SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«David Rocco – Süsse Indien-Küche» auf Fernsehen SRF zwei beanstandet

5621
Mit Ihrer E-Mail vom 25. Oktober 2018 haben Sie die Sendung «David Rocco – Süsse Indien-Küche» vom 24. Oktober 2018 bei Fernsehen SRF zwei beanstandet. Ihre Eingabe erfüllt die formalen Voraus­setzungen an eine Beanstandung. Somit kann ich auf sie eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

Hiermit reichen wir eine Programmbeschwerde im Sinne von Art. 4 und 5 RTVG betreffend die Sen­dung "David Rocco - Süsse Indien-Küche", die am 24. Oktober 2018 um 08:45 Uhr auf dem Sender SRF Zwei ausgestrahlt wurde, ein. Die Erstausstrahlung der Sendung war am 2. Oktober 2018 erfolgt.

Ab Minute 03:40 demonstriert David Rocco, wie Krabben in Goa (Indien) "geputzt" werden. Dabei handelt es sich um eine Praktik, bei der den noch lebenden, nicht betäubten Tieren die Scheren abge­brochen werden und der Panzer entfernt wird. Der aktuelle Stand der Wissenschaft zeigt, dass Krab­ben als Vertreter der Panzerkrebse empfindungs- und leidensfähige Tiere sind. Entsprechend hat sie der Bundesrat auch explizit dem Anwendungsbereich des Schweizer Tierschutzgesetzes unterstellt (Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 3 lit. w Tierschutzverordnung [TSchV]). Das in der Sendung gezeigte Ausreis­sen der Scheren sowie das Abreissen des Panzers ist für die Krabben mit erheblichen Schmerzen und Leiden verbunden. In der Schweiz würde ein solcher Umgang mit den Tieren als Tierquälerei gemäss Art. 26 TSchG eingestuft und strafrechtlich verfolgt. Die Sendung würdigt diesen Umstand jedoch mit keinem Wort. Im Gegenteil beschreibt David Rocco das "Putzen" der Tiere begeistert als Herausforde­rung, während er einem sich bei vollem Bewusstsein befindenden Tier die Scheren und den Panzer entfernt.

Diese unkritische Haltung ist aus Tierschutzsicht aufs Schärfste zu kritisieren. Obwohl die Handlung nicht in der Schweiz stattfindet und entsprechend nicht nach dem Schweizer Tierschutzrecht beurteilt werden kann, verstösst die genannte Sendung durch die unkritische Darstellung von Tierquälereien gegen das im RTVG vorgeschriebenen Gebot, wonach die Sendungen eines Radio- oder Fernsehpro­gramms keine "sittlichkeitsgefährdenden oder gewaltverherrlichenden resp. -verharmlosenden In­halte" enthalten dürfen. Die Würde und das Wohlergehen von Tieren wird im Schweizer Tierschutz­gesetz ausdrücklich geschützt; Dieser Schutz ist Ausdruck der von der Schweizer Bevölkerung vertre­tenen moralischen Werte. Entsprechend verstösst die in der genannten Sendung unkritische und ver­harmlosende Darstellung von Tierquälereien (Gewalt gegen Tiere, Misshandlung, qualvolle Tötung) gegen das Sittlichkeitsempfinden der Schweizer Bevölkerung bzw. der Schweizer Fernsehzuschauer.

Gestützt auf die dargelegten Ausführungen bitten wir Sie, unsere Beanstandung kritisch zu prüfen und die notwendigen Massnahmen gemäss Art. 89 RTVG zu ergreifen bzw. zu beantragen.

B. Ihre Beanstandung wurde der zuständigen Redaktion zur Stellungnahme vorgelegt. Herr Heinz Schweizer, Redaktionsleiter, Abteilung Programme, Programmleitung SRF zwei schrieb:

Beim beanstandeten Programm handelt es sich nicht um eine Eigenproduktion von SRF, sondern um eine Folge einer kanadischen Dokumentationsreihe, welche in mehreren Ländern ausgestrahlt wird. Im Ursprungsland Kanada war sie beim öffentlich-rechtlichen kanadischen Sender CBC sowie bei zwei kleineren Sendern zu sehen. SRF zeigt die Reihe auf zwei etablierten Sendeplätzen, auf welchen seit über zwei Jahren ähnlich gelagerte Programme ausgestrahlt werden, welche sich mit Reisen in fremde Länder, den Menschen, der Kultur und speziell der lokalen Kulinarik befassen. SRF hat die Lizenzrechte für die Deutschschweiz erworben und strahlt die ganze 40-teilige Serie unverändert in einer deutsch­sprachigen Übersetzung aus. Mit diesen Programmen will SRF ein anspruchsvolles, an fremden Kultu­ren interessiertes und erwachsenes Publikum ansprechen.

Die Serie «David Rocco - Süsse Indien-Küche» (Originaltitel: «David Rocco’s Dolce India») erzählt von der Reise des italienisch-kanadischen Kochs David Rocco nach Indien. Auf seinen Reisen in ganz un­terschiedliche Regionen des Landes trifft er auf zahlreiche Menschen – vom einfachen Fischer bis zum Starkoch – und ergründet gemeinsam mit den Gesprächspartnern die Prinzipien, Zubereitungsarten und Geschmäcke der indischen Küche. Er kocht unter Anleitung der Gesprächspartner lokale Gerichte, erfährt alles über die Art und Weise der Zubereitung und taucht so, als teilnehmender Reporter stell­vertretend für die Zuschauerinnen und Zuschauer, in die bezeichnenden kulturellen Eigenheiten der indischen Küche ein.

Die beanstandete Sequenz muss nach unserer Auffassung daher zwingend im kulturellen Kontext be­urteilt werden. Die Serie behandelt ganz offensichtlich das Thema Kulinarik. Dass lokale Praktiken bei der Zubereitung von Gerichten gezeigt werden, ist dabei inhärenter und zentraler Bestandteil der Sen­dung. Der erfahrende Koch David Rocco agiert in der kritisierten Handlung nicht aus eigenem Antrieb, sondern in seiner Rolle auf Anweisung eines Ansässigen, wie er es in allen Folgen und Ländern tut. Seine Absicht ist immer eine kulturelle Annäherung und niemals das Quälen von Tieren.

Die im Film gezeigte – und in Teilen Asiens wohl übliche – Praxis der Zubereitung noch lebender Tiere wird allerdings weder hinterfragt noch kommentiert. Das empfinden auch wir als verantwortliche Re­daktion als irritierend. Dass diese kurze Sequenz sensible Zuschauer aufwühlen kann, ist daher ver­ständlich.

Die Redaktion ist in ihrer täglichen Arbeit darum bemüht, sämtliche Programme sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen auf die Übereinstimmung mit den publizistischen Leitlinien von SRF zu überprüfen. Gerade bei nicht eigenproduzierten lizenzierten Produktionen, welche sich mit einer frem­den Kultur befassen, gibt es aus Macherperspektive immer wieder Momente, die diskutiert werden müssen und einer Einordnung bedürfen. Es ist ein Mindestmass an Sorgfalt angezeigt, was mit dem etablierten Vieraugenprinzip bei der Abnahme erfüllt wurde. Inhaltlich ist es nicht die Aufgabe von SRF, ein geschöntes Bild der Realität zu liefern, weil eine authentisch gefilmte Sequenz dazu beiträgt, den (in diesem Fall kulturellen) Kontext zu verstehen. Im Fall des beanstandeten Ausschnitts handelt es sich nach Meinung der Redaktion um eine sachgerechte Darstellung, die das Gezeigte in den Kon­text der indischen Kultur einbettet, und die dazu führt, dass sich das Publikum eine eigene und ein­deutige Meinung bilden kann.

Eine allfällige Verletzung der Sorgfaltspflicht würde sich nach Auffassung der Redaktion in erster Linie daraus ergeben, ob ihr vorgeworfen wird, dass sie den Inhalt des eingekauften Programms explizit aus einer schweizerischen Perspektive und damit stärker auf tierschutzwidrige Handlungen hätte beur­teilen müssen und können. Die Massnahmen zur Qualitätssicherung sind im Einzelfall in den Kontext der redaktionellen Alltagsarbeit zu stellen.

Die Argumente der Beanstanderin können wir aber selbstverständlich nachvollziehen. Für das Verfas­sen dieser Stellungnahme haben wir die Sequenz einige Male betrachtet und sind uns im Nachhinein bewusst geworden, dass sie in ihrer Dauer und infolge der nicht einordnenden Reaktion des Protago­nisten Zuschauerinnen und Zuschauer in ihren Gefühlen verletzen kann. Wir werden die entspre­chende Folge daher nicht mehr ausstrahlen und im Archiv entsprechend kennzeichnen.

Gestützt auf unsere Argumente möchten wir Sie bitten, die Beanstandung abzuweisen. Es handelt sich bei der Szene um eine Ausnahme, nicht um die Regel. Sendungen wie die Indien-Reise von David Rocco sollen dazu beitragen, das kulturelle Verständnis zu fördern, aber auch die Errungenschaften des eigenen Gesellschaftskonzepts zu schätzen. Insofern sind sie aus unserer Sicht ein enorm wichti­ger Bestandteil der Meinungsbildungsfunktion des Programms. Um relevant zu bleiben, müssen wir uns als Programmmacher trauen dürfen, die Welt in allen ihren Facetten realitätsnah abzubilden.

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Starkoch David Rocco bereist verschiedene Länder, probiert Exotisches und ergründet die faszinierenden Geschmäcker der lokalen Küche. Die Sendungen einer kanadischen Dokumentationsreihe sind als Art kulinarische Reiseführer anzusehen.[1] Wie bereits in der Stellungnahme von Herrn Heinz Schweizer, Redaktionsleiter, Abteilung Programme, ausführlich dargelegt, müssen die Sendungen im kulturellen Kontext betrachtet werden. Dies macht die Eigenheit der Sendungen letztlich aus.

In der von Ihnen kritisierten Folge zeigt der Starkoch wie Krabben in Goa «geputzt» werden. Den nicht betäubten, noch lebenden Tieren, werden dabei, dies ist in Grossaufnahme zu sehen, die Scheren abgebrochen; alsdann wird ihnen der Panzer aufgebrochen und entfernt. Deutlich zu sehen ist dabei, dass die Krabben zu diesem Zeitpunkt immer noch leben. Ich habe mir die Szene mehrfach angeschaut und kann sehr gut nachvollziehen, dass die gezeigte Praktik das Publikum aufwühlen und irritieren kann.

Dass in der eingekauften und in die deutsche Sprache übersetzte Fassung weder ein Hinweis noch eine Einbettung bezüglich der in allen Details gezeigten (für uns brachialen) Methode des «Krabben­putzens» gemacht wird, ist erstaunlich. Natürlich ist es – und da gebe ich Herrn Heinz Schweizer recht – inhaltlich nicht die Aufgabe von SRF, «ein geschöntes Bild der Realität zu liefern, weil eine authen­tisch gefilmte Sequenz dazu beiträgt, den (in diesem Fall kulturellen) Kontext zu verstehen». Da aber gerade der kulturelle Hintergrund in dieser Sendung evident ist, hätte die Szene des «Krabben­putzens» für das Publikum explizit eingeordnet werden müssen. Es wäre journalistisch sorgfältig gewesen, sich von dieser Methode zu distanzieren und zu erläutern, dass die gezeigte Praktik zur Kultur und Tradition gehört. Es hätte den Zuschauerinnen und Zuschauern explizit erklärt werden sollen, dass das Gezeigte Teil dieser indischen Küche ist und dass diese Praktik bei uns als Tier­quälerei gilt.

Es gehört zur journalistischen Sorgfaltspflicht, selbst wenn die vermittelten Fakten stimmen, diese – gerade dann, wenn Gefühle der Zuschauerinnen und Zuschauer verletzt werden könnten – ein­zu­ordnen und für das Publikum nachvollziehbar zu machen. Das Töten bzw. vorgängige Quälen der Tiere wurde in der von Ihnen beanstandeten Szene ohne einen distanziert kritischen Kommentar gezeigt. Auch wenn es dem Publikum hierzulande zum grossen Teil bewusst ist, dass beispielsweise das Töten von Kälbern im Schlachthof für die Tiere ebenfalls qualvoll sein kann, hätte erläutert werden müssen, dass es eigentlich unzulässig ist, dass Krabben auf diese Art und Weise zum Verzehr vorbereitet werden und einen qualvollen Tod erleiden.

Es ist der Redaktion gutzuhalten, dass sie die Irritation, welche die beanstandeten Szene auslösen kann, ebenfalls bemerkt hat und diese Folge von «David Rocco – Süsse Indien-Küche» nicht mehr ausstrahlen wird und im Archiv entsprechend kennzeichnet.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass ich Ihre Beanstandung insofern unterstütze, dass die Szene fürs Publikum mit der notwendigen journalistischen Sorgfalt hätte eingebettet werden müssen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernseh­gesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Stv. Ombudsmann Manfred Pfiffner


[1] https://www.srf.ch/play/tv/sendung/david-rocco?id=0c695c79-3937-4210-b564-cf52c18145f5&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Bild von Fehlende Wildtiernummern bei SRF erzürnt Zirkusfreunde

Fehlende Wildtiernummern bei SRF erzürnt Zirkusfreunde

Zur Ausstrahlung des Internationalen Zirkusfestivals von Monte Carlo am 19. April 2019 sind bei der Ombudsstelle vier Beanstandungen eingegangen. Ombudsmann Roger Blum kann die Beanstandungen nicht unterstützen.

Weiterlesen

Bild von «DOK» hat Verschleierung arabischer Touristinnen nicht verharmlost

«DOK» hat Verschleierung arabischer Touristinnen nicht verharmlost

Ombudsmann Roger Blum kann eine Beanstandung eines «Dok»-Films über verschleierte arabische Touristinnen nicht unterstützen. Der Beanstander ist der Ansicht, der Film habe die Verschleierung verharmlost und salonfähig gemacht. Ombudsmann Roger Blum kann diese Argumentation nicht teilen.

Weiterlesen

Bild von «DOK»-Film über die «Hüslischweiz» erzeugt Emotionen

«DOK»-Film über die «Hüslischweiz» erzeugt Emotionen

Ombudsmann Roger Blum hatte zwei Beanstandungen des «DOK»-Films «Hüslischweiz ohne Ende» vom 8. Dezember 2016 zu behandeln. Während ein privater Beanstander sich vor allem am Wort «Hüsli» stört, beanstandet der Hauseigentümerverband den ganzen Film als einseitig. Ombudsmann Roger Blum kann beide Beanstandungen nur teilweise unterstützen.

Weiterlesen

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit (bitte beachten Sie die Netiquette und Rechtliches)

Lade Kommentare...
Noch keine Kommentare vorhanden

Leider konnte dein Kommentar nicht verarbeitet werden. Bitte versuche es später nochmals.

Ihr Kommentar wurde erfolgreich gespeichert und wird nach der Freigabe durch SRG Deutschschweiz hier veröffentlicht