SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Kommentar zu Flitzern während Direktübertragung des WM-Spiels Frankreich-Kroatien vom 15. Juli 2018 beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 15. Juli 2018 beanstandeten Sie den Kommentar zu den Flitzern beim Finalspiel Frankreich-Kroatien an der Fussball-WM in Russland vom gleichen Tag. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Aussage von Herrn Ruefer zu den Flitzern, die einen Unterbruch des Finales provozierten: <er würde sich ja viel getrauen, aber sicher nicht in Russland, diese Personen würden ab Montag in Sibirien Steine Klopfen>. Man darf sich kaum ausmalen, was für Witze Herr Ruefer an der nächsten WM in Katar reissen wird.

Ich verstehe nicht, wie man als Kommentator sich so menschenverachtend äussern kann. Das ist nicht lustig, sondern geschmacklos, Herrn Ruefer sei dringend empfohlen, das Buch Archipel Gulag von Solschenizyn zu lesen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Herr Notker Ledergerber, Stabchef SRF Sport, schrieb:

«Es kommt immer wieder vor, dass ungebetene Gäste das Spielfeld stürmen und den Spielbetrieb stören. So geschehen am WM-Final zwischen Frankreich und Kroatien (wie sich später herausstellte waren es Vertreter von Pussy Riot). In der Regel werden Flitzer nicht oder höchstens in der Totale gezeigt, um transparent zu machen und zu verstehen, weshalb das Spiel unterbrochen ist. In Produktionen geht der Regisseur aber bewusst auf Distanz, um den Flitzern nicht die von ihnen gewünschte Aufmerksamkeit zu geben.

Dass dies ausgerechnet an einem WM-Final und erst noch in Russland in Anwesenheit des Präsidenten mit einem Grossaufgebot an Sicherheitskräften möglich ist, mag verwundern. Insofern ist Sascha Ruefers nicht ganz ernst gemeinter Kommentar <ich würde mich ja viel getrauen, aber sicher nicht in Russland, diese Personen werden ab Montag in Sibirien Steine Klopfen> aus Sicht vieler Zuschauerinnen und Zuschauer humoristisch nachvollziehbar. Humor ist bekanntlich aber Geschmacksache, und man könnte zweifelsohne neutral kommentieren, dass dies nicht ohne Folge bleiben würde – wie in jedem anderen Austragungsort auch.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Szene. Fakt ist, dass während des Spiels vier bekleidete junge Personen (bei denen nicht ganz klar war, ob es Männer oder Frauen waren, es sah eher nach Männern aus) auf das Spielfeld stürmten. Wie man später las, waren es Männer und Frauen, die als russische Polizisten verkleidet waren. Die Aktion war von Pussy Riot, der kremlkritischen Gruppe, organisiert. Es war eine eher sinnlose Aktion, denn die vier entrollten keine Spruchbänder, skandierten keine Parolen, nichts. Das Publikum konnte der Aktion nicht entnehmen, dass die vier gegen Menschenrechtsverletzungen protestieren wollten. Sie wurden von Sicherheitskräften eingesammelt und abgeführt. Fakt ist, dass Berichterstatter Sascha Ruefer die Aktion kommentierte. Das war sein gutes Recht, es war auch nötig, weil das Publikum sonst nicht richtig hätte einordnen können, was da vorging. Aber der – spontane – Kommentar war eher dumm. Denn auch in Russland wird niemand ohne Prozess ins Gefängnis geworfen, schon gar nicht nach Sibirien deportiert. Bei aller Kontinuität von Geheimdienst, Armee und Polizei gibt es doch erhebliche Unterschiede zwischen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (die Ende 1991 unterging) und der Russischen Föderation. Wie später bekannt wurde, wurden gegen die Flitzer Verwaltungsstrafen von 200'000 Rubel (rund 3000 Franken) oder 160 Stunden gemeinnütziger Arbeit beantragt. Eine der Flitzerinnen wurde dann zu 15 Tage Arrest verurteilt. Also nicht, wie Sascha Ruefer mutmasste, zum «Steineklopfen in Sibirien».

Nun, das Bundesgericht verpflichtet mich, eine Sendung insgesamt zu betrachten, nicht bloß eine einzelne Szene oder eine einzelne Episode. Betrachten wir die gesamte Direktübertragung des WM-Finals Frankreich-Kroatien, so muss meines Erachtens anerkannt werden, dass Sascha Ruefer die Partie kompetent analysiert und kommentiert hat. Der Ausrutscher angesichts der Flitzer ist daher als Fehler in einem Nebenpunkt zu werten, der nicht geeignet ist, die freie Meinungsbildung des Publikums über das Spiel und über die journalistische Leistung von Sascha Ruefer zu beeinträchtigen. Ich komme daher zum Schluss, dass ich Ihre Beanstandung nicht unterstütze - So sehr ich Ihre Empörung nachvollziehen kann.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

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