CO2-Regeln für Neuwagen: Berichterstattung im «Kassensturz» war korrekt

Die Schweizer Autoimportbranche wehrte sich mit einer Beanstandung gegen einen «Kassensturz»-Bericht. Die Sendung berichtete, wie die Branche sich für eine Anpassung der Regelung von CO2-Zielwerten für Neuwagen einsetzte, welche seit diesem Jahr gelten. Die Ombudsstelle stellt aber in keinem der kritisierten Punkte Verstösse gegen das Programmrecht fest.

Darum geht es in der beanstandeten Sendung

Der «Kassensturz» zeigte in seiner Sendung vom 11. März auf, wie sich die Schweizer Automobilbranche zu Beginn des Jahres gegen drohende Sanktionszahlungen von bis zu 500 Millionen Franken einsetzte. Diese würden in diesem Jahr fällig, weil die abgesetzten Neuwagen das vom Bund für 2025 gesetzte CO2-Ziel voraussichtlich nicht erreichen werden. 2019 hatte die Politik beschlossen, die Zielwerte beim Treibhausgasausstoss für Neuwagen zu reduzieren. Bei Nichteinhalten drohen den Autoverkäufern hohe Strafzahlungen.

Die Autobranche setzte sich deshalb nun dafür ein, dass der Bund seine Ziele anpasst und der Branche so mehr Zeit für den Umstieg auf Elektromobilität gibt. Der «Kassensturz» berichtete daraufhin, dass die Autobranche die vom Bund gesetzten Spielregeln ändern möchte – und zwar während des Spiels.

Was wird beanstandet?

Insbesondere gegen die Aussage bezüglich der Spielregeländerung wehrten sich Vertreter der Branche mit einer Beanstandung bei der Ombudsstelle. Die SRF-Sendung stelle die Tatsachen falsch dar. So wolle die Branche nicht die Regeln «während des Spiels» ändern, vielmehr seien diese Regeln noch gar nicht im Detail bekannt. Obwohl der vom Bund angegebene Zielwert seit Anfang 2025 gelte, sei zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch unklar gewesen, wie dieser berechnet werden soll. Für die Autoimporteure sorge dies für grosse Ungewissheit, da ein Regelverstoss hohe Sanktionen zur Folge habe. Deshalb setze sich die Branche für eine gleichwertige Regelung wie in der EU ein – dort nämlich erhielt die Autobranche eine Fristerstreckung beim Erreichen der Ziele.

Der Beitrag sei zudem an mehreren Stellen faktenwidrig, so die Beanstander weiter. Beispielsweise treffe nicht zu, dass der Verkaufspreis von Elektroautos heute «in der Regel deutlich höher» sei als jener von vergleichbaren Verbrennermodellen. Im Gegenteil gäbe es diverse Modelle, bei denen der Unterschied der Kaufkosten nicht mehr als 15 Prozent betrage. Die Beanstander monieren, dass eine Preisliste, aus der dies ersichtlich werde, auch der Redaktion vor Ausstrahlung des Beitrags vorgelegen habe. Käme hinzu, dass der Preis eines E-Autos bereits heute über die gesamte Lebensdauer hinweg gesehen heute tiefer sei als bei Verbrennermodellen. Ebenfalls faktenwidrig sei zudem die Behauptung von «Kassensturz», die Autoindustrie werbe nach wie vor für umweltschädliche Autos. Im Gegenteil wende die Branche den Grossteil ihrer Werbebudgets heute für nachhaltige Modelle auf.

Der «Kassensturz» bediene sich eines (zu) einfachen Schwarz-Weiss-Schemas: Die Branche werde als geldgierig und inkompetent dargestellt. Als besonders unprofessionell und unausgewogen kritisieren die Beanstander das mit Peter Grünenfelder, Präsident von Auto Schweiz, geführte Interview. Die SRF-Reporterin Bettina Ramseier sei diesem mehrfach ins Wort gefallen und habe sich nie um eine ausgewogene Darstellung bemüht. Vielmehr sei es ihr darum gegangen, eine vor dem Interview bereits feststehende These zu bestätigen.

Im Nachhinein seien die Aussagen von Peter Grünenfelder durch einen «stark subjektiven» Schnitt zusätzlich verfälscht worden, so die Beanstander. Die Kürzung des Interviews sei nicht von Peter Grünenfelder autorisiert worden. Im Gegenteil habe die Redaktorin zum Zeitpunkt des Interviews gegenüber Peter Grünenfelder ausgesagt, dass das Interview ungeschnitten publiziert werden würde.

Was sagt die Redaktion?

Die Redaktion weist die Vorwürfe in ihrer Stellungnahme zurück. So sei die Formulierung der «Regeländerung während des Spiels» zutreffend: Die Absenkung des CO2-Zielwerts für Neuwagen sei für das Jahr 2025 von 118 auf neu 93,6 Gramm pro Kilometer gesenkt worden. Dies sei politisch gewollt und seit 2019 bekannt. Dass die Autobranche jetzt «flexible Anpassungen an die Marktgegebenheiten» fordere, käme einer Regeländerung gleich. Gleiches gelte für die Forderung nach einer Ausrichtung an der Regelung der EU – denn dort würden die Regeln aktuell überarbeitet, und zwar zugunsten der Autoindustrie.

Weiter sei der «Kassensturz»-Beitrag an keiner Stelle faktenwidrig, wie beanstandet wurde. So sei etwa die kritisierte Aussage zum Verkaufspreis von Elektroautos korrekt. Die Redaktion schreibt, im Gegensatz zu den Beanstandern taxiere man einen Preisunterschied von 15 Prozent durchaus als «deutlich höher» – immerhin gehe es dabei schnell um mehrere tausend Franken. Auch ein Branchenexperte stütze die Einschätzung der Redaktion. Dass die Gesamtkosten eines E-Autos tiefer seien als beim Verbrenner, werde im Beitrag zudem von ETH-Dozent Peter de Haan explizit ausgeführt.

Es werde weiter weder gesagt noch suggeriert, dass die Autoindustrie ihr Marketing zu stark auf Verbrennermodelle auslege. Das im Beitrag gezeigte Beispiel einer SUV-Werbung werde thematisiert, weil diese Autos durch ihren hohen CO2-Ausstoss zur Folge haben, dass der Importeur möglicherweise Sanktionszahlungen leisten müsse. Die Werbung sei aber nie der Fokus des Beitrags gewesen.

Zum beanstandeten Interview schreibt die Redaktion, dass der Auto-Schweiz-Präsident seine Argumente und Positionen ausführen durfte und dem Interview mit einer Gesamtzeit von über sechs Minuten einen signifikanten Anteil an der Gesamtsendung eingeräumt wurde. Dass Peter Grünenfelder im Interview von der Reporterin unterbrochen wurde, sei zudem nicht unprofessionell. Es gehöre im Gegenteil zu der Aufgabe der Journalistin, kritisch nachzuhaken – insbesondere bei widersprüchlichen Aussagen. Dass sie dabei eine anwaltschaftliche Haltung einnahm, entspreche der Ausrichtung des Konsummagazins «Kassensturz» – und die Vertreter von Auto Schweiz seien sich dem auch bewusst. Trotzdem sei ihnen ein kritisches Interview zuzumuten.

Dass eine ungeschnittene Ausstrahlung zugesichert wurde, widerlegt die Redaktion anhand des Transkripts des Vorgesprächs zwischen der Reporterin und Peter Grünenfelder. Letzterer sei darauf hingewiesen worden, dass er seine Antworten kurzfassen musste. Die Gesamtlänge des Interviews hätte den Rahmen gesprengt. Weggeschnitten wurden aber nur Wiederholungen und Abschnitte, die zu weit geführt hätten.

Was sagt die Ombudsstelle?

Die Ombudsstelle folgt in ihrem Schlussbericht grösstenteils der Argumentation der Redaktion. Insbesondere die Kernaussage erweise sich nämlich als richtig: Dass die Vertreter der Autobranche auf Abschwächung der Sanktionen hoffen – nun, da sie zum ersten Mal fällig würden – mache die Formulierung «Regeländerung während des Spiels» zulässig.

Auch in Bezug auf die Dauer und Führung des Interviews mit Peter Grünenfelder folgt die Ombudsstelle der redaktionellen Argumentation und unterstützt deren Ansicht, dass eine vollständige Ausstrahlung nicht zugesichert wurde. Die vorgenommenen Kürzungen seien zulässig, da der Auto-Schweiz-Präsident seine zentralen Argumente platzieren konnte. Somit sei für das Publikum eine freie Meinungsbildung möglich.

Auch sei die Kritik an Reporterin Bettina Ramseier nicht berechtigt. Eine Unterbrechung in einem Interview sei laut der Ombudsstelle nicht unprofessionell, im Gegenteil. Tätigt eine interviewte Person eine Aussage, die nicht als stichhaltig eingeschätzt werde, müsse diese umgehend hinterfragt werden können. Ramseier komme also im Interview ihrer Pflicht als informierte Journalistin nach. Im Gegenzug erhalte Peter Grünenfelder ausführlich das Wort und könne seinerseits der Reporterin ins Wort fallen und sie korrigieren.

Weiter geht die Ombudsstelle auch auf den Vorwurf der verzerrten Darstellung der Kaufpreise von E-Autos ein. Der «Kassensturz» nehme eine realistische– und nicht wie von den Beanstandern moniert verzerrte – Einschätzung der Anschaffungskosten vor. Der Vergleich, den auch die Beanstander selbst ziehen, zeige offensichtlich höhere Kaufkosten von E-Autos gegenüber vergleichbaren Verbrennermodellen. Aber im Beitrag werde auch auf Modelle hingewiesen, bei dem dies nicht so ist. Und: Der auftretende ETH-Experte weise explizit darauf hin, dass die Gesamtkosten von E-Modellen günstiger abschneiden als Verbrennermotoren.

Weiter teilt die Ombudsstelle auch die Kritik der Beanstander nicht, dass der «Kassensturz» der Branche einseitige Werbung für Verbrennermodelle vorhalte. Zwar werde eine SUV-Werbung als Einführung ins Thema verwendet, aber es werde nur darauf hingewiesen, dass aufgrund von Werbungen für den Kauf von Modellen mit hohem CO2-Modellen den Autoverkäufern höhere Sanktionen drohen. Dies sei korrekt. Im Verlauf des Beitrags werde auch auf die Werbung für E-Autos verwiesen.

Einen Verstoss gegen das Sachgerechtigkeitsgebot Art. 4 Abs. 2 des Radio- und Fernsehgesetzes stellt die Ombudsstelle deshalb nicht fest.

Text: SRG.D/pz

Bild: SRG.D

Tags

Alle Schlussberichte der Ombudsstelle jetzt ansehen

Weitere Neuigkeiten