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Die «Pflöcke» der Medienpolitik 2018

Da war ziemlich viel los im medienpolitischen Jahr 2018. Ein Rückblick von der No-Billag-Abstimmung bis zum Rücktritt von Doris Leuthard.


Das Wichtigste in Kürze

  • Am 4. März 2018 sprach sich das Stimmvolk mit 71.6% deutlich für einen gebührenfinanzierten medialen Service public aus.
  • Durch die neue Konzession erhielt die SRG einen genauer definierten Programmauftrag.
  • Der Bundesrat beschloss, die Gebühreneinnahmen auf CHF 1.2 Milliarden zu begrenzen. Dadurch und durch die sinkenden Werbeeinnahmen ist die SRG zu Sparmassnahmen gezwungen.
  • Der Entwurf zum «Gesetz über elektronische Medien» regelt unter anderem den Online-Bereich neu und sorgt für heftige, noch nicht abgeschlossene Debatten innerhalb der Medienbranche sowie zwischen Medien und Politik.

Ein medienpolitisches Sonderjahr liegt bald hinter uns. Es lohnt sich deshalb ein Blick zurück. Und dies mit einer These: Die medienpolitische Ordnung der Schweiz befindet sich in einem massiven Wandel. Die Politik hat dazu einige Pfähle eingeschlagen.

Das Stimmvolk stützt die SRG

Es war fast ein Knall am 4. März: 71,6 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sagten Nein zu No Billag und damit Ja zu Gebühren für einen medialen Service public. Ein derart deutliches Bekenntnis für die Finanzierung von öffentlichen Medien war für alle überraschend und setzte ein klares politisches Zeichen. Die Politik wird sich bei der Gestaltung der medialen Rahmenbedingungen danach richten müssen. Damit war medienpolitisch Pflock No 1 eingeschlagen.

Reformen und Sparpakete

Am 4. März waren alle Sender mit Gebührenunterstützung Gewinner, auch private regionale Radio- und TV-Sender. Grosser Sieger war die zuvor heftig angegriffene SRG. Die SRG kann sich jetzt – wohl einmalig in Europa – als öffentlicher Sender auf ein klares Volksvotum und viel Rückhalt stützen. Die Debatte zur Abstimmung hat dazu geführt, dass breite Kreise für die Aufgaben des Service public sensibilisiert worden sind. Das ist eine Chance, wie auch eine Verpflichtung für die SRG. «Es ist für die SRG ein neuer Anfang, ein Wendepunkt», kommentierte SRG-Generaldirektor Gilles Marchand gleich nach der Abstimmung. Und er kündigte Reformen sowie Sparmassnahmen an. Eine solche Reaktion auf ein für die SRG erfreuliches Abstimmungsergebnis war kaum erwartet worden. In den folgenden Monaten hat dann die SRG mit Beschlüssen überrascht, die das Medienunternehmen massiv prä- gen. Einen Teil der Mitarbeitenden und der SRG-Befürworter haben diese Reformen auch verunsichert und sie fragten sich: Wo- hin steuert das öffentliche Medienhaus?

Angekündigt hatte die SRG ein Sparpaket von 100 Millionen Franken, eine stärkere Fokussierung des Programms auf den Kernauftrag und eine Verbesserung des digitalen Angebots. Weitere markante Schritte im Reformprozess waren der Ausstieg aus der Trägerschaft des mitgegründeten Vermarkters Admeira und vor allem die Verlegung der Abteilung Information Radio SRF von Bern nach Zürich-Leutschenbach ab 2020 (siehe Seite 16). Die Sparmassnahmen und der Umzug der Radio-Info haben in der Politik und in der SRF-Belegschaft der Deutschschweiz teilweise negative Reaktionen ausgelöst. Auf der Ebene der Politik haben die (Vize-) Präsidentinnen und (Vize-)Präsidenten der Parteien CVP, SVP, SP, Grüne und BDP eine parlamentarische Initiative eingereicht, die den Standortbeschluss der SRG rückgängig machen will. Ihr Hauptargument: Die SRG soll angesichts der allgemeinen Medienkonzentration eine Vielfalt der Produktionsstandorte beibehalten.

Schärfung der SRG-Aufgaben

Die Politik hatte bereits in anderen Bereichen für die SRG neue Rahmenbedingungen gesetzt. PflockNo 2: In der neuen Konzession und im Entwurf für das neue «Mediengesetz» erhält die SRG einen genauer definierten Programmauftrag. Diese Vorgaben werden das Angebot der SRG nicht massiv verändern, aber sie geben der Programmstrategie des öffentlichen Rundfunks eine eindeutigere Ausrichtung vor. «Unverwechselbar» sollen die Programme wahrgenommen werden – und sich damit deutlich von kommerziellen Angeboten unterscheiden. Für die Information muss die Hälfte, für die Kultur etwa ein Viertel der Gebührengelder eingesetzt werden. Erwünscht sind mehr Eigenproduktionen. Neu zum Auftrag gehört auch der Sport. Speziell angesprochen werden sollen mit dem Programm junge Leute und Menschen mit Migrationshintergrund. Die SRG soll innovative und kreative Formate fördern und Experimente wagen. Und bei der Unterhaltung etwa sollen «unterschiedliche Normen, Werte und Weltbilder» gezeigt und einem breiten Publikum soll eine «Vielfalt gesellschaftlich relevanter Themen und Fragestellungen» nähergebracht werden. Diesen Strauss an Vorgaben muss die SRG allerdings mit plafonierten Einnahmen erfüllen. Denn die Politik hatte mit Pflock No 3 beschlossen, dass das Budget künftig auf 1,2 Milliarden Franken zu begrenzen sei.

Umfassenderes Mediengesetz

Mit dem Entwurf des Bundesrats für ein neues «Mediengesetz» – genauer: «Gesetz über elektronische Medien» – wurde Pflock No 4 eingeschlagen, wenn auch erst provisorisch. Das Gesetz befindet sich noch im Stadium der Beratungen, allerdings läuft die Debatte bereits heftig. Lange und mit Spannung war dieses Mediengesetz erwartet worden, weil es erstmals seit vielen Jahren die Medienlandschaft etwas umfassender regulieren sollte. Aus dem Mediengesetz ist lediglich eine Erweiterung des Radio- und Fernsehgesetzes zu einem Gesetz über elektronische Medien geworden. Damit hat der Bundes- rat der Digitalisierung Rechnung getragen und ordnet den Onlinebereich bei den elektronischen Medien ein. Das hat zwei mögliche Auswirkungen: Auch Onlinemedien können über Gebührengelder gefördert werden – allerdings gemäss Entwurf nur, wenn sie hauptsächlich Audio- oder Videobeiträge bringen. Und neu gehört auch der Onlinebereich zum Auftrag der SRG – wenn auch mit Einschränkungen. Die Mediengesetz-Vorlage hat viel Gegenwind bekommen (mehr zum Mediengesetz siehe LINK 4/18). Es wird Jahre dauern, bis dieses Gesetz – wenn überhaupt – in Kraft gesetzt werden kann. Gut möglich, dass dann dieser Pflock Nummer vier bereits etwas morsch und die Politik wieder in Zugzwang sein wird. Denn die Mediensituation wird sich bis dann massiv verändert haben.

Medienförderung für Private?

Neu auf der politischen Agenda steht der Ausbau der Medienförderung für den Pressebereich, also für private Medienhäuser. Das war bisher grossmehrheitlich überhaupt kein Thema. Angesichts der Situation vor allem bei den Zeitungen – Titel sind verschwunden, haben fusioniert, Redaktionen werden ausgedünnt – ist die Politik besorgt. Es mehren sich Stimmen auch aus dem bürgerlichen Lager, die Politik müsse regulierend unterstützen. Noch ist kein Pflock eingeschlagen, es ist mehr ein Winken mit dem Zaunpfahl. Eine all- gemeine Medienförderung wäre ein eigentlicher Systemwechsel in der Schweizer Medienpolitik : weg von der (fast ...!) klaren Trennung zwischen privatwirtschaftlichen Marktmedien hier und gebührenfinanzierten öffentlichen Medien dort.

Befindet sich die medienpolitische Ordnung also im Wandel, wie in der Anfangsthese formuliert? Tatsächlich ist politisch vieles in Bewegung, ein Richtungswechsel oder gar eine Neuordnung ist allerdings nicht absehbar. Klar sichtbar sind hingegen die Veränderungen in der Medienwelt : Die Stichworte sind Finanzierungsprobleme, Konzentration der Besitzverhältnisse, Konkurrenz durch globale Plattformen und parajournalistische Angebote sowie ein Gerangel privater und öffentlicher Anbieter im Onlinebereich. All das wird die Medienpolitik in den kommenden Jahren herausfordern.

Ein bewegtes medienpolitisches Jahr geht zu Ende. Dazu passen zwei Personalia: Im Mai hat beim Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) Vizedirektor Bernard Maissen die Abteilung «Elektronische Medien» übernommen. Und das zuständige Departement, das UVEK, hat durch den Rücktritt von Bundesrätin Doris Leuthard nach acht Jahren mit Simonetta Sommaruga eine neue Leitung erhalten. Langweilig wird es medienpolitisch auch 2019 nicht werden!

Text: Philipp Cueni

Bild: Konrad Beck

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