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SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

SRF Online-Artikel «Frauen fordern ihr Recht» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 21. Juni 2019 beanstandeten Sie den Online-Text «Frauen fordern ihr Recht» vom 13. Juni 2019, der auf die DOK «Frauen kämpfen für ihr Recht» vom gleichen Tag hinwies.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten. Leider erhalten Sie den Schlussbericht leicht verspätet. Das hat damit zu tun, dass die Ombudsstelle überlastet ist. Ich bitte Sie, die Verspätung zu entschuldigen.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Im Beitrag werden diverse Thesen als Tatsachen dargestellt. Es fängt schon mit dem Titel an: ‘keine Gleichberechtigung’ ist schlicht nicht richtig, Frauen haben alle Rechte die Männer haben und sogar noch mehr? Im Untertitel stellen sie erneut Behauptungen als Tatsache dar: <Es ist alltäglich, dass Frauen in der Schweiz im Job diskriminiert werden>. Dann wird die Lohnungleichheit als Diskriminierung dargestellt, obwohl bis heute noch kein Nachweis dieser These gestellt werden konnte. Ausserdem ist der Begriff, unbezahlte Carearbeit irreführend. Jede nicht erwerbstätige Tätigkeit ist unbezahlt. Das gilt für die Betreuung meiner Kinder und Angehörigen genauso wie für Haustiere und Hobbies. Ich erspare mir dadurch Fremdbetreuungskosten. Es wird als Tatsache dargestellt, dass Frauen im Job und generell systematisch benachteiligt würden. Generell werden diverse Ungleichheiten aufgezählt und als Ungerechtigkeit dargestellt. Kein Gedanke wird daran verschwendet, dass die Ungleichheiten Folgen freier Entscheidungen sein könnten. Ich finde es allerhand, wie hier Postulate einzelner Parteien als Wahrheit dargestellt werden!»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Die Antwort kam von Herrn Daniel Pünter, Bereichsleiter DOK und Reportagen SRF:

„Als Leiter des Bereichs DOK und Reportage nehme ich Stellung zur Beanstandung von Herrn X gegen den Dokumentarfilm ‘ Frauen kämpfen für ihr Recht ’ vom 13. Juni 2019.

Vorbemerkung:
Am Vorabend des nationalen Frauenstreiktags vom 14. Juni 2019 hat SRF den DOK-Film ‘ Frauen kämpfen für ihr Recht ’ auf SRF 1 ausgestrahlt.[2] Ergänzend zum Film hat die SRF DOK Redaktion die Thematik des Films für einen Artikel im Web bzw. SRF Online aufbereitet. Darauf bezieht sich die Beanstandung von Herrn X. Er beanstandet, der Inhalt verstosse gegen das Sachgerechtigkeits- und Transparenzgebot.

Gerne gehe ich im Folgenden auf die einzelnen Kritikpunkte ein:

  1. X schreibt, im Film würden diverse Thesen als Tatsachen dargestellt. Konkret bemängelt er den Lead des Beitrages. Das Stichwort ‘ keine Gleichberechtigung ’ sei nicht richtig. Die beiden Geschlechter hätten dieselben Rechte hierzulande, Frauen gar noch mehr. Was Herr X mit ‘ noch mehr ’ meint, führt er nicht weiter aus.
    Tatsächlich besitzen Frauen und Männer seit 1981 offiziell dieselben Rechte hierzulande. In der Bundesverfassung steht: <Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.> Um diesen Grundsatz im Alltag umzusetzen, ist seit 1996 das Gleichstellungsgesetz in Kraft.
    Trotzdem gibt es in der Schweiz laut offiziellen Angaben keine vollumfängliche Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Summarisch schreibt das Eidgenössische Büro für Gleichstellungsfragen 2019: <...die Schweiz zieht zuhanden der UNO Bilanz über die Fortschritte und Lücken in der Gleichstellung von Frau und Mann. Erfolgen, wie der Pflicht zur Lohnanalyse für Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden und der gezielten Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, stehen Defizite in der Lohngleichheit und damit verbundene tiefere Frauenrenten sowie Herausforderungen etwa bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegenüber.>[3]

    Die Internationale NGO ‘ Equal Measuers 2030’, die unter anderem von der Bill und Melinda Gates Foundation finanziert wird, schreibt in ihrem Bericht 2019, dass kein einziges Land der Welt die Gleichstellung der Geschlechter erreicht habe[4] . Unter anderem heisst es in diesem Bericht, die Schweiz habe wie die USA oder die Türkei nicht das Level an Gleichstellung erreicht, welches man aufgrund des Wohlstandes erwarten könne. Bemängelt wird etwa der tiefe Frauenanteil im Parlament, bei höheren Regierungsposten und in Wissenschaft und Forschung. Dies sind zwei offiziell einsehbare Quellen, die belegen, dass im DOK-Bericht nicht Thesen als Tatsachen dargestellt werden, sondern wissenschaftlich fundierte Erhebungen die Grundlage der Berichterstattung bilden.
  2. Weiter kritisiert X, der Punkt der Lohnungleichheit werde nicht sachgerecht dargestellt. Er schreibt, es sei eine Behauptung, dass Frauen im Job diesbezüglich alltäglich diskriminiert würden. Es gebe bis heute keinen Nachweis dafür.
    Der Begriff der Gleichberechtigung leitet sich generell aus Artikel 1 und 2 der Allgemeinen Menschenrechte von 1948 ab und besagt, dass alle Menschen frei und gleich an Würden und Rechten geboren werden. Das Gegenteil von Gleichberechtigung ist Diskriminierung. Diskriminierung ist die planmässige Benachteiligung von Menschen - zum Beispiel auf Grund ihres Geschlechts. Dass Frauen beim Lohn diskriminiert werden, zeigt die jüngste Erhebung des Bundesamts für Statistik.[5]

    Frauen verdienten im Jahr 2016 im privaten Sektor durchschnittlich 19,6 Prozent weniger als Männer. Laut dem BfS können 42.9% dieser Lohndifferenz nicht durch objektive Faktoren wie Bildungsniveau, Anzahl Dienstjahre oder Ausübung einer Führungsfunktion erklärt werden. Es besteht ein unerklärter Lohnunterschied von rund 8 Prozent. Diese Lohndiskriminierung widerspricht der Bundesverfassung und verletzt das Gesetz.
    Die Behauptung von X, SRF DOK könne die Aussage der Lohndiskriminierung nicht belegen, ist demnach falsch.
  3. Der Beanstander kritisiert weiter, der Begriff der unbezahlten ‚Care-Arbeit‘ sei irreführend. Jede nicht erwerbstätige Tätigkeit sei unbezahlt. Egal, ob es sich um die Betreuung von Kindern und Angehörigen oder Haustieren und Hobbies handle. Tatsächlich sind mit unbezahlter Arbeit Tätigkeiten gemeint, die nicht entlöhnt werden, theoretisch jedoch durch eine Drittperson gegen Bezahlung ausgeführt werden könnten. Im Unterschied zu Hobbies ist die sogenannte ‚Care-Arbeit‘ per Definition allerdings Arbeit, die für eine Gesellschaft unverzichtbar ist. Es handelt sich hierbei um Betreuungs-, Pflege- und Hausarbeit für Kinder und Erwachsene – sei es bezahlt oder unbezahlt. Wird diese Arbeit nicht geleistet, sind Menschen nicht betreut und letztendlich in ihrer Existenz gefährdet.[6] Offizielle Statistiken belegen, dass mehrheitlich Frauen unbezahlte ‚ Care-Arbeit‘ leisten und damit volkswirtschaftlich einen enormen Nutzen erbringen. Überspitzt formuliert: Ob jemand Briefmarken sammelt ist volkswirtschaftlich irrelevant. Werden allerdings Angehörige unentgeltlich betreut, ist dies eine enorme finanzielle Entlastung für die Allgemeinheit. Ich halte somit fest: Der Begriff ‚ Care-Arbeit‘ wurde im Beitrag von SRF DOK nicht irreführend verwendet.
  4. Schliesslich führt X an, im Beitrag werde als Tatsache dargestellt, dass Frauen im Job und generell benachteiligt würden, es werde aber kein Gedanke daran verschwendet, dass <Die Ungleichheiten Folgen freier Entscheidungen sein könnten.> Tatsächlich haben die Frauen, die im Beitrag porträtiert werden, allesamt frei entschieden, welchen Weg sie beruflich und privat einschlagen. Dass allerdings die Arbeit von Frauen systematisch abgewertet wird, wie aktuelle Forschungsergebnisse belegen[7] ,haben sie nicht frei gewählt. Wenn Kind und Karriere in gewissen Berufen für Frauen kaum zu vereinbaren ist, ist es auch nicht ihre freie Entscheidung. Beides verstösst gegen die Schweizer Verfassung und den Grundsatz der Gleichberechtigung. In diesem Sinne ist dieser Film zu verstehen: Als eine Plattform für Frauen und Männer, die erreichen wollen, dass hierzulande das Verfassungsrecht der Gleichberechtigung im Alltag umgesetzt wird.

Mit Hilfe des DOK-Films und des Online Artikels konnten sich die ZuschauerInnen eine eigene Meinung bilden. Es liegt somit keine Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots vor. Ich bitte Sie deshalb, die Beanstandung abzuweisen. Vielen Dank.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Ich fürchte, dass Sie sich die eindrückliche DOK-Sendung von Kathrin Winzenried gar nicht angesehen, sondern nur den Online-Artikel durchgeklickt haben. Das Schicksal der vier Frauen, die vorgestellt werden, ist zwar nicht auf andere Fälle übertragbar, aber die Mechanismen, die dahinterstecken, sind gängige Mechanismen der schweizerischen Wirtschaft und Gesellschaft. Es stimmt halt einfach, dass Frauen nach wie vor diskriminiert werden, weil sie Frauen sind (und Kinder gebären), und dass sie deswegen schlechter entlöhnt oder entschädigt werden. Die Statistiken sprechen eine klare Sprache. Es besteht weiterhin politisch Handlungsbedarf. Es geht hier überhaupt nicht um Postulate «einzelner Parteien»; es geht vielmehr um Menschenrechte, wie sie im Grundsatz durch die amerikanischen Bills of Rights und die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts erstmals formuliert wurden und wie sie heute in der Menschenrechtserklärung der Uno und jener des Europarates verankert sind. Die DOK – und ebenso der Online-Artikel – fusste auf belegbaren Fakten und war deshalb sachgerecht. Ich kann mich daher der Stellungnahme der Redaktion voll anschliessen. Ihre Beanstandung kann ich nicht unterstützen.

Als der Nationalrat 1980 den Gleichstellungsartikel der Bundesverfassung beriet, zitierte Bundesrat Kurt Furgler das russische Sprichwort: «Jeder Mann ist der Sohn einer Frau». Damit wollte er den Gegnern in Erinnerung rufen, dass sie eigentlich etwas bekämpfen, das auch in ihnen steckt: Männer sind ohne Frauen nichts! Darum ist es eine Schande, dass die Gleichberechtigung nicht längst vollständig vollzogen ist.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/sendungen/dok/frauen-fordern-ihr-recht

[2] https://www.srf.ch/play/tv/dok/video/frauen-kaempfen-fuer-ihr-recht?id=386dc27d-0e53-409a-afe9-d8e8ed0698e6&expandDescription=true

[3] https://www.ebg.admin.ch/ebg/de/home/das-ebg/nsb-news_list.msg-id-75322.html

[4] https://data.em2030.org/2019-global-report/

[5] https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/wirtschaftliche-soziale-situation-bevoelkerung/gleichstellung-frau-mann/loehne.html

[6] https://www.ebg.admin.ch/ebg/de/home/themen/arbeit/care-_-die-sorge-um-menschen.html

[7] Der Link dazu kann leider nicht gegeben werden, da die Datei eventuell virenverseucht ist.

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