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SRF-Sendung «SRF bi de Lüt – Familiensache 2/5» beanstandet

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Mit Ihrer E-Mail vom 13. Januar 2020 beanstandeten Sie die Sendung «SRF bi de Lüt – Familiensache 2/5» (Fernsehen SRF) vom 10. Januar 2020.[1] Ihre Eingabe entspricht den formalen Anforderungen an eine Beanstandung. Ich kann daher darauf eintreten.

A. Sie begründeten Ihre Beanstandung wie folgt:

«Begleitung von 3 Familien und ihre Geschichten: besonders zwei Papis auf dem Weg zu einem zweiten Kind. Diese Geschichte verletzt meine innersten sittlichen und religiösen Gefühle. Die Serie stellt diese Situation als eine ganz normale Familie dar (jetzt erst mit einer Tochter einer Leihmutter in den USA und auf dem Weg zu einer zweiten Leihmutter in den USA). Es ist typisch im SRF, dass eine solche ‘normale’ gezeigt wird als Familiensache zu einer besten Sendezeit zugänglich für Kinder und Jugendliche und klare / detaillierte Vorgehensweise zu einer illegalen Handlung.

Darf ich drauf hinweisen, dass in der Schweiz eine Leihmutterschaft verboten ist und die Adoption von Kindern von zwei Gleichgeschlechtlichen Paaren? Hier wird eine Grenze überschritten ohne Hinweis auf die CH-Rechte und einen Weg als Selbstverständlichkeit aufgezeigt, wie man diese Verbote aushebeln kann mit einer ausführlichen Berichterstattung der beiden Papis mit ihrem Trip nach USA. Dass eine solche rechtswidrige Haltung in die Serie aufgenommen wird (die anderen Beispiele sind sehr gut gewählt), kann ich nicht nachvollziehen. Ich bitte um Ihre Intervention bei den Verantwortlichen der SRF noch währenddem die Serie läuft, diesen Teil der Serie zu stoppen mit dem Hinweis auf die rechtswidrige Haltung der beiden Papis.

Schutz der Minderjährigen: Mich dauert das Mädchen (und vielleicht auch das zweites Kind), die so ungeschützt der breiten Öffentlichkeit preis gegeben werden und dauernd einem Erklärungsbedarf ausgesetzt sein werden, trotz dem Hinweis der beiden Papis auf eine ganz normale Familie. Da verlange ich einen sofortigen Schutz dieser Kinder, die sich ja nicht selber wehren können.

Zum Schluss finde ich es eine Zumutung für die Zuschauer, den Betrag von CHF 100’000 zu nennen für diese rechtswidrige Haltung und 1/5 davon für die Leihmutter der amerikanischen Leihmutterschaft. Welche Rechte und Pflichten fallen auf die leibliche Mutter in den USA nach CH-Recht oder gibt es Kinder ohne Mütter in der Schweiz? Solange diese Fragen nicht rechtlich geklärt sind erachte ich diese dubiose Familiengeschichte der beiden Papis als eine bewusste Beeinflussung der CH-BürgerInnen durch SRF vor Abstimmungen, die nach meinem Empfinden verboten sind.

Gerne erwarte ich Ihre rasche Stellungnahme und danke Ihnen für Ihre wertvolle Arbeit.»

B. Die zuständige Redaktion erhielt Ihre Beanstandung zur Stellungnahme. Für «SRF bi de Lüt» antwortete Herr Hansjörg Niklaus, Senior Producer, Bereich Factual Entertainment:

«Herr X beanstandet eine Verletzung seiner sittlichen und religiösen Gefühle. Zudem fordert X die Einstellung der Serie und begründet die mit der Darstellung einer rechtswidrigen Handlung. Weiter fordert er den Schutz der minderjährigen Tochter des portraitierten Paars, fragt nach den Rechten und Pflichten der leiblichen Mutter nach Schweizer Recht und betrachtet die Sendung als Beeinflussung der Bürgerinnen und Bürger vor einer Abstimmung. Gerne nehmen wir zu den einzelnen Punkten Stellung.

Zur Verletzung der sittlichen und religiösen Gefühle

Im Sendeformat ‘SRF bi de Lüt – Familiensache’ gewähren jeweils drei unterschiedliche Familien einen intimen Einblick in ihr Privat- und Berufsleben. Die Auswahl der Protagonisten für das Format erfolgt anhand der publizistischen Leitlinien von Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Gemäss den Leitlinien sind für die Auswahl die Kriterien Relevanz und Publikumsinteresse wegleitend.[2] Die Leihmutterschaft ist in der Schweiz ein umstrittenes und gesellschaftlich relevantes Thema. Immer mehr hetero- wie auch homosexuelle Paare erfüllen sich mit einer Leihmutterschaft ihren Kinderwunsch. Wie viele Schweizer Paare eine Leihmutterschaft im Ausland in Anspruch nehmen ist nicht erfasst. Der Bundesrat hält aber fest, dass es eine zunehmende gesellschaftliche Realität in der Schweiz ist.[3]

Die nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin hält ergänzend fest, dass die Leihmutterschaft in der Schweiz grundsätzlich zugelassen werden könne, da sie per se weder dem Kindswohl entgegenstehe noch der Leihmutter einen Schaden zufüge. Aus Gründen der Nichtdiskriminierung sollte die Fortpflanzungsmedizin nicht nur heterosexuellen, sondern auch homosexuellen Paaren zustehen.[4] Daraus folgt, dass die Auswahl der portraitierten Protagonisten im Einklang mit den Kriterien der publizistischen Leitlinien von SRF erfolgte und gerechtfertigt ist. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch die Programmautonomie den Redaktionen die freie Wahl von Themen und Fokus einer Sendung erlaubt.

Zur Einstellung der Serie / rechtswidrige Handlung

In der Schweiz ist die Leihmutterschaft verboten. Strafbar ist aber nur, wer bei einer Leihmutter ein Fortpflanzungsverfahren anwendet oder Leihmutterschaften vermittelt (Art. 31 des Bundesgesetzes über die medizinische Fortpflanzung). Weder die Leihmutter noch die Wunscheltern unterliegen der Strafandrohung. Insofern ist das Vorgehen des portraitierten gleichgeschlechtlichen Paares in der Schweiz strafrechtlich nicht relevant.

In anderen Ländern ist die Rechtslage jedoch anders. In verschiedenen Gliedstaaten der USA ist die Leihmutterschaft erlaubt und gesetzlich klar geregelt. Weder die Leihmutter noch die Wunscheltern unterliegen der Strafandrohung. Beim porträtierten Paar fand die Leihmutterschaft im US-Bundesstaat Connecticut statt, wo die Leihmutterschaft erlaubt und rechtlich klar geregelt ist. Das portraitierte Paar hat aus diesen Gründen weder aus Schweizer noch aus amerikanischer Sicht eine rechtswidrige Handlung vorgenommen und es wurde in der Sendung auch keine rechtswidrige Handlung dargestellt.

Schutz der minderjährigen Tochter

Die publizistischen Leitlinien von SRF regeln den Umgang mit Minderjährigen klar. Bilder und Befragungen von Kindern bedürfen der Zustimmung der Eltern oder der Erziehungsberechtigten. Im konkreten Fall wurde diese Zustimmung schriftlich eingeholt, es besteht daher keine Verletzung der publizistischen Leitlinien.

Rechte / Pflichten Leihmutter

Ob die Leihmutter die genetische Mutter des Kindes ist oder nicht, ändert aus Schweizer Sicht nichts an der rechtlichen Situation: Gemäss den Bestimmungen des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) ist Mutter die Frau, die das Kind geboren hat. Wird die Eizelle mit der Samenzelle des Wunschvaters befruchtet, ist er der genetische Vater des Kindes. Die Anerkennung des Kindes durch ihn ist möglich, wenn eine allfällig rechtlich bestehende Vaterschaft, insbesondere diejenige des Ehemannes der Leihmutter, beseitigt worden ist.[5] Im konkreten Fall erfolgte die Adoption durch den genetischen Vater des Kindes. Die amerikanische Leihmutter hat nach der Adoption keine Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind.

Beeinflussung vor Abstimmung

Der Beanstander präzisiert nicht, welche Abstimmung durch die Sendung beeinflusst werden könnte. Die Redaktion vermutet, dass die eidgenössische Abstimmung vom 9.2.2020 ‘Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung’ gemeint ist. Mit der Vorlage wollen Bundesrat und Parlament die Anti-Rassismus-Strafnorm stärken und verbieten, Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung zu diskriminieren. Wer deswegen zu Hass aufruft oder Propaganda verbreitet, soll ebenfalls bestraft werden können.[6] Das portraitierte Paar ist homosexuell. Die Thematik der Leihmutterschaft hat aber keinen Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung. Sowohl hetero- wie auch homosexuelle Paare erfüllen sich mit der Leihmutterschaft ihren Kinderwunsch. Die Redaktion kann darum keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen der eidgenössischen Vorlage und der Sendung erkennen.

Zusammenfassung

Das Portrait des homosexuellen Paares, welches sich seinen Kinderwunsch mittels Leihmutterschaft erfüllt, entspricht vollumfänglich den publizistischen Leitlinien von SRF sowie den Bestimmungen des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) . Von einer Darstellung von rechtswidrigem Verhalten kann keine Rede sein. Der Schutz der minderjährigen Tochter ist gewährt und ein Zusammenhang zur Abstimmung vom 9.2.2020 ist nicht nachvollziehbar. Aus diesen Gründen sind wir der Meinung, dass die Beanstandung nicht zu unterstützen ist. Wir bedanken uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme.“

C. Damit komme ich zu meiner eigenen Bewertung der Sendung. Die Sendung «SRF bi de Lüt – Familiensache» ist eine fünfteilige Serie. Serien haben es an sich, dass man nur richtig mitkommt, wenn man alle Folgen gesehen hat. Ich vermute, dass Sie die erste Folge verpasst haben. Dort wurde die Rechtslage in Bezug auf die Leihmutterschaft angesprochen.[7] Und Herr Niklaus hat sie jetzt hier in seiner Stellungnahme nochmals ausführlich dargelegt. SRF hat nichts Verbotenes gemacht, sondern mit den drei Familien einfach Beispiele gesellschaftlicher Realität gespiegelt. Ein Verstoß gegen das Radio- und Fernsehgesetz liegt nicht vor. Ich kann daher Ihre Beanstandung nicht unterstützen.

D. Diese Stellungnahme ist mein Schlussbericht gemäß Art. 93 Abs. 3 des Radio- und Fernsehgesetzes. Über die Möglichkeit einer Beschwerde an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) orientiert die beigelegte Rechtsbelehrung. Für Nachfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüssen,
Roger Blum, Ombudsmann


[1] https://www.srf.ch/play/tv/srf-bi-de-luet-familiensache/video/srf-bi-de-luet-familiensache-25?id=37cb7c78-e6a5-4615-a67d-ad964e64bb90

[2] Punkt 3.1. Auswahlkriterien und Prioritäten / Quelle: https://www.srf.ch/unternehmen/unternehmen/qualitaet/publizistische-leitlinien-srf

[3] Bericht zur Leihmutterschaft – Bericht des Bundesrats vom 29. November 2013, https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/aktuell/news/2013/2013-11-29/ber-br-d.pdf

[4] https://www.nek-cne.admin.ch/inhalte/Themen/Stellungnahmen/NEK_Fortpflanzungsmedizin_de.pdf

[5] Bericht zur Leihmutterschaft – Bericht des Bundesrats vom 29. November 2013, https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/aktuell/news/2013/2013-11-29/ber-br-d.pdf

[6] https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20200209/divieto-della-discriminazione-basata-sull-orientamento-sessuale.html

[7] https://www.srf.ch/play/tv/srf-bi-de-luet---familiensache/video/srf-bi-de-luet-familiensache-15?id=ae7bb51a-f157-4511-b16e-d7a01e6d8557

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