Die Illustration zeigt einen Richterhammer. Im Hintergrund ist das FIFA-Logo abgebildet (heller Schriftzug auf dunklem Grund).
SRG Deutschschweiz Ombudsstelle

«Tagesschau»-Beitrag zur FIFA-Affäre beanstandet

Nachdem bekannt wurde, dass das Verfahren gegen Ex-Bundesanwalt Michael Lauber und FIFA-Präsident Gianni Infantino eingestellt worden war, berichtete die «Tagesschau» vom 26. Oktober 2023 darüber. Die für das Verfahren eingesetzten ausserordentlichen Staatsanwälte reichten darauf eine Beanstandung ein, die von der Ombudsstelle gutgeheissen worden ist.

In einem gut zweiminütigen Beitrag berichtet die «Tagesschau» darüber, dass in der Geschichte rund um heimliche Treffen zwischen Ex-Bundesanwalt Michael Lauber und Fifa-Präsident Gianni Infantino ein Entscheid gefallen ist: Die ausserordentlichen Bundesanwälte haben die Ermittlungen eingestellt.

Deutscher Journalist als Kommentator einer schweizerischen Affäre

Im beanstandeten Beitrag kommen drei Personen zu Wort: Markus Mohler, ehemaliger Staatsanwalt in Basel und ehemaliger Lehrbeauftragter sowie Thomas Kistner, Journalist für Sportpolitik der «Süddeutschen Zeitung», der seit Jahren unter anderem über internationale Sportverbände berichtet. Sie beide kritisieren die Einstellungsverfügung. Kistner mit den Worten: «Die Schweizer Justiz wirkt äusserst fragwürdig. Immer wieder wird eine Art fürsorglicher Funktionärsschutz praktiziert. Der Ausgang ist häufig voraussehbar und endet so, wie in diesem Fall, mit einer Einstellung.» Als dritte Person, die natürlich eine andere Haltung einnimmt, kann sich der ehemalige Beschuldigte Gianni Infantino äussern.

Die Beanstander begründen ihre Eingabe mit der Wahl der Kommentatoren Mohler und Kistner und den gegen sie vorgebrachten «schweren Vorwürfen». Es gehe nicht an, dass man mit Kistner einen Journalisten aus dem Ausland beiziehe, dieser die schweizerischen Behörden kritisiere, die Kritik unwidersprochen bleibe und insbesondere die Beanstander nicht mit dieser Kritik konfrontiert würden.

Keine fallbezogene Kritik, sondern die Justiz im Allgemeinen

Die Redaktion weist die Kritik zurück. Schon in der Anmoderation und in der ersten Hälfte des Beitrags sei korrekt auf die Verfahrenseinstellung hingewiesen worden, was auch die Beanstander einräumen. Doch auch der restliche Beitrag sei korrekt: Mit Markus Mohler habe man einen Strafrechtsexperten zu Wort kommen lassen und Thomas Kistner sei ein weltweit renommierter und anerkannter Journalist für Sportpolitik. Er habe schon Jahrzehnte vor den Massenverhaftungen im Zürcher Baur au Lac im Mai 2015 von den umstrittenen Geschäften von Sportfunktionären in der Schweiz berichtet. Sein fachkundiger Hintergrund habe ihn zur Aussage veranlasst, dass die Schweizer Justiz immer wieder fragwürdig wirke. Es sei zudem eine subjektive Wahrnehmung, was sich durch das Wort «wirke» zeige. Auch kritisiere er nicht die Arbeit der in diesem Fall tätig gewesenen ausserordentlichen Staatsanwälte, sondern die Schweizer Justiz im Allgemeinen. Und selbst wenn man die Vorwürfe an ihre Adresse verstanden haben wolle, handle es sich gemäss presserechtlichen Standesorganisationen nicht um schwere Vorwürfe.

Befangener genügt als Gegenposition nicht

Die Ombudsleute kommen zu einem anderen Schluss: Der Beitrag hinterlasse beim Publikum eindeutig folgenden Eindruck: Das Verfahren sei zwar eingestellt worden, aber das sei eigenartig, denn im Beitrag werde von «Intransparenz» und «Heimlichkeit» gesprochen. Es seien auch unzweideutig Zweifel an der Richtigkeit der Abklärungen geäussert worden und zwar nicht von irgendjemandem, sondern u.a. von einem Experten aus dem Ausland, der klar und deutlich gesagt habe, dass «immer wieder» (und dadurch auch in diesem Fall) die Schweizer Justiz fragwürdig wirke und fürsorglicher Funktionärsschutz betrieben worden sei. Mit anderen Worten: «Vetternwirtschaft».

Als Gegenposition, so die Ombudsleute, sei nur der ehemalige Beschuldigte zu Wort gekommen. Das genüge nicht. Es hätten andere Experten beigezogen werden müssen als den befangenen Infantino, welche dem Gesamteindruck der «Begünstigung» hätten widersprechen können. Die Schwere der Vorwürfe seien für die Meinungsbildung nicht entscheidend, das wäre nur strafrechtlich relevant gewesen. Die Ombudsstelle heisst die Beanstandung deshalb gut wegen Verletzung des Sachgerechtigkeitsgebots gemäss Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetzes.

Tagesschau-Hauptausgabe vom 26. Oktober 2023

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Schlussbericht Ombudsstelle Nr. 9603


Text: Ombudsstelle SRG.D

Bild: SRG.D/Illustration Cleverclip

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