Illustration eines Radios, aus dem eine Sprechblase mit Fluchwörtern kommt.
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

Keine Jugendgefährdung in «Kultur Kompakt»

Die Sendung «Kultur Kompakt» thematisierte in einem Audio-Beitrag vom 22. November 2021 den Roman «Offene Fenster, offene Türen» des Schweizer Autors Hansjörg Schertenleib. Im Rahmen des Beitrags wurden zur Mittagszeit daraus mehrere sexuell aufgeladene Sprichwörter und Schimpfwörter wiedergegeben. Für einen Beanstander ist damit eine Grenze überschritten worden.

«Kultur Kompakt» ist eine Sendung, die unter anderem über Radio SRF 2 Kultur ausgestrahlt wird. Sie gibt die wichtigsten Themen aus Kultur, Gesellschaft und Wissenschaft in Kürze wieder. In diesem Rahmen berichtete die Sendung am 22. November 2021 zur Mittagszeit unter anderem über das Buch «Offene Fenster, offene Türen» des Schweizer Autors Hansjörg Schertenleib. Darin geht es um eine sexuelle Affäre zwischen einem Musiklehrer und seiner Schülerin resp. um ein Video davon, welches heimlich aufgenommen und ins Netz gestellt wurde. Der Roman schildert die Folgen für die Betroffenen und zeigt die sprachliche Verrohung auf, die in der Realität Einzug halten kann.

Um diese Verrohung zu veranschaulichen, wurden im Audio-Beitrag mehrere Passagen von Beleidigungen und Redewendungen wiedergegeben, die die sexuell aufgeladene Verachtung für Mitmenschen aufzeigen sollen. Beispiele dafür sind «Schlampe», «Lehrerfickerin» oder «Ich schneid dir den Schwanz ab».

Nicht für Minderjährige gedacht

Ein Zuhörer hat die Verwendung dieses Vokabulars beanstandet. Für ihn seien dies Wörter, die für Kindergartenkinder und Primarschüler zu weit gingen. Zudem störte sich der Beanstander am Zeitpunkt der Ausstrahlung. Viele Kinder seien zu Hause am Mittagessen und würden somit mit den Eltern wohl nebenbei Radio hören. Der Beitrag habe also ganz klar eine Grenze überschritten.

Bei den beanstandeten Ausdrücken handle es sich gemäss der Redaktion allesamt um Zitate aus Hansjörg Schertenleibs Roman. Er verwende diese Wörter, um das Kesseltreiben zu illustrieren, dem der Lehrer und seine Schülerin in der Geschichte ausgesetzt sind. Das Zitieren einiger Textstellen sei zur Illustration der sprachlichen Gewalttätigkeit unabdingbar. Es seien jedoch auch andere Stellen aus dem Roman zitiert worden, die sich beispielsweise mit der poetischen Schilderung der Natur befasst hatten.

Die Redaktion stimmte dem Beanstander zu, dass gewisse Textstellen weh tun mögen. Diese würden jedoch zum Vokabular gehören, welches auf Social-Media, in Songtexten oder auf Pausenhöfen unter Kindern und Jugendlichen zur Anwendung gelange. Zudem verwende weder der Roman noch der Beitrag das Vokabular in verharmlosender, gewaltverherrlichender, effekthascherischer oder diskriminierender Weise. Er leiste vielmehr einen Beitrag zur Diskussion über den Umgang mit Social Media und Sprache.

Vorwarnung in Einleitung

Für die Ombudsstelle ist klar, dass die Beanstandung in erster Linie nicht den Beitrag als solchen, sondern den Zeitpunkt der Ausstrahlung zur Mittagszeit betrifft. Deshalb sei es verständlich, dass bestimmte Ausdrücke irritieren, wenn sie «beiläufig» gehört würden. Im Beitrag seien diese aber keineswegs unvermittelt verwendet worden. Eine Einleitung bereitete die Zuhörerinnen und Zuhörer darauf vor und im Zusammenhang mit dem respektlosen Umgang in den Sozialen Medien hätten solche Wörter den Alltag längst erfasst. Der Wunsch des Beanstanders nach einem «ruhigen» Mittag sei nachvollziehbar, der Bericht stellt aber keinen Verstoss gegen Art 4 des Radio- und Fernsehgesetzes dar.

Des Weiteren versteht die Ombudsstelle die Sorge um die Kinder. «Kultur Kompakt» wende sich jedoch an Erwachsene. Entsprechend anspruchsvoll seien Inhalt und Sprache. Minderjährige interessieren die Themen von «Kultur Kompakt» in der Regel nicht, weshalb sie die Sendung nicht «aktiv» mitverfolgen. Reagieren Kinder auf einzelne Wörter oder Redewendungen, so tun sie dies in solchen Momenten zusammenhangslos, nicht auf den Kontext des Beitrags bezogen, sondern im Sinne einer Frage wie: «Was hat er/sie gesagt?». Die Ombudsstelle stimmt zudem der Redaktion zu, dass weder der Roman noch der Beitrag das Vokabular in verharmlosender, gewaltverherrlichender, effekthascherischer oder diskriminierender Weise verwendeten. Aus diesem Grund können die Ombudsleute auch keine Jugendgefährdung feststellen.

Der beanstandete Audio-Beitrag (ab 08:53):

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Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 8175


Text: SRG.D/df

Bild: Cleverclip (Illustration)

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