Can Külahcigil und Lena Oppong
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«Holt SRF alle Lebenswelten ab?»

SRF-Redaktorin Lena Oppong und SRF-Redaktor Can Külahcigil engagieren sich für eine Berichterstattung, die keine Menschen ausschliesst und diskriminiert. Mit ihrem Team organisieren sie Feedbackrunden und schreiben Blogposts. Ihr Einsatz stösst auf Anklang.

Im letzten Sommer, als Medien auf der ganzen Welt über «Black Lives Matter» berichteten, fassten Lena Oppong und Can Külahcigil, beide 29-jährig, beim Feierabendbier einen Plan: Sie wollen dazu beitragen, dass SRF Fortschritte macht in der Berichterstattung über Rassismus und Migration. Sendungen, die vom Publikum als diskriminierend wahrgenommen werden könnten, sollen vermieden werden. «Unser Haus produziert Beiträge von höchster Qualität. Aber in gewissen Bereichen sind wir blind», sagt Nachrichten- und Jugend-Redaktor Külahcigil. Zum Beispiel sei es ein Problem, wenn Bevölkerungsgruppen pauschal in ein schlechtes Licht gerückt würden oder Personen mit Migrationsgeschichte nur sprechen dürfen, wenn es um Rassismus gehe – und nicht in davon losgelösten Zusammenhängen, etwa als Expertinnen und Experten für Medizin.

Lena Oppong, auch sie Jugend-Redaktorin, und Can Külahcigil gründeten darum das «Soundingboard Migration & Rassismus», eine Arbeitsgruppe von SRF-Mitarbeitenden mit und ohne Migrationsgeschichte, die Kolleginnen und Kollegen sensibilisieren soll.

Zur Lancierung luden Oppong und Külahcigil zwei Vertreterinnen der Neuen Schweizer Medienmacher*innen ein, eines Netzwerks von Medienschaffenden mit und ohne Migrationsgeschichten, das sich für nicht diskriminierende und antirassistische Berichterstattung einsetzt. Im Rahmen einer internen Veranstaltung gaben sie ein ausführliches Feedback auf einen Beitrag, der von einem Teil des Publikums als rassistisch bezeichnet wurde. «Der erste Event sollte möglichst praxisnah sein und viele Menschen ansprechen», sagt Oppong. Das tat er: Rund 70 SRF-Mitarbeitende horchten der Analyse.

Das Bedürfnis nach Austausch und Bildung ist offensichtlich vorhanden. «Natürlich ist es nicht möglich, unseren Einfluss zu messen», sagt Oppong. Nach der digitalen Feedbackrunde mit anschliessender Diskussion habe sie aber viele Mails mit positiven Rückmeldungen erhalten. Und das Dokument mit Merkpunkten der Analyse werde in internen Chats rege weitergereicht. «Wir werden wahrgenommen, obwohl es uns noch nicht lange gibt. Das finde ich positiv.»

Ehrenamtliches Engagement

Oppong und Külahcigil haben beide eine Migrationsgeschichte. Sie betonen aber, dass ihr Engagement in erster Linie auf der Motivation gründe, Qualitätsjournalismus zu schaffen und dem Service-public-Gedanken noch besser gerecht zu werden. «In meiner Berichterstattung möchte ich die Schweiz in ihrer Diversität abbilden und dabei möglichst viele Menschen erreichen. Das bedingt, dass wir bei den Themen Rassismus und Migration besser werden», sagt Oppong.

Dass rund jede vierte Person in der Schweiz keinen Schweizer Pass habe, müsse im publizistischen Angebot berücksichtigt werden, findet Külahcigil: «Ich bin Secondo. Meine Eltern konsumieren seit 30 Jahren ausschliesslich das News-Angebot von SRF.» Von anderen Formaten – Unterhaltung, Sport, Kultur usw. – fühlen sie sich hingegen nicht angesprochen. «Da frage ich mich: Macht SRF ein Programm für die ganze Schweiz? Holt es alle Lebenswelten ab?»

Im Moment suchen Oppong und Külahcigil nach weiteren Leuten, die beim Soundingboard mitarbeiten möchten. Etwas mehr als zehn Personen sind aktuell dabei, aus verschiedensten Redaktionen und dem Rechtsdienst. «Es braucht aber noch mehr, damit die unterschiedlichen Diversitätsfragen repräsentiert sind», so Külahcigil.

«Die Idee ist, dass es innerhalb des Soundingboards Kleingruppen gibt, die sich je um verschiedene Projekte kümmern», sagt Oppong. Einige könnten zum Beispiel eine weitere Feedbackrunde oder eine Zusammenkunft von Redaktionsleitern und -leiterinnen organisieren. Andere könnten gelungene Beiträge sammeln und im Intranet publizieren. Bereits vorhanden ist dort eine Liste mit Empfehlungen für Social-Media-Profile und Bücher, welche für die Berichterstattung und die eigene Weiterbildung hilfreich sein können.

«Wir wollen auf die Bedürfnisse der Redaktionen eingehen», erklärt Külahcigil. So sei die Soundingboard-Gruppe jederzeit offen für Fragen, die sich im Arbeitsalltag ergeben. Zum Beispiel habe sich nach der Feedbackrunde gezeigt, dass die Mitglieder der News-Redaktion eine Checkliste praktisch fänden, die sie bei der Abnahme eines Beitrags durchgehen könnten. Diese sollte die Gefahr verringern, dass unbeabsichtigt Ressentiments und Stereotype reproduziert und zementiert werden.

Oppong und Külahcigil kümmern sich nun um die Ausarbeitung einer solchen Liste. Dazu werden sie Fachleute beiziehen. «Wir sind Journalistinnen und Journalisten. Dass wir eine Migrationsgeschichte haben, macht uns längst nicht zu Fachleuten», so Külahcigil. Überhaupt sei es wichtig, dass die Arbeit des Soundingboards wohlwollend zu verstehen sei. «Wir erheben nicht mahnend den Zeigefinger, das wäre schlecht.»

Im Moment arbeiten Lena Oppong und Can Külahcigil sowie ihr Team ehrenamtlich für das Soundingboard, punktuell erhalten sie Unterstützung von der Abteilung Ausbildung. «Der Vorteil ist, dass wir so nicht in Strukturen feststecken und unabhängig sind», sagt Oppong. Beide finden, dass aber langfristig ein grösseres Bekenntnis von SRF wünschenswert wäre. So wie es in den Leitlinien festgehalten ist. Can Külahcigil: «Dort steht, dass wir die Schweiz in ihrer ganzen Vielfalt darstellen. Das öffentliche Radio und Fernsehen könnte nun mit der Unterstützung konkreter Massnahmen mit einem guten Beispiel vorangehen.»


Text: Flavia von Gunten

Bild: Urs Rey

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