Die Ombudsstelle schafft Zusammenhalt – dank der Möglichkeit zur Kritik

Die Ombudsstelle der SRG Deutschschweiz befasst sich täglich mit den kritischen Bemerkungen des SRF-Publikums zur Arbeit der Medienschaffenden. Ombudsfrau Esther Girsberger schreibt in ihrem Beitrag, dass die Schlichtungsstelle nicht nur die Beanstandungen prüfe, man kläre das Publikum auch über die journalistische Arbeit auf – und leiste so einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Zusammenhalt entsteht nicht durch das Vermeiden von Kontroversen, sondern durch eine offene, faire und sachgerechte Debatte. Die Ombudsstelle spielt dabei eine Schlüsselrolle, indem sie zwischen SRF und Publikum vermittelt, Missver- ständnisse klärt und journalistische Prinzipien verteidigt. Durch ihre Vermittlungsfunktion versucht sie, ihren Beitrag zum besseren Verständnis gegenüber SRF zu leisten – und damit auch zum stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Schweiz.
Dessen Förderung liegt schliesslich in der DNA der SRG: Sie bietet Programme in den vier Landessprachen an und berichtet mehr als alle privaten Medien nicht nur durch Eigenleistungen über internationale und nationale, sondern vor allem auch über regionale Ereignisse, Kulturen und Traditionen. In Krisensituationen wie der Coronapandemie oder bei Naturkatastrophen spielt SRF zudem eine zentrale Rolle. Denn die Informationsvermittlung ist ein Grundpfeiler des medialen Service public.
«Die gestiegene Zahl von Beanstandungen ist nicht per se negativ.»
Dieser Informationsauftrag wird stark beachtet – was sich, nicht weiter erstaunlich, in der gestiegenen Zahl von Beanstandungen eines aufmerksamen Publikums zeigt, die bei der Ombudsstelle eingehen. Diese Zunahme ist deshalb nicht per se negativ. Die Ombudsleute interpretieren die vermehrte Kritik als Zeichen eines wachen, engagierten Publikums. Nur auf den ersten Blick liegt der Schluss nahe, dass sie auf eine einseitige Berichterstattung zurückzuführen ist. Aufgrund der Beanstandungen, die mehrheitlich das «linke» SRF kritisieren, also eine Berichterstattung, welche die liberalen und konservativen Meinungen zu wenig berücksichtigt. Alimentiert wird diese primäre Wahrnehmung durch Studien wie die von Vinzenz Wyss und seinem Forschungsteam am Institut für Angewandte Medienwissenschaft der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) aus dem Jahr 2023. Die Untersuchung stellte fest, dass Medienschaffende (auch der SRG) tendenziell eine eher «linke» Grundhaltung haben.
Es ist richtig, dass das öffentliche Medium grossen Wert auf Themen wie soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, Minderheitenrechte und internationale Zusammenarbeit legt. Das gehört schliesslich zur humanitären Tradition der Schweiz und ist auch in der Verfassung verankert. Was aber nicht heisst, dass innerhalb dieser Themen unausgewogen berichtet wird. Es liegt an der Ombudsstelle als «Friedensrichterin», aufzuzeigen, dass es sich in den seltensten Fällen um eine einseitige Berichterstattung, sondern vielmehr eben um unterschiedliche Wahrnehmungen des Publikums handelt. Die Ombudsstelle übernimmt mit anderen Worten auch Aufklärungsarbeit – was Sinn und Zweck eines starken Zusammenhalts ist. Die Ombudsstelle ist ein wichtiger Indikator für gesellschaftliche Stimmungen und die Wahrnehmung journalistischer Arbeit durch das Publikum.
«Die Ombudsstelle kann keine politischen oder weltanschaulichen Differenzen lösen.»
Erschwert wird die Arbeit durch die sozialen Medien und alternative Informationsquellen. Die Medienlandschaft ist dadurch nur vermeintlich pluraler geworden. In Wirklichkeit nehmen Fake News, gezielte Desinformationen und Filterblasen zu. Sie erschweren es, vertrauenswürdige Informationen von manipulativen Inhalten zu unterscheiden. Die Bubbles spalten – Gift für den Zusammenhalt.
Gegenüber der härteren Tonalität von unbeirrbaren Stimmen, die sich objektiven Stellungnahmen entziehen, ist die Ombudsstelle machtlos. Sie kann keine politischen oder weltanschaulichen Differenzen lösen. Gegenüber sachlich geäusserter Kritik hingegen leisten die Ombudsleute ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Als Bindeglied zwischen den Redaktionen und dem Publikum erklären sie die Arbeitsweise der SRF-Medienschaffenden und deren Beitrag zugunsten einer objektiven Informationsvermittlung.
«Die Schlussberichte fördern auch die Selbstreflexion innerhalb von SRF.»
Der Dialog zwischen SRF und Publikum ist intensiv, auch wegen der Ombudsstelle als Vermittlungsinstanz. Wer versteht, wie Journalismus funktioniert, kann Inhalte kritischer, aber auch konstruktiver hinterfragen. Die Ombudsstelle klärt Missverständnisse auf und fördert den Dialog. Ihre Schlussberichte fördern auch die Selbstreflexion innerhalb von SRF. Die Medienschaffenden setzen sich verstärkt mit der Frage auseinander, wie sie Vielfalt und Meinungspluralismus in ihrer Berichterstattung abbilden können, ohne dabei in eine blosse Gegenüberstellung von Extrempositionen zu verfallen. Hierbei hilft es, Transparenz zu schaffen und journalistische Entscheidungen nachvollziehbar zu machen.
Auch in der Schweiz zeigt sich bei grundlegenden Fragen eine gespaltene Gesellschaft: in den Beziehungen zur EU, zur Neutralität, zu den USA, zu Nahost und zur Solidarität mit jenen, denen es weniger gut geht. SRF greift diese Themen auf. Schön wäre, wenn das Publikum trotz der Differenzen bei der publizistischen Umsetzung die Leistungen anerkennt, welche die Redaktionen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten. Es ist auch Aufgabe der Ombudsstelle, ein solches Verständnis zu schaffen.