Illustration eines Pentagramms
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«rec.» über «Satanic Panic» sorgt weiterhin für Aufregung

Das Reportageformat «rec.» widmete sich in seiner Ausgabe vom 17. Mai 2022 unter dem Titel «Jetzt reden die Opfer – ‹Satanic Panic› in der Schweiz» zum zweiten Mal dem Thema «satanistische rituelle Gewalt». Wie schon die Ausstrahlung vom 14. Dezember 2021, sorgte auch die Folgesendung für grosse Aufmerksamkeit. Eine Zuschauerin und ein Zuschauer reichten gemeinsam eine Beanstandung bei der Ombudsstelle ein. Sie monieren, das Thema werde einseitig und nicht neutral beleuchtet, es kämen fast nur kritische Stimmen zu Wort. Die Ombudsleute wiesen die Beanstandung aber ab.

Die Beanstander beklagen, dass in der von ihnen kritisierten Sendung satanische rituelle Gewalt als Verschwörungstheorie dargestellt werde. Ihrer Ansicht nach würden zahlreiche hochqualifizierte und erfahrene Fachpersonen diese Meinung nämlich nicht teilen. Diese Expertinnen und Experten bestätigten, dass rituelle Gewalt auch im Zusammenhang mit Ideologien wie Satanismus stattfinde und dass auch lebenslange Konditionierung und Programmierung («Mind Control») von Opfern vorkomme. Ebenso missfiel der Beanstanderin und dem Beanstander die emotionale und subjektive Haltung des Reporters. Diese verhindere eine faire, sachliche und neutrale Behandlung des Themas.

Keine «False Balance»

In einer umfassenden, schriftlichen Stellungnahme zeigt die verantwortliche Redaktion auf, woher die These der «rituellen Gewalt» und der «Mind Control» stammt und weshalb sie als unwissenschaftlich und als Verschwörungstheorie gilt. Hauptgründe dafür seien, dass die These in sich geschlossen und nicht widerlegbar sei. Die Mehrheit der Kliniken und Dienstleister in der Schweiz nehme die These als Verschwörungstheorie wahr und lehne sie entsprechend ab. Deshalb ist es aus journalistischer Sicht für die Redaktion klar, dass die Befürworter der Theorie nicht den gleichen Platz in der Reportage erhielten wie die wissenschaftlich fundierte Forschung und deshalb keine «False Balance» vorliege. Es sei ein kleiner therapeutischer Kreis, der die Theorie glaube und kolportiere. Von einer ausgewogenen Fachdiskussion könne keine Rede sein, so die Redaktion.

Keine Belege für die Taten

Auf die Kritik, dass keine Opfer der rituellen Gewalt und der Mind Control in der Sendung berücksichtigt wurden, antwortet die Redaktion, dass Betroffene von angeblicher «satanistischer ritueller Gewalt» immer wieder öffentlich auftreten würden und in Medienberichten und Dokumentationen zu Wort kämen. Ihre Erzählungen ähnelten sich stark und seien sehr stereotyp. Die Redaktion verweist auf den kürzlich abgeschlossenen «Fall Nathalie» in der Schweiz. Hunderte sehr ähnliche Fälle mit stereotypen Erzählungen zu angeblichem «rituellem Missbrauch/Mind Control» hätten nie zu Ermittlungsergebnissen geführt. Es gebe für die Vergehen keinerlei Belege. Man müsse journalistisch enorm auf der Hut sein. Im Fall Nathalie hätten sich einige Medienhäuser für ihre Berichterstattung entschuldigen müssen, nachdem sämtliche Vorwürfe in sich zusammengefallen seien.

Nach der ersten «rec.»-Reportage zum Thema rituelle Gewalt hätten sich zahlreiche Opfer von Fehltherapien bei SRF gemeldet. Sobald der Redaktion einen Missstand zugetragen werde, sehe sie sich verpflichtet, dem nachzugehen, zu recherchieren und publizieren. Dadurch werde eine Debatte erst ermöglicht. Die Diskussion über die aufgezeigte Verschwörungstheorie komme durch die Recherchen von «rec.» in der Schweiz nun allmählich in Gang.

Format für jüngere Zielgruppe

Bezüglich der kritisierten emotionalen Haltung des Reporters weist die Redaktion darauf hin, dass «rec.» ein journalistisches Reportageformat sei, das sich an ein jüngeres Zielpublikum richte. Gesellschaftlich relevante Themen und soziale Brennpunkte würden aus einer subjektiven Perspektive gezeigt. Die Sprache entspreche der jüngeren Generation. Die Reportagen seien faktenbasiert und sachgerecht, das Vorgehen der Reporterteams sei fair und transparent. Der Reporter ziehe seine Schlüsse aufgrund von Fakten, seiner Recherchen und Gesprächen mit Expert:innen. Kommentare seien als solche erkennbar. Zudem hätten kritisierte Personen und Institutionen auf die vorgebrachte Kritik antworten können.

Subjektive Einschätzungen erlaubt

Gemäss Ombudsstelle verlange das Sachgerechtigkeitsgebot nicht, dass alle Standpunkte qualitativ und quantitativ genau gleichwertig dargestellt werden. Entscheidend sei, dass die Zuschauenden erkennen könnten, dass und inwiefern eine Aussage umstritten sei und dass sie sich ihre eigene Meinung bilden könnten. Das Vielfaltsgebot verlange, dass die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten in der Gesamtheit der redaktionellen Sendungen angemessen zum Ausdruck komme.

«rec.» sei ein Reportageformat. In dieser journalistischen Form werde anhand konkreter Beispiele, durch Begegnungen mit Personen sowie durch Interviews und Kommentare berichtet. Im Gegensatz zu reinen Nachrichten- und Informationssendungen gehöre die subjektive Einschätzung der Autor:innen zur Reportage. Der Reporter in der monierten Sendung sei zwar emotional und gebe auch sein Unverständnis verbal und nonverbal zum Ausdruck. Das sei bei diesem Format jedoch zulässig, so die Ombudsleute. Es sei nicht so, dass er seine persönlichen Ansichten als objektive Tatsachen darstelle.

Manko behoben

«rec.» hat mit der vorliegend zu bewertenden Sendung ein Manko der ersten Sendung behoben: Auch die Ombudsleute hatten nämlich kritisiert, dass in der Sendung vom 14. Dezember 2021 auf Stimmen von Betroffenen verzichtet worden sei. Bei «rec.» vom 17. Mai 2022 seien nun richtigerweise Opfer auf eine differenzierte Art und Weise und mit zeitlichem Abstand zur Fehltherapie zu Wort gekommen. Die Gespräche mit renommierten Fachpersonen kommentierten die Aussagen der Fehltherapierten sachkundig, liessen nach Ansicht der Ombudsleute aber dennoch Raum für andere Meinungen.

Das Vorliegen von «Mind control» sei von beiden Lagern erörtert worden. Schon aus diesem Grund liege keine Einseitigkeit vor, finden die Ombudsleute. Renommierte Expertinnen und Experten, die nicht die Meinung der Beanstanderin bzw. des Beanstanders teilen, als unglaubwürdig darzustellen, sei unredlich, zumal deren Aussagen auch einer genauen Prüfung Stand hielten.

Die Ombudsleute können die Beanstandung somit nicht unterstützen.

«rec.» vom 17. Mai und Q&A zur Reportage:

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  • «rec»: «Jetzt reden die Opfer – Satanic Panic in der Schweiz» vom 17. Mai 2022:
  • Q&A zur Reportage «Satanic Panic 2» vom 24. Mai 2022:

Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 8811


Text: SRG.D/dl

Bild: SRG.D/Cleverclip (Symbolbild)

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