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«Deville»-Beitrag «Vatikan Special» beanstandet I

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Mit Ihrer E-Mail vom 12. Januar 2020 beanstandeten Sie die Sendung «Deville» (Fernsehen SRF) vom gleichen Tag zum Thema «Vatikan Special».[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Ich greife erstmals zu diesem Mittel und möchte Ihnen mitteilen, dass mich die Sendung von Deville sehr gestört hat, weil sie verletzend ist. Im Klartext einfältig, doof und auf tiefstem Niveau. Ich erwarte, dass das Schweizer Fernsehen seine Kundengelder sinnvoll investiert und auch in anderen Bereichen auf ein gewisses Niveau achtet. Wir können uns nicht zufriedengeben mit Auswanderer-, Wohnung- und Jobsendungen aus der Ferne. Ich danke für mehr Qualität zugunsten von Quantität.»

Darauf schrieb ich Ihnen: «Ich danke Ihnen für Ihre Beanstandung. Damit ich Sie behandeln kann, müsste ich noch mehr wissen: Was war in der Sendung verletzend gegenüber wem? Welche Personen oder Gruppen wurden diskriminiert? Nur wenn ich weiß, was Sie konkret gestört hat, kann ich aktiv werden.»

Darauf antworteten Sie: «Zuerst einmal ganz herzlichen Dank für die Beantwortung meines Schreibens, ich schätze das sehr! Ich versuche Ihnen eine Antwort zu geben. Dass Satire provozierend sein kann, kann ich nachvollziehen. Auch kann man sich lustig / lächerlich machen über die beiden letzten Päpste. Ich selber bin Katholik und besuche hin und wieder einen Gottesdienst. Ich weiss um viele Missbrauchs- und andere Machtmissbrauchs-Geschichten der Kirche, ich weiss aber auch um viele positive Geschichten der Kirche im sozialen und Werte-Bereich.

Konkret gestört habe ich mich vom Dialog mit dem Ministranten. Dabei ging es um viele versteckten oder zumindest angedeutete Entgleisungen einiger Geistlicher - das ist nicht wegzuleugnen, aber es sind immer noch Einzelfälle. Bei diesem Dialog wurde den Zuschauern suggeriert, dass alle kirchlichen Personen sexuell belastet oder abartig sind. Weihrauch, Kerzenschein und Glockenklang haben diese Infos zusätzlich noch festgemauert. Es ist für mich etwas Entwürdigendes, etwas unter der Gürtellinie, etwas, was dem Denken eines Normalbürgers nicht entspricht. Jeder Mensch hat ein Empfinden für andere Personen oder Angelegenheit. So lasse ich Herrn Deville leben und beschimpfe ihn nicht bezüglich Alter, Aussehen, Charakter, Stimme und Wortwahl. Dies zu machen und eine Person im Tiefsten zu treffen, wäre wahrscheinlich eine Leichtigkeit, aber das gehört sich nicht. Ein bisschen mehr Feingefühl täte allen Menschen gut. - Ich habe Ihnen meine Meinung mitgeteilt, ich danke Ihnen fürs Gehör.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «Deville» antwortete Herr Daniel Kaufmann, Senior Producer Comedy:

«Bei ‘Deville’ handelt es sich um eine Satiresendung. Satire ist ein besonderes Mittel der Meinungsäusserung, bei dem sich die Form bewusst nicht kongruent zu dem verhält, was sie hinterfragen will. Sie übersteigert die Wirklichkeit, verfremdet sie, stellt sie um, kehrt wieder zu ihr zurück, banalisiert sie, karikiert sie, macht sie lächerlich. Dabei ist es aus programmrechtlicher Sicht zentral, dass der satirische Charakter für das Publikum erkennbar ist. Der satirische Charakter bei ‘Deville’ ist für den Zuschauer aufgrund des Sendeformats klar erkennbar.

Die Beanstandung von Herrn X bezieht auf den Dialog mit einem durch den Kabarettisten Gabriel Vetter verkörperten Ministranten (beziehungsweise ‘Maxistranten’). Herr X findet, <bei diesem Dialog wurde den Zuschauern suggeriert, dass alle kirchlichen Personen sexuell belastet und abartig sind>. Ich finde, dass in dieser Spezialausgabe zum Vatikan das Thema Missbrauch sogar recht zurückhaltend behandelt wurde. Im Dialog mit dem gespielten Ministranten ging es um die satirische Idee, Ministranten zu weltlichen Zwecken auszuleihen. Zum Beispiel als Balljungen beim Tennis oder Zügelhilfe. Von sexuellen Handlungen war bei den Beispielen keine Rede.

Ich sehe nicht, dass dieser Beitrag Regeln verletzt hätte. Ich bedanke mich für die Gelegenheit zur Stellungnahme.»

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Es handelte sich um Satire. Satire darf (fast) alles. Ihre Devise ist, dass sie nach oben tritt und eher nicht nach unten, will sagen: aufs Korn genommen und sarkastisch verspottet werden die Mächtigen und nicht die Schwachen, Abhängigen. Beim Christentum ist zu unterscheiden zwischen dem Glauben und den Institutionen. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat in ihrer Rechtsprechung immer festgehalten, dass der Kern der Glaubensinhalte geschützt sei, dass aber die Amtsträger der Kirche genau so der öffentlichen Kritik (und damit auch der Satire) unterworfen sind wie Amtsträger anderer Institutionen. Als Kern der Glaubensinhalte gelten bei den Katholiken die Sakramente, allerdings prüft die UBI jedes Mal wieder neu, ob angesichts des gesellschaftlichen Wandels diese Regel noch gilt. Angesichts der Tatsache, dass in der Schweiz mehr als ein Drittel der Ehen geschieden wird (und dass auch in den übrigen Ehen teilweise gestritten, geschlagen, gemordet wird), ist fraglich, ob das Sakrament «Ehe» auf Dauer immun bleibt vor satirischem Spott. Jedenfalls ist der Kern der Glaubensinhalte geschützt.

Nicht so die Institutionen und die Funktionäre. Die katholische Kirche ist eine der mächtigsten Institutionen der Welt. Sie produziert immer wieder Skandale (Finanzskandale, Mordskandale, Missbrauchsskandale). Weltweit wurden Abertausende Jugendlicher sexuell missbraucht, allein in Australien waren es über 60'000, in Deutschland fast 4'000, in der Schweiz über 300, wobei längst nicht alle Fälle gemeldet oder entdeckt worden sind. Das Verhalten der Päpste, Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Priester, Ministranten, Mönche und Nonnen ist daher kritisierbar und offen für Satire.

Von dieser Möglichkeit hat «Deville» mit der Spezialsendung über den Vatikan Gebrauch gemacht. Ich habe mir die Sendung sehr sorgfältig angeschaut. Sie ist lustig, weil sie voller witziger Einfälle ist. Sie nimmt die Institutionen des Vatikans (darunter auch die Schweizergarde) auf die Schippe, nicht den katholischen Glauben. Sie selber haben vor allem am Gespräch mit dem Ministranten (Gabriel Vetter) Anstoss genommen. Dieses Gespräch habe ich mir mehrmals genau angeguckt, und ich kann nichts von alledem finden, was Sie hineininterpretieren. Es ist nichts anderes als eine Fantasie darüber, was die nur während der Messe beschäftigten Ministranten in allen möglichen Bereichen noch alles tun könnten. Ich habe jedenfalls in der Sendung nichts gefunden, was unsittlich, rassistisch, sexistisch oder eine Diskriminierung von wehrlosen Abhängigen gewesen wäre. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/play/tv/deville/video/deville-mit-michael-mittermeier?id=4ad4013c-c1fd-41db-bf45-41ccc0ba9ccf

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