästen im «Club», sondern auch beim Publikum. Das Thema «Verschwörungstheorien» ist brisant, und diejenigen, die gewisse Erkenntnisse, Untersuchungsberichte oder Thesen in Zweifel ziehen, wollen sich partout nicht als Verschwörungstheoretiker bezeichnet wissen, sondern als wache Bürgerinnen und Bürger, als Kritiker. Erst recht gehen die Emotionen hoch, wenn der Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser ins Spiel kommt, den die einen als klaren Verschwörungstheoretiker, die andern als Forscher mit einer anderen Perspektive sehen. So habe ich volles Verständnis für Ihre Beanstandung.

Verschwörungen hat es im Laufe der Weltgeschichte immer wieder gegeben. Es sind heimliche Absprachen eines meist kleinen Kreises von Akteuren, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegen jemand zuschlagen wollen. So fiel beispielsweise Gaius Julius Caesar 44 vor Christi einer Verschwörung einiger Senatoren zum Opfer, die ihn am Beginn einer Senatssitzung umringten und erstachen. So war der Versuch, am 20. Juli 1944 Adolf Hitler zu beseitigen und das nationalsozialistische Regime zu beenden, das Ergebnis einer Verschwörung patriotischer Bürger, die dann, weil der Putsch scheiterte, fast ausnahmslos hingerichtet wurden. So ist möglicherweise die Allianz zwischen russischen Staatsakteuren und den Trump-Leuten, die 2016 das Ziel hatte, Hillary Clinton als US-Präsidentin zu verhindern und Donald Trumps Wahl zu befördern, letztlich auch eine Verschwörung.[5] Dort, wo Verschwörungen nicht bewiesen, sondern nur vermutet werden können, spricht man von Verschwörungstheorien, und diese gehen von abstrusen Vorstellungen bis zu ganz realen Annahmen, beispielsweise in Bezug auf die Ermordung von Präsident John F. Kennedy am 22. November 1963 oder die Terroranschläge vom 9. September 2001 in New York und Washington (9/11) . Dabei muss man unterscheiden: Nicht jede Lüge ist eine Verschwörungstheorie. Nur jene Behauptungen, dass im Geheimen bestimmte Gruppen etwas planen und steuern, sind Verschwörungstheorien. Diese Problematik war Thema des «Club».

Zuerst müssen wir uns aber über ein paar Grundsätze verständigen: Radio und Fernsehen besitzen Programmautonomie. Das ist in Artikel 6 Absatz 2 des Radio- und Fernsehgesetzes so festgehalten:

«Sie» – die Programmveranstalter - «sind in der Gestaltung, namentlich in der Wahl der Themen, der inhaltlichen Bearbeitung und der Darstellung ihrer redaktionellen Publikationen und der Werbung frei und tragen dafür die Verantwortung.» Diese Bestimmung gilt genauso für die privaten Radio- und Fernsehsender wie für die SRG. Das bedeutet: Die Redaktion der Sendung «Club» war frei, das Thema «Verschwörungstheorien» aufzugreifen, und sie hatte das Recht, darüber zu entscheiden, wie sie es anging. Da das Thema aktuelle Debatten prägt und in Büchern abgehandelt wird, war es abgesehen von der Programmautonomie auch legitim, es aufzugreifen.

Und: Der «Club» ist eine Diskussionssendung, keine Informationssendung. Das Bundesgericht unterscheidet die beiden Formate und ist in Bezug auf die Sachgerechtigkeit gegenüber Diskussionssendungen weniger streng als gegenüber Informationssendungen.[6] Warum? Weil die journalistische Kontrolle über Informationssendungen total ist, jene über Diskussionssendungen aber nur relativ. In Informationssendungen kann die Redaktion darüber bestimmen, wie die Fakten präsentiert werden, welche Akteure und Experten mit welchen Zitaten in den Bericht eingebaut werden usw. Solche Sendungen müssen sachgerecht im strengen Sinn sein. In Diskussionssendungen hingegen bestimmt die Redaktion lediglich die Auswahl der Gäste. Sie führt mit ihnen zwar kurze Vorgespräche, kann aber nie wissen, was sie dann wirklich sagen und wie sie es sagen. Auch die Moderatorin oder der Moderator kann nicht alles abklemmen, was nicht ins Konzept passt oder was die Regeln der Gesprächsethik verletzt, denn es geht ja auch darum, den Gästen Raum zu lassen, um ihre Argumente zu entwickeln. Solche Sendungen müssen ebenfalls sachgerecht sein, aber in einem viel großzügigeren Sinn. Als Ombudsmann muss ich das in Rechnung stellen, wenn ich eine Diskussionssendung beurteile.

Die Schwierigkeit der Sendung über Verschwörungstheorien war, dass die Moderatorin auf der Metaebene diskutieren wollte: Warum gibt es Verschwörungstheorien? «Was sind überhaupt Verschwörungstheorien? Wieso sind sie so attraktiv? Und wann werden sie gefährlich?» (so stand es im Online-Text). Demgegenüber warteten einige der Gäste immer wieder mit konkreten Beispielen und Vorfällen auf, und vor allem war laufend Dr. Daniele Ganser das Thema.

Es war sicher richtig, ihn nicht in die Runde einzuladen (wenn er denn überhaupt gekommen wäre), denn dann wäre die Debatte dominiert worden von seinen Themen: Illegale Kriege, NATO-Geheimarmeen, 9/11, Verflechtungen in der Energiewirtschaft. Man hat sich damit beholfen, ihn zum Vorwurf, ein Verschwörungstheoretiker zu sein, zu befragen und dieses Statement einzuspielen. Allerdings war er im Laufe der Sendung auch sonst im Fokus, vor allem wurde seine Dissertation über NATO-Geheimarmeen in Europa[7] zerzaust und als unwissenschaftlich bezeichnet, und dagegen konnte er sich nicht wehren. Immerhin haben die Kabarettistin Sibylle Birkenmeier, die Daniele Ganser in einem ihrer Programme auftreten liess, sowie der Journalist Stefan Schär gegen diese Angriffe Einspruch erhoben, und die Moderatorin Barbara Lüthi hat diesen Diskussionsteil sofort abgebrochen. Nun, einerseits ist es sicher unfair, wenn ein Buch eines Abwesenden verrissen wird, anderseits funktioniert jeder Literaturclub so: Bücher können rezensiert und kritisiert werden, auch wenn der Autor oder die Autorin nicht zugegen ist. Das ist das Risiko jedes Autors: Wer veröffentlicht, setzt sich auch öffentlicher Kritik aus. Es war deshalb kein Verstoß gegen das Radio- und Fernsehgesetz.

Ich habe mir die Sendung genau angeschaut. Dabei gewann ich folgenden Eindruck: Alle Gäste hatten etwas zu bieten. Der Journalist und Medienunternehmer Dr. Roger Schawinski brachte als Buchautor über Verschwörungstheorien viel Sachwissen mit, aber er äußerte sich oft sehr apodiktisch und verletzend. Der Journalist und Sektenexperte Hugo Stamm kennt sich ebenfalls aus, war aber auch sehr dezidiert und angriffig. Der Journalist und Nachrichtendienst-Fachmann Dr. Bruno Lezzi blieb sachlich, berichtete indes von seinen unerfreulichen Erfahrungen mit Daniele Ganser. Derweil waren die Wortmeldungen der Kabarettistin Sibylle Birkenmeier sehr viel offener, reflektierend und die eigenen Zweifel begründend. Der Journalist und Betreiber einer 9/11-Website Stefan Schär erläuterte sehr zurückhaltend seine Zweifel an offiziellen Versionen. Und die Anglistin Prof. Dr. Elisabeth Bronfen steuerte viel Hintergrundwissen bei. Alles in allem war es eine typische «Club»-Diskussion, bei der die Meinungen auseinandergingen und einzelne Gäste vor verletzenden Bemerkungen anderen Gästen gegenüber nicht zurückschreckten. Solche Bemerkungen können aber in Diskussionssendungen nicht zum Vorneherein unterbunden werden. Die Moderatorin kann sie rügen oder sie kann den Disput beenden, indem sie eine neue Frage aufwirft. Das Zweite hat Barbara Lüthi mehrfach getan und damit die Lage jedes Mal entspannt. Die Moderatorin hat darum das ihr Mögliche beigesteuert, um die Diskussion nicht ausufern zu lassen.

Und nun noch zu den Punkten, die Sie speziell vorbrachten:

1. Sie hielten die Themenwahl für unerträglich, auch, weil damit die kritisierte «Arena» vom Februar 2017 wiederholt worden sei. Ich erinnere: Es gehört zur Programmautonomie der Redaktion, jene Themen aufzugreifen, die sie aus journalistischen Überlegungen für relevant, interessant und aktuell hält. Die Sendung war auch keine Wiederholung der «Arena»-Konstellation: Damals ging es um Trumps Krieg gegen die Medien, und Dr. Daniele Ganser war einer der Gäste. Diesmal ging es um Verschwörungstheorien, und Ganser war nicht Gast. Außerdem sind seither zwei deutschsprachige Bücher zu Verschwörungstheorien erschienen. Das Thema lag daher in der Luft.

2. Sie hielten die Gesprächsführung für unerträglich und bezeichneten sie als inkompetent. Ihrer Meinung nach ließ die Moderatorin verschiedenen Diffamierungen Raum. Wie ich schon ausführte, ließ Barbara Lüthi die Gäste reden, konnte aber nicht verhindern, dass die einen sehr laut, die andern sehr leise auftraten. Sie bemühte sich darum, die Leisen speziell zu befragen. Ich sehe nicht, wie sie das Ungleichgewicht anders hätte ausgleichen sollen. Und nach Angriffen wechselte sie jeweils sofort das Teilthema. Meiner Meinung nach war sie so gerecht wie nur möglich.

3. Sie hielten die Verbindung von Rudolf Steiner-Schülern und Verschwörungstheorien für unerträglich. Es war indes legitim, dass die Moderatorin einen Punkt aus dem Buch von Michael Butter aufgriff, der dort darlegt, dass es eine Nähe zwischen Anthroposophen und Verschwörungstheorien gebe. Sie befragte die Rudolf Steiner-Schülerin Sibylle Birkenmeier nach dieser These, und zufällig sind Daniele Ganser und Ken Jebsen auch Rudolf Steiner-Schüler. Kommt dazu, dass die Anthroposophen vor wenigen Monaten in Basel eine große Veranstaltung durchführten, an der auch Daniele Ganser auftrat. Die Frage lag also auf der Hand, aber es gelang nicht, sie in der Sendung hinreichend zu klären.

4. Sie fanden schließlich den Fokus auf 9/11 unerträglich, zumal gleichzeitig gar keine inhaltliche Debatte über das Thema stattfand. Es trifft aber nicht zu, dass der Fokus auf 9/11 gelegen hat, im Gegenteil: Man wollte über Verschwörungstheorien als Phänomen reden. 9/11 galt nur als ein Beispiel dafür, dass Verschwörungstheorien wuchern.

Per Saldo komme ich daher zum Schluss, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstützen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/sendungen/club/eine-welt-ohne-zufall-alles-nur-verschwoerung

[2] Roger Schawinski (2018): Verschwörung! Die fanatische Jagd nach dem Bösen in der Welt. Zürich: NZZ Libro

[3] Michael Butter (2018): Nichts ist, wie es scheint. Über Verschwörungstheorien. Berlin: edition suhrkamp.

[4] https://www.srf.ch/play/radio/kontext/audio/die-anthroposophie-und-die-verschwoerungstheorie?id=f1a1f00d-5c0c-459f-8d6e-22ab7fb252ff&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7

[5] Vgl. «Spiegel“ Nr. 35, 25.8.2018, „Die Jagd“, S. 76-81.

[6] http://www.bger.ch/index/jurisdiction-inherit-template/jurisdiction-recht/jurisdiction-recht-urteile2000.htm, 2C_321/2013, Urteil vom 11. Oktober 2013.

[7] Daniele Ganser (2008): NATO-Geheimarmeen in Europa. Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung. Zürich: Orell Füssli, ursprünglich englisch: Daniele Ganser (2005): NATO’s Secret Armies. Operation Gladio and Terrorism in Western Europe. London and New York: Frank Cass. Die Dissertation wurde an der Universität Basel von Prof. Dr. Georg Kreis betreut.

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