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Belästigungsvorwürfe: Externe Untersuchungen, interne Massnahmen

Die Berichte der vom Verwaltungsrat SRG am 4. November 2020 in Auftrag gegebenen externen Untersuchungen zu den Belästigungsvorwürfen bei der Unternehmenseinheit RTS liegen vor. Der Verwaltungsrat hat auf Basis der Untersuchungsergebnisse Massnahmen beschlossen und Schritte zur Verbesserung des Schutzes der Integrität der Mitarbeitenden eingeleitet sowie sein Vertrauen in SRG-Generaldirektor Gilles Marchand und RTS-Direktor Pascal Crittin bekräftigt. Der Verwaltungsrat SRG drückt sein tiefes Bedauern zu jedem Fall aus und bittet die Geschädigten um Entschuldigung.

Am 31. Oktober 2020 hatte eine französischsprachige Schweizer Tageszeitung über mutmassliche Belästigungsfälle bei RTS berichtet. Der Verwaltungsrat SRG handelte umgehend und gab am 4. November 2020 unabhängige externe Untersuchungen in Auftrag – dies in Absprache mit dem SRG-Generaldirektor, dem Direktor von RTS und in Zusammenarbeit mit dem Sozialpartner, dem Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM).

Diese Untersuchungen sollten die bestehenden, konzernweit vorhandenen Instrumente zur Meldung und Vermeidung von Fehlverhalten und zum Schutz der Integrität der Mitarbeitenden auf ihre Wirksamkeit überprüfen und Verbesserungsvorschläge aufzeigen (Untersuchung 1), die Verantwortlichkeiten von involvierten Führungspersonen und Fachbereichen über alle Führungsebenen hinweg lückenlos aufklären (Untersuchung 2) und die im Oktober 2020 aufgebrachten drei Fälle untersuchen (Untersuchung 3).

Unabhängige externe Untersuchungsorgane

Die Interne Revision der SRG, die den Verwaltungsrat in der Aufsicht des Unternehmens unterstützt, wurde mit der Untersuchung 1 beauftragt. Die Abklärungen erfolgten unter der Leitung von Dr. Ursula Gut-Winterberger, Verwaltungsrätin SRG, und unter Mitwirkung von Dr. Claudia Kaufmann, frühere Ombudsfrau der Stadt Zürich.

Die Untersuchung 2 wurde durchgeführt von Muriel Epard, ehemalige Präsidentin des Kantonsgerichts Waadt, und Stanislas Zuin, ehemaliger Präsident des Genfer Rechnungshofs.

Und die Untersuchung 3 erfolgte durch die auf Arbeitsrecht spezialisierte Genfer Anwältinnenkanzlei «Troillet Meier Raetzo». Das Mandat dafür wurde im Auftrag der Generaldirektion SRG von der Direktion RTS in Abstimmung mit dem SSM erteilt und vom Personalausschuss des Verwaltungsrats SRG genehmigt.

Verbesserung der Instrumente und personelle Massnahmen

Der Untersuchungsbericht 1 unterstreicht die Nulltoleranz gegenüber jeglicher Form von Belästigungen oder Verletzungen der Integrität und Würde von Mitarbeitenden der SRG. Die heute im Unternehmen bereits vorhandenen Instrumente zum Schutz der Mitarbeitenden (Meldung an Vorgesetzte, an Human Resources, die externe Whistleblowing-Meldestelle, Zugang zum Sozialberatungsunternehmen Movis) haben Mängel aufgezeigt. Diese müssen korrigiert und durch zusätzliche Massnahmen und Kontrollmechanismen ergänzt werden.

Der Verwaltungsrat hat deshalb die folgenden Stossrichtungen und Massnahmen beschlossen:

  • In allen Unternehmenseinheiten wird eine klare Haltung zu einer Nulltoleranz-Politik etabliert.
  • In den Unternehmenseinheiten soll die Position von internen «Vertrauenspersonen» eingeführt werden, die den Mitarbeitenden zur Verfügung stehen. Ausserdem wird die Position einer externen Ombudsperson geschaffen.
  • Oberste Verantwortung für das Thema haben die Führungsverantwortlichen. Diese Verantwortung kann nicht delegiert werden. Alle Mitarbeitenden in Führungspositionen müssen deshalb ein obligatorisches Schulungsprogramm absolvieren, das gezielt auf das Thema Belästigungen und den Umgang damit sensibilisiert.

Für den Fall der Nichteinhaltung der neuen Bestimmungen sollen spezifische Sanktionen erlassen werden.

Der Verwaltungsrat hat die Interne Revision und die Geschäftsleitung SRG mit der Umsetzung dieser beschlossenen Massnahmen beauftragt. Der Umsetzungsprozess soll partizipativ gestaltet werden. Der Verwaltungsrat misst den Verbesserungen hohe Priorität zu und wird die Einführung und die Wirkungskontrolle der neuen Instrumente eng begleiten, damit die SRG auch in Zukunft eine moderne und attraktive Arbeitgeberin bleibt. Letztlich sollen diese Verbesserungen auch dazu beitragen, die Anforderungen der Unternehmenskultur den Vorgaben des Verwaltungsrats anzupassen und diese zu stärken.

Analyse der Verantwortlichkeiten

Im Untersuchungsbericht 2 zur Überprüfung der Verantwortlichkeit von involvierten Führungspersonen und Fachbereichen über alle Führungsebenen hinweg stellten die externen Expert:innen fest, dass von den drei untersuchten Fällen das Management in zwei Fällen angemessen gehandelt hat.

Im dritten Fall wurden Managementdefizite in den Fachabteilungen von RTS festgestellt. Diese Defizite werden von der RTS-Geschäftsleitung bearbeitet, die zeitnah dazu kommunizieren wird. RTS hat ausserdem eine externe Prüfung des Personalmanagements und der Personaldienstleistungen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse dieser Abklärungen werden in Kürze erwartet.

Der zum Zeitpunkt der Ereignisse verantwortliche RTS-Direktor, Gilles Marchand, hatte eine sekundäre Aufsichtsverantwortung, die im dritten Fall nach Beurteilung der externen Expert:innen zu wenig wahrgenommen wurde. Dies stellt in der Einschätzung der Gutachter:innen jedoch keinen gravierenden Fehler dar. Der Verwaltungsrat ist der Ansicht, dass Gilles Marchand die richtige Person für die SRG ist, um gemeinsam mit der Geschäftsleitung die geforderten Veränderungen in der Unternehmenskultur erfolgreich umzusetzen.

Bezüglich des aktuellen Direktors von RTS, Pascal Crittin, sind die externen Expert:innen zum Schluss gekommen, dass ihm kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann. Deshalb gibt es für den Verwaltungsrat ebenfalls keinen Handlungsbedarf.

Der Chefredaktor der TV-Nachrichten von RTS hat sich in Abstimmung mit dem Direktor entschieden, das Unternehmen zu verlassen, um einen Neustart zu ermöglichen. Der Leiter der Personalabteilung von RTS wird seine Funktion abgeben. RTS kommuniziert dazu mit einer eigenen Medienmitteilung und einer Personalinformation heute Freitagnachmittag.

Im Untersuchungsbericht 2 werden weitere Empfehlungen gemacht, die in den nächsten Wochen in Bezug auf die Umsetzung geprüft werden.

Detaillierte Überprüfung von Rückmeldungen bei RTS

Die drei Fälle, über die in den Medien ausführlich berichtet wurde, betreffen unterschiedliche Situationen. Im ersten Fall, der einen Mitarbeiter betrifft, der RTS mittlerweile verlassen hat, stellten die unabhängigen Sachverständigen keine sexuelle Belästigung oder Mobbing fest.

In den beiden anderen untersuchten Fällen stellten die Expert:innen hingegen Handlungen fest, die als Belästigung im Sinne von Artikel 328 des Schweizerischen Obligationenrechts (Haftung des Arbeitgebers) qualifiziert wurden. In diesen beiden Fällen hat RTS Massnahmen ergriffen. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, den die SRG respektiert, können keine weiteren Angaben zu den einzelnen Fällen gemacht werden.

Parallel zur Untersuchung 3 war bis Mitte Januar 2021 eine externe Hotline zur Meldung von Unkorrektheiten im Arbeitsalltag bei RTS eingerichtet worden. Insgesamt gingen für den Zeitraum der letzten 20 Jahre rund 220 Rückmeldungen ein. Alle Meldungen werden einzeln und detailliert geprüft, und problematische Fälle werden vom Unternehmen sofort bearbeitet.

Aufarbeitung der Rückmeldungen bei RSI

Auch bei RSI wurde als Folge der Abklärungen bei RTS vom Sozialpartner SSM eine externe Hotline eingerichtet. In der Folge mandatierten RSI und SSM gemeinsam eine externe Untersuchung. Die eingegangenen 38 Rückmeldungen wurden in einer ersten Phase triagiert. Die Vorwürfe von Belästigung beziehungsweise Verletzung der persönlichen Integrität wurden an zwei Anwältinnen und zwei Anwälte übergeben, welche die Fälle im Auftrag von RSI untersuchen. Der Schlussbericht wird per Ende Juni 2021 erwartet.

Weiteres Vorgehen

SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina: «Der Verwaltungsrat SRG hatte nach den Meldungen im Herbst 2020 sehr rasch und entschlossen reagiert und hatte unter Einbezug des Sozialpartners umfangreiche, externe Untersuchungen in Auftrag gegeben. Auf der Basis der nun vorliegenden Ergebnisse und Empfehlungen wurden erste Massnahmen beschlossen und weitere bei der Geschäftsleitung SRG in Auftrag gegeben. Damit hat die SRG das Thema gründlich und sorgfältig aufgearbeitet. Die SRG duldet keinen Machtmissbrauch, keine sexuellen und sexistischen Belästigungen oder Mobbing am Arbeitsplatz. Wir werden die Persönlichkeit und die Integrität unserer Mitarbeitenden künftig noch besser zu schützen wissen – und ich bitte all jene um Entschuldigung, bei denen uns dies in der Vergangenheit noch nicht ausreichend gelungen ist.»

Verwaltungsrätin Ursula Gut-Winterberger: «Es ist ein Paradigmenwechsel im Unternehmen erforderlich, der bedingt, dass sich alle Führungsverantwortlichen für das Thema zuständig und verantwortlich fühlen und die gewünschte Kultur des respektvollen Umgangs und angstfreien Arbeitsklimas vorleben. Der Verwaltungsrat verlangt, dass sich eine klare, sichtbare Haltung hin zu einer Nulltoleranz etabliert.»

SRG-Generaldirektor Gilles Marchand: «Diese schwierige Situation, in der wir uns befinden, zeigt, dass die bisherigen Massnahmen zur Aufdeckung von Missständen und zum Schutz der Mitarbeitenden nicht ausreichend waren. Ich bedauere dies persönlich und bin entschlossen, gemeinsam mit der gesamten Geschäftsleitung schnellstmöglich alle entsprechenden Massnahmen umzusetzen.»


Text: SRG SSR

Bild: SRG SSR

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