SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Sendung «Wenn Landfrauen reisen», 2/3: Texas, USA beanstandet (IV)

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Mit Ihrer E-Mail vom 16. Dezember 2018 beanstandeten Sie die Sendung «Wenn Landfrauen reisen», 2/3: Texas, USA (Fernsehen SRF) vom 7. Dezember 2018.[1]. Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann folglich darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich mag das Schweizer Fernsehen sehr. Ganz besonders schöne Unterhaltungssendungen am Samstagabend und sehr auch die SRF bi de Lüt-Sendungen vom Freitagabend. Was man in der Sendung ‘Wenn Landfrauen reisen’ vom 7. Dezember jedoch zu sehen bekommen hat, macht mehr als betroffen. Ich war ein paar Tage lang absolut verstört deswegen, mir war 2 Tage übel, es verfolgte mich in der Nacht. Und ich bin nicht etwa ein Stadthäschen, das vom Umgang mit Tieren keine Ahnung hat, ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen.

Wie man dem Austausch unten mit Ihrem Kundendienst und der Redaktion entnehmen kann, habe ich Verständnis dafür, dass Medien auch über Schlimmes auf der Welt informieren müssen. Denn wenn man es nicht weiss, kann man auch niemals etwas dagegen tun. Ob es aber, wenn schon, so unkritisch/natürlich daherkommen darf, in einer harmlosen Freitagabend-Familiensendung, das ist doch einigermassen fragwürdig.

Ich bitte Sie, dies zu prüfen.

Das viel grössere Anliegen ist mir aber, dass solche Gepflogenheiten, wie sie da in Texas praktiziert werden (nur eine von vielen schlimmen, die es auf unserer Welt gibt, schon klar) schnellstmöglich verboten und bestraft werden. Es darf einfach nicht sein, dass man unschuldige Tiere solchen Qualen aussetzt, egal wo auf der Welt. Und dann genüsslich die unter grässlichen Schmerzen entnommenen Delikatessen verspeist. Ich will es versuchen, die Welt ein ganz kleines bisschen zu verbessern. Ich habe verschiedene Stellen kontaktiert.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung antwortete Frau Danielle Giuliani, Executive Producerin, Abteilung Jugend – Familie – Unterhaltung:

«Grundsätzlich wollen wir als Redaktion mit diesem Format die Kultur aus einem fremden Land und die Unterschiede zu kulturellen Eigenheiten aus der Schweiz abbilden. Es stellt sich hier nun die Frage, wie viel und in welchem Rahmen wir als SRF solche fremdländischen Gepflogenheiten im Umgang mit Tieren in der Landwirtschaft – in diesem Fall konkret die Kastration, die Brandzeichen-Markierung und die Enthornung von Kälbern – in einer Unterhaltungssendung zeigen wollen und dürfen. Dazu gehört auch die Frage, wie weit wir eine kritische Haltung dazu innerhalb der Sendung manifestieren.

Kurzbeschrieb Sendungskonzept

Zwei Landfrauen reisen zu einer bäuerlichen Gastfamilie in ein fremdes Land. Die Landfrauen bekommen einen Einblick in die kulinarischen Gepflogenheiten, in deren Landwirtschaft wie z.B. Anbau, Ernte sowie Verwertung von ausländischen Produkten. Sie lernen auch die kulturellen Eigenheiten von Tierzucht sowie Tierhaltung der ausländischen Gastfamilie kennen. Als Dank kochen sie am Ende ein Schweizer Gericht – angereichert mit den dortigen exotischen Zutaten und hoffen, dass sie den Geschmack der Gastfamilie treffen.

Argumentation

Gemäss dem Sendungsbeschrieb, den Sie bereits vom SRF Kundendienst erhalten haben (Mail vom 10. Dez. 2018), reisen zwei Landfrauen aus der ‘SRF bi de Lüt’-Serie in ein ihnen fremdes Land und stossen dort auf andere Sitten und Gebräuche im ruralen Umfeld. Diese unterschiedlichen Gebräuche der Tierhaltung wollen wir ganz bewusst nicht ausklammern. Wir haben versucht, die Enthornung, die Kastration sowie das Branding der Kälber soweit wie möglich zurückhaltend zu filmen. Allerdings durchaus im Bewusstsein darüber, dass der Vorgang auf einige Zuschauer verstörend wirken kann.

Es ist nicht die Aufgabe einer Unterhaltungssendung, diese Gebräuche anderer Landwirtschafts-Kulturen zu massregeln. Wir erzählen die Geschichte jedoch ganz bewusst aus der Perspektive der Landfrau Agnes Koch aus Gonten im Appenzell. Agnes Koch äusserst klar und deutlich ihr Entsetzen dazu und lässt die Zuschauerschaft an ihren Gefühlen teilnehmen. Sie hat in dieser Sequenz deshalb auch deutlich die meiste Sendezeit. Damit zeigen wir klar unsere kritische Haltung. Auch die zweite Landfrau Barbara Gerber aus dem Emmental ordnet das Geschehen innerhalb der Sequenz ein und stellt beispielsweise fest, dass dieser Umgang mit Tieren nach Schweizer Tierschutzgesetz undenkbar wäre. Im Sinne der Ausgewogenheit, kommt auch der amerikanische Rancher als Gegenposition zu Wort. Er erklärt und verteidigt aus seiner Sicht seine Arbeitsmethoden und den Umgang mit seinen Tieren. Dabei wird erkennbar, dass er sich vor der Kamera rechtfertigen muss resp. der Redaktor ihn kritisch befragte.

Die Kommentarstimme übernimmt im Format ‘Wenn Landfrauen reisen’ die Funktion eines Erzählers. Sie dient in hier lediglich dazu, die Geschichte voranzutreiben und funktioniert als ‘Scharnier’ zwischen den einzelnen Szenen. Die Erzählstimme nimmt dabei stets eine objektive Haltung und wird äusserst sparsam eingesetzt. Nebst den fremden Praktiken in der Tierhaltung wollen wir aber auch den kulinarischen Aspekt dieses Gebrauchs abbilden. Stierhoden (‘spanische Nierli’) sind auch ausserhalb der USA in einigen Ländern als Delikatesse bekannt. Auf der texanischen Farm werden sie nur ein bis zwei Mal im Jahr zubereitet und gelten als besondere Spezialität.

Fazit

Wir können Ihre Betroffenheit und dass die Sequenz verstörend wirken kann, gut nachvollziehen. Wir bilden beim Format ‘Wenn Landfrauen reisen’ in erster Linie kulturelle Traditionen in fremden Ländern ab. Es geht dabei nicht um eine Wertung der Sitten und Gebräuche im Ausland. Durch die klare Fokussierung der Protagonistin Agnes Koch, die ihr Entsetzen über die Behandlung der Kälber deutlich äussert, sind wir überzeugt, unsere Haltung sowie Kritik Kund getan zu haben.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Der Film über die Reise der beiden Landfrauen Agnes Koch aus Gonten (AI) und Barbara Gerber aus Zollbrück (BE) auf eine Ranch in Texas ist gute Unterhaltung mit viel Emotionen. Er bringt dem Publikum die beiden Schweizer Frauen sowie die Landschaften, Mentalitäten und Bräuche von Texas nahe. Er macht deutlich, dass in Texas rohere Sitten herrschen als in der Schweiz, wird doch gesagt, dass Texas mit Hilfe der Waffen entstanden sei und dass die Waffe eine Selbstverständlichkeit sei nicht für den Schießsport, sondern für die Selbstverteidigung. So hätte es in der Schweiz im 19. Jahrhundert auch getönt, aber Helvetien hat sich weiterentwickelt. Und dies gilt auch für den Tierschutz.

Eine Unterhaltungssendung ist keine politische Sendung. Aber auch Unterhaltungssendungen haben sich an den Grundrechten, am Radio- und Fernsehgesetz, an der Medienethik und an den publizistischen Richtlinien von SRF zu orientieren. Die Szenen, in denen in dem Film Kälber ohne Betäubung gebrandet, enthornt und kastriert werden, sind heftig. Die Tiere leiden ganz offensichtlich. Es stimmt zwar, dass die Szenen zurückhaltend gefilmt werden. Es stimmt auch, dass sich Agnes Koch durch deutlichen Protest distanziert und dass sie durch den Vorgang emotional heftig geschüttelt wird. Das reicht aber nicht, zumal Barbara Gerber das Geschehen eher auf die leichte Schulter nimmt. In abgeschwächter Form wiederholt sich die Konstellation bei der Zubereitung und beim Essen der Kalbshoden, ähnlich beim Fischen. Keine Frage, dass man die texanischen Bräuche und Verhaltensweisen zeigen muss. Die Frage ist aber, wie sie eingeordnet werden. Der Protest einer der Landfrauen reicht meines Erachtens nicht.

Die Schweiz unterscheidet zwar zwischen Menschenrechten und Tierrechten, aber die billigt den Wirbeltieren eine eigene Würde zu. Dies kommt in zwei Artikeln der Bundesverfassung zum Ausdruck: Artikel 80 behandelt den Tierschutz, Artikel 120 redet im Zusammenhang mit Gentechnologie von der «Würde der Kreatur». [2] Die Artikel lauten:

Art. 80 Tierschutz

1 Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz der Tiere.

2 Er regelt insbesondere:
a. die Tierhaltung und die Tierpflege;
b. die Tierversuche und die Eingriffe am lebenden Tier;
c. die Verwendung von Tieren;
d. die Einfuhr von Tieren und tierischen Erzeugnissen;
e. den Tierhandel und die Tiertransporte;
f. das Töten von Tieren.

3 Für den Vollzug der Vorschriften sind die Kantone zuständig, soweit das Gesetz ihn nicht dem Bund vorbehält.

Art. 120 Gentechnologie im Ausserhumanbereich

1 Der Mensch und seine Umwelt sind vor Missbräuchen der Gentechnologie geschützt.

2 Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.

Im Tierschutzgesetz[3] benennt der Bund als Zweck des Erlasses, „die Würde und das Wohlergehen des Tieres zu schützen“ (Art. 1). In Artikel 3 steht: „Die Würde des Tieres wird missachtet, wenn eine Belastung des Tieres nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigt werden kann. Eine Belastung liegt vor, wenn dem Tier insbesondere Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, es in Angst versetzt oder erniedrigt wird (...).“ Solche Missachtungen werden nach Artikel 26 mit Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafen geahndet.

Diese Gesetzgebung kommt nicht aus dem Nichts; sie wurde dem Schweizer Volk nicht von irgendwelchen fremden Geistern aufoktroyiert. Sie ist vielmehr Ausdruck der gesellschaftlichen Moral, das Resultat dessen, was mehrheitlich als richtig empfunden wird. Sie ist common sense.

Nun geht es überhaupt nicht darum, die Texaner wegen ihrer anderen Auffassung zu verurteilen und sie als schlechtere Menschen hinzustellen. Aber Sendungen von SRF werden für das Schweizer Publikum gemacht. Darum können Recht, Ethik und Moral, die in der Schweiz gelten, zum Maßstab genommen werden. Die Redaktion hätte sich daher im Off-Kommentar viel deutlicher von den texanischen Praktiken distanzieren müssen. Da sie das nicht getan hat, unterstütze ich Ihre Beanstandung.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


[1] https://www.srf.ch/play/tv/wenn-landfrauen-reisen/video/wenn-landfrauen-reisen-23-texas-usa?id=6bbc38b5-bcd3-45d1-8933-6bf41e140295

[2] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19995395/index.html

[3] https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20022103/index.htm

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