Illustration: Zeigefinger streckt sich in die Luft
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Sendung «Reise ins Übersinnliche – Folge 1» beanstandet (II)

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Mit Ihrer E-Mail vom 2. März 2019 beanstandeten Sie die Sendung «Reise ins Übersinnliche – Folge 1» (Fernsehen SRF) vom 28. Februar 2019.[1]Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandungwie folgt:

«Hiermit würde ich gerne eine Beschwerde zum Sendungsinhalt der Sendung <Reise ins Unterbewusstsein – Folge 1> anbringen. Die Sendung setzt sich in meinen Augen nicht wahrheitsgetreu, zu wenig kritisch und teilweise sogar komplett falsch mit verschiedenen spirituellen Themen auseinander. Es wird vermehrt im Sendungsverlauf impliziert oder sogar direkt so dargestellt, dass spirituelle Heilkräfte ausreichen können, verschiedene Krankheiten, Symptome wie zum Beispiel Folgen eines Schleudertraumas heilen zu können. Der inhaltliche Höhepunkt ist für mich allerdings als der Handaufleger Patric Pedrazzoli nach rund 16 Minuten Sendezeit erklärt, dass sich sogar Krebs durch solche Kräfte wie ein Schatten im Sonnenstrahl auflösen kann.

Solche Inhalte sind grobfahrlässig und verleiten schwerkranke Menschen zu absolut falschen Behandlungsmethoden. Viele dieser selbsternannten Wunderheiler können keine tatsächlichen Erfolge nachweisen und sind meistens im Verhältnis zu zeitlichem wie auch materiellem Aufwand viel zu überbezahlt. Allein schon die Erwähnung, dass Kontodaten auf einer Website dieser gezeigten Heiler und Medien direkt auf der ersten Seite zu finden seien, grenzt für mich an eine Farce.

Solche Sendungsinhalte haben in meinen Augen nichts auf einer Platform wie dem SRF zu suchen.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für die Sendung «Reise ins Übersinnliche» antwortete Herr Matthias Hämmerly, Senior Producer, Entwicklung und Comedy:

«Anmerkung der Redaktion Vorweg: <Reise in Übersinnliche> ist klar als Serie gekennzeichnet. Die Handlungsstränge erstrecken sich über drei Teile und darin auf sieben eigenständige Erzählungen, die manchmal erst im nächsten Teil enden. Deshalb kann sich die Kritik nicht bloss auf einen Teilbereich einer Erzählung richten, sondern es muss in dieser Erzählung der Ausgang abgewartet werden, der allenfalls erst im nächsten Teil zu sehen ist. Denn die einzelnen Erzählungen sind so aufgebaut, dass zuerst vor allem die Anbieter zu Worte kommen, im zweiten Teil aber die Kritiker.

Der Beanstander schreibt: <Die Sendung setzt sich in meinen Augen nicht wahrheitsgetreu, zu wenig kritisch und teilweise sogar komplett falsch mit verschiedenen spirituellen Themen auseinander.>

Was der Beanstander unter <nicht wahrheitsgetreu> und <teilweise sogar komplett falsch> meint, ist aus dem Schreiben nicht ersichtlich.

Zum Punkt <zu wenig kritisch>: Die Redaktion hat die Anbieter sehr sorgfältig ausgewählt. Der Redaktion ist durchaus bewusst, dass sich in der Szene viele Scharlatane tummeln. Deshalb hat Peter Basler, Redaktor und Produzent von <Reise ins Übersinnliche>, mit allen Anbietern ausgiebige Vorgespräche geführt und sie danach zusätzlich via Branchenkenner abgecheckt.

Peter Basler arbeitet normalerweise bei <Kassensturz>. Er hat in den letzten Jahren rund zwanzig – ausnahmslos kritische (sic!) - Beiträge zum Thema Esoterik gemacht. Dabei ging es immer um Schwindler, die unter dem Deckmäntelchen <Esoterik> arbeiteten und teilweise falsche Heilsversprechen machten. Es gibt niemand bei SRF, der mehr Erfahrung im Umgang mit Esoterikern hat.

Bei <Reise ins Übersinnliche> hat Prof. Peter Brugger, Leiter der neuropsychologischen Abteilung des Universitätsspitals Zürich eine tragende Rolle. Peter Brugger hat mehrfach kritisch zum übergeordneten Thema <Paranormal> publiziert. In der Sendung macht er nichts anderes, als die Anbieter aus wissenschaftlicher Sicht einzuschätzen und zu kritisieren. Brugger ist einer der härtesten Kritiker der Esoterik-Branche.

In der Serie werden insgesamt 7 Anbieter besucht. Dabei geht es zweimal um Sinnsuche, fünfmal um ein gesundheitliches Problem. Keines der fünf gesundheitlichen Probleme konnte geheilt werden. Dies wird jedes Mal klar gesagt. Beim Thema Sinnsuche kann es schon von der Sache her keine klaren Resultate geben. In einem Fall (Bea Rubli) äussert sich die Kundin zwar wohlwollend. Skeptiker Peter Brugger erklärt aber, dass diese Behandlung nicht <übersinnlich> oder <paranormal> war, sondern die Anbieterin eine sehr empathische Person ist, die deshalb in einem Gespräch einer Kundin durchaus weiterhelfen kann.

Die Sendung hat also einen sehr und auf jeden Fall überwiegend kritischen Ansatz.

Der Beanstander schreibt: <Es wird vermehrt im Sendungsverlauf impliziert oder sogar direkt so dargestellt, dass spirituelle Heilkräfte ausreichen können, verschiedene Krankheiten, Symptome wie zum Beispiel Folgen eines Schleudertraumas heilen zu können.>

Das Thema Schleudertrauma kommt im Zusammenhang mit Pranic Healing vor. In keiner Weise impliziert die Sendung, dass Pranic Healing ein Schleudertrauma lösen könne. Im zweiten Teil sagt Professor Peter Brugger zur Schleudertraumabehandlung: <Das finde ich absurd! Ich denke nicht, dass man das ernst nehmen kann.> Er rege sich auf das <Schwerste> auf über Pranic Healing. Die Frau glaube selbst nicht, was sie mache: <Der sollte man auf die Finger schauen.> Zu dieser harten Kritik kommt die Aussage der Patientin Keti Mala, dass sie nichts gespürt habe. Zusätzlich heisst es im Off-Kommentar etwas später: <Das Schleudertrauma hat sie immer noch.>

Wie oben bereits erklärt, geht es in der Serie fünfmal um ein gesundheitliches Problem. Dabei wird klar dargestellt, dass keines der fünf gesundheitlichen Probleme gelöst werden konnte.

Der Beanstander schreibt: <Der inhaltliche Höhepunkt ist für mich allerdings als der Handaufleger Patric Pedrazzoli nach rund 16 Minuten Sendezeit erklärt, dass sich sogar Krebs durch solche Kräfte wie ein Schatten im Sonnenstrahl auflösen kann. Solche Inhalte sind grobfahrlässig und verleiten schwerkranke Menschen zu absolut falschen Behandlungsmethoden.>

Der Handaufleger sagt in keiner Weise, dass er Krebs heilen könnte. Er macht keinerlei Heilversprechen. Niemand in der Serie macht das. Allerdings spricht hier der Beanstander einen sehr wichtigen Punkt an. Kranke Menschen dürfen keinesfalls irregeleitet werden. Es wäre fatal, wenn Menschen an einer heilbaren Krankheit sterben, weil sie sich nicht richtig behandeln liessen und zu einem Esoteriker gingen. Deshalb haben wir schon im Vorfeld bei der Auswahl der Anbieter streng darauf geachtet, dass keiner unserer Anbieter Heilungsversprechen macht. Das macht auch der vom Beanstander kritisierte Patric Pedrazzoli nicht. Pedrazzoli sagt selbst: <Wichtig ist, dass ihr mir nichts glaubt. [...] wichtig ist, dass du es prüfst.> Und: <Was Heilung auf der physischen Seite angeht, (...) kann es sein, dass Heilung sofort möglich ist. Dass Heilung in einen gewissen Prozess geht. Oder, dass sie gar nie auf physischer Ebene passiert.> Experte Lucius Werthmüller doppelt nach: <Gesund werden - ich hoffe, dass jeder Heiler nicht jemanden davon abhaltet, zu einem Schulmediziner zu gehen.> Experte Peter Brugger sagt, er schätze Pedrazzoli eher als Scharlatan ein. Weiter relativiert auch die Klientin: Sie sagt, sie habe nichts gespürt beim Handauflegen. Die Sitzung habe ihr nichts gebracht.

Der Beanstander schreibt: <Viele dieser selbsternannten Wunderheiler können keine tatsächlichen Erfolge nachweisen und sind meistens im Verhältnis zu zeitlichem wie auch materiellem Aufwand viel zu überbezahlt.>

Genau das, nämlich dass die Heiler keinen tatsächlichen Erfolg aufweisen können, zeigt die Sendung. Auf die Preise geht die Sendung nicht ein. Sie liegen im ähnlichen Niveau wie bei einem Schulmediziner, belasten aber die Krankenkassen nicht.

Der Beanstander schreibt: <Allein schon die Erwähnung, dass Kontodaten auf einer Website dieser gezeigten Heiler und Medien direkt auf der ersten Seite zu finden seien, grenzt für mich an eine Farce.>

Tatsächlich stehen die Kontodaten auf der Webseite des Handauflegers Patric Pedrazolli. Genau das wird aber von einer Kundin moniert. Im Beitrag sagt sie: < Was i no luschtig finde: Da sind d Kontodate grad agä uf de erschte Site. > Es handelt sich hier eindeutig um eine Kritik.

Der Beanstander schreibt weiter: <Solche Sendungsinhalte haben in meinen Augen nichts auf einer Plattform wie dem SRF zu suchen.>

Die Redaktion war sich bewusst, dass dieses Thema stark polarisiert. Deshalb wird die Reportage immer wieder mit einer Diskussion von Fachleuten unterbrochen und mit Hintergrunddiskussionen abgefedert. Weshalb diese <Sendungsinhalte> plötzlich nicht zu SRF passen sollen, ist nicht verständlich. Esoterik wird seit Jahr und Tag bei SRF behandelt, sowohl in Reportage, Spielfilmen, und Diskussionsendungen wie <Club> oder <Sternstunde Philosophie> und <Sternstunde Religion>. Das Bundesamt für Statistik ermittele schon 2014 im Rahmen der Volkszählung, dass nur noch 46 Prozent der Eidgenossen an Gott, aber 58 Prozent der Schweizerinnen und 37 Prozent der Männer an Engel glauben. Themen wie geistiges Heilen, Aura-Heilen, Handauflegen oder Kontakte mit dem Jenseits haben in den letzten Jahren einen wahren Boom erlebt. Wir sind der Meinung, dass SRF auch Themen abdecken sollte, die nicht den klassischen Glaubensrichtungen entstammen.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die <Reise ins Übersinnliche> ist eine dreiteilige Serie. Inzwischen sind die zweite Folge (am 7. März 2019)[2]und die dritte Folge (am 14. März 2019)[3] ausgestrahlt worden. Ein definitives Urteil kann man sich eigentlich erst bilden, nachdem man alle Folgen gesehen hat. Bereits aber in der ersten Folge sind alle Kriterien erfüllt, die an eine Fernsehsendung gerichtet werden: Es wird Transparenz über die Personen und Methoden hergestellt, die Methoden werden von Experten kontroverser Ausrichtung– Prof. Dr. Peter Brugger als Neuropsychologe[4]und Lucius Werthmüller als Parapsychologe[5]- kritisch diskutiert, und der Autor der Serie stellt aus dem Off immer wieder Fragen und damit vieles in Frage. Die journalistischen Sorgfaltspflichten sind damit eingehalten.

Sie haben sich die Sendung offensichtlich nur oberflächlich angeschaut, denn was Sie ihr vorwerfen, trifft gerade nicht zu: Die parapsychologischen Methoden machen zwar neugierig, aber überzeugen nicht. Ich jedenfalls habe während der Sendung viel den Kopf geschüttelt, genau gleich wie damals in Hamburg, als ich Einblick in eine Esoterikmesse hatte und ich das meiste lächerlich, reinen Schabernack und eine unglaubliche Geschäftemacherei auf Kosten naiver hilfesuchender Patientinnen und Patienten fand. Da die Esoterik aber eine so große Anziehungskraft auf so viele Menschen ausübt, ist es richtig und wichtig, dass sich Fernsehen SRF immer wieder damit auseinandersetzt, und zwar kritisch. Ihre Beanstandung hingegen kann ich nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.


Roger Blum, Ombudsmann


[1]https://www.srf.ch/play/tv/reise-ins-uebersinnliche/video/reise-ins-uebersinnliche---folge-1?id=5357f8c6-3347-4b1f-b9f5-5787ab70e628

[2]https://www.srf.ch/play/tv/reise-ins-uebersinnliche/video/reise-ins-uebersinnliche---folge-2?id=3000ba7b-aa41-4fbf-b50e-5b414c3236ad

[3]https://www.srf.ch/play/tv/sendung/reise-ins-uebersinnliche?id=c671a07f-c136-4f63-a1b5-5faa6027e427

[4]https://www.gwup.org/who-is-who/1564-peter-brugger; http://www.neurologie.usz.ch/fachwissen/seiten/neuropsychologie.aspx

[5]https://www.humaniversity.com/therapists/lucius-werthmueller

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